Ängstlicher Bindungstyp: Symptome und Ursachen
Tipps und Übungen, wie du einen ängstlichen Bindungsstil sicherer machen kannst
In der Psychologie gibt es die Theorie, dass unser Verhalten in Partnerschaften von frühen Beziehungen – vor allem zu unseren Eltern und anderen Hauptbezugspersonen – beeinflusst wird:
Waren deine Eltern zuverlässig und liebevoll und hast du gelernt, ihnen zu vertrauen, fühltest du dich in deiner Kindheit sicher und geborgen.
Wenn die Bindung zu deinen Eltern jedoch unzuverlässig war oder ganz gefehlt hat, kann das zu Unsicherheiten führen, die du auch später in deinen Beziehungen mit dir herumträgst.
Die sogenannte Bindungstheorie wurde in den 1950er Jahren vom Psychoanalytiker John Bowlby entwickelt und später von einigen anderen wie Bartholomew und Horowitz ergänzt. Die Bindungstheorie unterscheidet vier Bindungstypen:
- Sicherer Bindungsstil: Diese Menschen fühlen sich wohl damit, anderen zu vertrauen und Nähe zuzulassen. Sie haben meist positive Erfahrungen mit zuverlässigen und liebevollen Bezugspersonen gemacht.
- Ängstlicher Bindungsstil: Sie sehnen sich stark nach Nähe und Bestätigung, haben aber oft Angst vor Ablehnung. Ihre Bezugspersonen waren oft unberechenbar in ihrer Zuneigung.
- Vermeidender Bindungsstil: Diese Menschen neigen dazu, emotionale Nähe zu vermeiden, und betonen Unabhängigkeit. Sie haben gelernt, dass sie sich auf andere nicht verlassen können und machen alles mit sich aus.
- Desorganisiserter Bindungsstil: Betroffene schwanken zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und dem Drang, sich zurückzuziehen. Diese Unsicherheit spiegelt oft widersprüchliche Erfahrungen mit ihren Bezugspersonen wider.
Diese Bindungsstile prägen unser Leben und unsere Beziehungen auf vielfältige Weise – meist ohne dass wir es bewusst wahrnehmen.
Birgit Fehst über den ängstlichen Bindungstyp
Der ängstliche Bindungstyp: 6 typische Verhaltensweisen
Menschen mit einem ängstlichen Bindungstyp suchen, wann immer es geht, die Nähe zu ihrem/ihrer Partner:in.
Folgendes Verhalten ist im Alltag typisch:
1. Ständige Suche nach Bestätigung
Du fragst deine:n Partner:in häufig, ob sie/er dich liebt oder ob alles in Ordnung ist, und wirst unruhig oder nervös, wenn du diese Bestätigung nicht sofort bekommst?
Das kann deine:n Partner:in stressen und ihr/ihm das Gefühl geben, dass sie/er dir nie genug zeigen kann, wie viel du ihm/ihr bedeutest.
2. Angst vor Ablehnung
Wenn dein:e Partner:in nicht sofort auf eine Nachricht antwortet oder mal einen Abend mit Freund:innen verbringt, kannst du schnell das Gefühl bekommen, dass sie/er dich nicht mehr mag oder dass etwas nicht stimmt.
Diese Angst führt dazu, dass du dir viele Gedanken machst und dir Szenarien ausmalst, die oft gar nicht der Realität entsprechen.
3. Eifersucht und Misstrauen
Du bist oft eifersüchtig, auch wenn es keinen wirklichen Grund dafür gibt. Wenn dein:e Partner:in mit anderen Menschen spricht oder Zeit verbringt, fühlst du dich schnell bedroht. Dieses Misstrauen kann zu unnötigen Konflikten und Missverständnissen führen.
4. Übermäßige Bedürftigkeit
Du hast ein starkes Bedürfnis nach Nähe und möchtest am liebsten immer in der Nähe deiner/deines Liebsten sein.
Das kann dazu führen, dass du klammerst und deinem Gegenüber wenig Raum für sich selbst lässt. Dein:e Partner:in fühlt sich dadurch eingeengt und zieht sich zurück – was deine Ängste nur noch verstärkt.
5. Überinterpretation von Signalen
Du neigst dazu, jedes kleine Zeichen und jede Handlung zu analysieren und zu interpretieren. Ein kurzes Schweigen oder ein neutraler Gesichtsausdruck kann bei dir große Unsicherheiten auslösen und du versuchst, dahinter einen Grund zu finden, der oft gar nicht existiert.
6. Schwierigkeiten beim Loslassen
Wenn es zu Konflikten oder Missverständnissen kommt, fällt es dir schwer, loszulassen und die Dinge ruhen zu lassen. Du möchtest sofort alles klären und brauchst die Sicherheit, dass wieder alles gut ist.
Oh ja, ein ängstlicher Bindungsstil kann das Alltagsleben in einer Beziehung herausfordernd machen – sowohl für dich selbst als auch für dein Gegenüber.
Die gute Nachricht ist, dass es Wege und Strategien gibt, deine Ängste zu bewältigen und mehr Vertrauen und Gelassenheit in deine Beziehungen zu bringen. Auch du kannst deinen Bindungstyp ändern und eine erfüllte und gute Beziehung führen!
4 Strategien, um einen ängstlichen Bindungsstil sicherer zu machen
1. Akzeptiere dich selbst
Der erste Schritt ist immer das Bewusstwerden über den eigenen Bindungstyp. Akzeptiere, dass er Teil deiner Persönlichkeit ist. Vielleicht verstehst du nun ein bisschen besser, warum deine Beziehungen in der Vergangenheit so waren, wie sie waren.
Nimm dir jetzt Zeit, deine Gefühle und dein Verhalten genau zu reflektieren, am besten in einem Tagebuch. Denn erst, wenn du weißt, was du von einer Beziehung erwartest und was genau du verändern willst, kannst du aktiv daran arbeiten.
2. Kommunikation verbessern
Sprich mit deinem/deiner Partner:in ehrlich über deine Gefühle und Ängste. Erkläre, warum du manchmal unsicher bist, ohne ihr/ihm Vorwürfe zu machen.
Trau dich, auch in der akuten Angst, mit deinem Gegenüber zu sprechen, aber ohne Vorwürfe und heftige Kritik. Und höre auch aufmerksam zu, wenn er oder sie über Gefühle und Bedürfnisse spricht. Das stärkt die Akzeptanz zwischen euch und schafft Vertrauen.
3. Stärke dein Selbstbewusstsein und deine Selbstliebe
Du bist es wert, geliebt zu werden! Erinnere dich selbst regelmäßig daran, ganz unabhängig von der Meinung anderer.
Stärke dein Selbstwertgefühl, betreibe ganz bewusst Selfcare und nimm dir ausreichend Zeit für Dinge, die dir Freude bereiten und dich entspannen – das kann vielleicht ein Spaziergang in der Natur, ein gutes Buch oder Zeit mit Freund:innen sein. Ganz egal, Hauptsache du lernst, dich selbst wertzuschätzen.
4. Bring Ruhe in dein Leben
Konfrontierst du deine:n Partner:in immer sofort mit deinen Ängsten und Sorgen, wird die Situation immer wieder eskalieren. Lerne stattdessen, dich selbst zu beruhigen und zu trösten.
Werde gelassener und übe dich beispielsweise in Achtsamkeit, indem du dich auf den gegenwärtigen Moment konzentrierst und deine Gedanken und Gefühle ohne Urteil beobachtest.
Das kann dir helfen, deine Ängste besser zu verstehen und zu kontrollieren. Auch regelmäßige Meditation kann dir helfen, innerlich ruhiger zu werden und Stress abzubauen – schon ein paar Minuten am Tag können wirklich einen großen Unterschied machen.
Diese Strategien können dir dabei helfen, mit deinen Ängsten umzugehen und eine glückliche Beziehung zu führen.
Nein, das geht nicht von heute auf morgen, und ja, es wird viel Arbeit und Geduld erfordern, deine Ängste zu überwinden. Aber: Wenn du dich darauf einlässt, dann wirst du die positiven Veränderungen Schritt für Schritt bemerken.
Fazit: Den ängstlichen Bindungstyp sicherer machen
Ein ängstlicher Bindungsstil kann das Leben und die Beziehungen ziemlich kompliziert machen. Die andauernden Sorgen, Angst vor Ablehnung und das Bedürfnis nach ständiger Bestätigung können anstrengend sein – für dich als Betroffene:n selbst und für deine:n Partner:in.
Meist liegen die Gründe für einen ängstlichen Bindungsstil in den frühen Erfahrungen mit den Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen. Wenn Fürsorge unvorhersehbar war oder zu viel Kontrolle und emotionale Distanz herrschten, können Unsicherheiten entstehen, die man später in seinen Beziehungen spürt.
Aber das heißt nicht, dass das so bleiben muss. Mit
- Selbstreflexion
- offenen Gesprächen
- Achtsamkeitsübungen und
- Selbstliebe
kannst du lernen, deine Ängste in den Griff zu bekommen und mehr Vertrauen in Beziehungen aufzubauen. Das mag Zeit und Geduld brauchen, aber die Mühe lohnt sich!
Deine Birgit Fehst