Sichere Bindung: Merkmale, an denen du einen sicheren Bindungstyp erkennst
Was sind Anzeichen von sicher gebundenen Kindern und Erwachsenen?
Was ist eine sichere Bindung?
Crash, Boom, Bang, Hochzeit und Happy End – unsere Vorstellung von der großen Liebe ist oft romantisch idealisiert. Die Realität ist eher: Liebe braucht Zeit, Vertrauen und vor allem die Bereitschaft, uns auf eine tiefere Verbindung einzulassen. Wir müssen uns selbst erlauben, Liebe zu empfangen und zu geben. Menschen mit einem sicheren Bindungsstil können sich dabei glücklich schätzen. Die müssen das nicht erst lernen, die können das schon.
Der Begriff stammt aus der Bindungstheorie, die in den 1950er Jahren von den Psycholog:innen John Bowlby und Mary Ainsworth entwickelt wurde. Sie stellten fest: Sicher gebundene Menschen haben früh gelernt, dass sie sich auf ihre Bezugspersonen verlassen können.
Wenn sie Nähe oder Unterstützung brauchten, waren die Eltern da – und gaben ihnen das Gefühl, willkommen und geliebt zu sein. Dieses Vertrauen gibt Kindern die Freiheit, die Welt neugierig und mutig zu entdecken. Sie wissen, dass sie jederzeit wieder nach Hause kommen können und dort Trost oder Bestätigung finden. Es entsteht eine Art Grundvertrauen, das sie zu sicher gebundenen Kindern macht und unter anderem beeinflusst:
- wie sie zu sich selbst stehen,
- wie sie mit anderen Menschen umgehen,
- wie sie Herausforderungen bewältigen.
Neben der sicheren Bindung unterscheidet die Bindungstheorie noch drei weitere Bindungstypen:
- Menschen mit einem vermeidenden Bindungstil halten eher Abstand und scheuen sich, emotional zu stark eingebunden zu sein.
- Bei einem ängstlichen Bindungsstyp sehnen sich die Menschen stark nach Nähe, sind aber oft unsicher und haben große Angst, verlassen zu werden.
- Menschen mit einem desorganisierten Bindungsstil haben ein zwiespältiges Verhältnis zu Nähe und Vertrauen, oft aufgrund früher traumatischer Erlebnisse.
Wie eine sichere Bindung entsteht
Eine sichere Bindung entsteht nicht über Nacht, sondern durch ganz viel ganz normales Leben. Es sind die kleinen, alltäglichen Momente der Kindheit, wenn Eltern oder Bezugspersonen für ein Kind da sind – wenn sie auf das Kind eingehen, ihm Trost spenden, aber auch seine Grenzen respektieren. Solche Erfahrungen vermitteln dem Kind, dass es sich auf andere verlassen kann, ohne Angst zu haben, verletzt oder verlassen zu werden. Die gute Nachricht ist: das muss gar nicht konstant so sein, denn sonst müssten die Eltern perfekt sein, und das geht nicht.
Heruntergebrochen könnte man sagen: Ein sicher gebundenes Kleinkind ist meistens ziemlich entspannt und fühlt sich sicher in dem, was es tut.
Folgende Merkmale sprechen dafür:
- Es holt sich Nähe, wenn es sie braucht, und kann auch mal alleine sein.
- Es zeigt seine Gefühle – positive wie negative.
- Es geht locker mit Trennungen und Wiedersehen um.
- Es ist neugierig und offen für Neues.
Ein sicher gebundenes Kind fühlt sich einfach wohl und sicher in seiner Haut. Es weiß, dass es geliebt wird und dass es sich auf die wichtigen Menschen in seinem Leben verlassen kann – es entwickelt eben eine Art Grundvertrauen in die Welt.
Warum eine sichere Bindung wichtig ist
Genau dieses Grundvertrauen behält eine sicher gebundene Person auch im Erwachsenenalter. Diese Menschen haben oft diese gewisse Mischung aus innerer Ruhe und Selbstbewusstsein – sie wissen, wie sie in Beziehungen klar und angstfrei bleiben.
Das lässt sich an folgenden typischen Merkmalen erkennen: Sicher gebundene Erwachsene ...
- ... wissen, wer sie sind und stehen dazu: Sicher gebundene Menschen haben ein gutes Gefühl für sich selbst, sie brauchen kein ständiges Lob oder Bestätigung von anderen. Sie haben ein gutes Selbstwertgefühl und wissen, was sie wollen – und was nicht. Das bedeutet nicht, dass sie keine Unsicherheiten haben, aber sie lassen sich davon nicht so leicht aus der Bahn werfen.
- ... sind offen und direkt in Beziehungen: Nähe ist für sie keine Bedrohung. Im Gegenteil: Sie genießen enge Verbindungen und haben keine Angst, sich verletzlich zu zeigen. Eine sicher gebundene Person wird dir offen sagen, was sie fühlt und braucht – und erwartet das Gleiche von dir. Keine Spielchen, kein Drama!
- ... gehen Herausforderungen locker an: Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten? Für sicher gebundene Erwachsene kein Grund, gleich die ganze Beziehung infrage zu stellen. Sie nehmen es entspannt und wissen, dass es normal ist, ab und zu mal anderer Meinung zu sein. Statt Stress zu machen, gehen sie Konflikte gelassen und mit Respekt an und suchen nach Lösungen, die für beide Seiten gut passen.
- ... entwickeln sich ständig weiter: Sicher gebundene Menschen reflektieren sich selbst und wissen, dass sie auch mal danebenliegen. Ihr Selbstbewusstsein schenkt ihnen den Mut, an sich zu arbeiten – ohne sich dabei unter Druck zu setzen.
- ... haben klare Grenzen und respektieren andere: Sicher gebundene Erwachsene haben kein Problem damit, eigene Grenzen zu setzen und die ihres Gegenübers zu respektieren. Sie brauchen keine ständige Nähe, sondern schätzen auch mal Zeit für sich. Das Schöne daran: Genau diese Balance aus Nähe und Freiraum sorgt für stabile und entspannte Beziehungen.
Ja, nun könnte man meinen, dass Menschen mit einem sicheren Bindungstyp die perfekten Beziehungen führen und niemals Probleme haben. Überraschung: Auch sie erleben Konflikte, sonst würde ich bei mir in der Praxis nur unsicher gebundene Paare sehen, aber das ist ganz und gar nicht der Fall. Allerdings sind sie nicht beeinflusst von unberechtigten Verlustängsten oder der inneren Hemmung, sich anderen Menschen zu öffnen. Auch sie haben Ängste in Beziehungen, aber nur, wenn es wirklich einen Grund dafür gibt.
Stattdessen wissen sie, wie sie Nähe genießen, ohne sich dabei selbst zu verlieren, stehen stabil im Leben und können mit Herausforderungen gut umgehen – und dazu gehört eben auch, sich in den richtigen Momenten Hilfe zu suchen!
Als Erwachsener einen sicheren Bindungsstil entwickeln
Jetzt stellst du fest: Deine Kindheit ist lange vorbei, der Zug für einen sicheren Bindungstyp scheint längst abgefahren? Dann bitte erstmal tief durchatmen, keine Panik: Auch wenn du als Kind vielleicht nicht die optimale Bindungserfahrung gemacht hast, ist es durchaus möglich, sich als Erwachsener in Richtung eines sicheren Bindungsstils zu entwickeln. Dazu brauchst du zwar eine gute Portion Geduld und den Mut, deine alten Muster zu hinterfragen. Aber letztlich kannst auch du stabile und vertrauensvolle Beziehungen aufbauen.
Folgende 3 Tipps können dir dabei helfen:
- Setze dich ganz bewusst mit deiner eigenen Vergangenheit und vor allem mit deinen Bindungserfahrungen auseinander. Frage dein inneres Kind: Woher kommen die Angst vor Nähe, deine Unsicherheit, dein Unbehagen?
- Umgib dich mit Menschen, die stabile und unterstützende Beziehungen leben. Menschen mit einem unsicheren Bindungsstil fühlen sich oft von Menschen angezogen, die diese Unsicherheiten verstärken. Daher kann es eine echte Veränderung bewirken, dich stattdessen – auch in freundschaftlicher Hinsicht – auf Menschen einzulassen, die Vertrauen, Offenheit und Beständigkeit leben.
- Übe dich in Selbstliebe und Selbstmitgefühl. Es ist wichtig, dir Fehler zu erlauben. Ein sicherer Bindungsstil entsteht nicht über Nacht, sondern Schritt für Schritt durch positive Erfahrungen. Mit einer liebevollen Haltung dir selbst gegenüber kannst auch du langfristig lernen, eine stabile Verbindung zu anderen Menschen aufzubauen
– ganz unabhängig von deinen Kindheitserfahrungen.
Fazit: Sicher gebunden durchs Leben
Eine sichere Bindung ist das Fundament für ein gesundes, glückliches Leben – egal ob bei Kindern oder Erwachsenen. Sie sorgt dafür, dass wir uns geliebt und unterstützt fühlen, und gibt uns das Vertrauen, in Beziehungen offen und ehrlich zu sein. Obwohl das Fundament für einen sicheren Bindungstyp in der Kindheit gelegt wird, ist es nie zu spät, an sich zu arbeiten und seinen eigenen Bindungsstil sicherer zu machen. Schritt für Schritt kannst du die Art von Beziehungen schaffen, die dich wirklich erfüllen – sowohl zu dir selbst als auch zu anderen:
- Setze dich bewusst mit deiner Vergangenheit auseinander.
- Orientiere dich an anderen, sicher gebundenen Menschen.
- Übe dich in Selbstliebe.
Am Ende wirst auch du verinnerlichen, dass du dich auf dich selbst und auf die Menschen, die dir wichtig sind, verlassen kannst. Wichtig ist, dass du dir einen Partner oder eine Partnerin suchst, der oder die mit dir zusammen eure Beziehung sicher macht. Das geht immer, egal, wie unsicher ihr gebunden seid. Dafür braucht es den Willen, an euch zu arbeiten, und das Wissen, wie ihr es schaffen könnt.