Was denken andere über mich: Wie du dich vom Urteil anderer löst

Nur wenige Fragen beschäftigen uns Menschen so intensiv wie die, wie andere uns beurteilen. Kein Wunder, denn der Wunsch nach Anerkennung ist normal und verständlich. Jede und jeder will auf positive Resonanz treffen, Wertschätzung erfahren und spüren, dass andere gerne mit einem zu tun haben. Ja, es charakterisiert unser Menschsein, dass wir fundamental darauf angewiesen sind, uns mit anderen verbunden zu fühlen.

Vor 15 Jahren wäre eine solche Aussage noch als Gefühlsduselei abgetan worden, doch heutzutage zeigen Biologie und Neurowissenschaften klar auf: Die Resonanz, die wir in unserem Umgang mit Menschen und der Welt erleben, wirkt sich darauf aus, wie sich unser Gehirn und unser Ich entwickeln. Vom ersten bis zum letzten Atemzug brauchen wir Verbundenheit, um körperlich, emotional und intellektuell, um sozial und spirituell (auf)zublühen. Der Drang, Zugehörigkeit und Verbundenheit zu erleben, gehört zur menschlichen Grundausstattung. Aber: Dieser Drang kann zu viel Raum einnehmen - und dann hält er davon ab, den eigenen Weg zu gehen. 
 

Anpassung führt zur Selbstentfremdung

Eine solche Außenorientierung erfreut sich weiter Verbreitung. Da mimt man unter Freunden die Lustige, im Job die Effektive, im Familienkreis den Zugewandten und im Sportverein den Lässigen. Wir entwickeln ein meisterhaftes Gespür für unser Umfeld und wissen genau, was wir tun und lassen müssen, um in der jeweiligen Situation akzeptiert zu werden. Wir spüren, was wir anziehen und wie wir uns geben sollten, um Aufmerksamkeit und Zustimmung zu erheischen. Was wir fühlen und worüber wir sprechen sollten und was wir besser nicht erwähnen.

Kurz: Man hat gelernt, sich wie ein Chamäleon durch den Tag zu bewegen. Eigene Bedürfnisse und Wünsche fallen da ebenso schnell unter den Tisch wie eigene Überzeugungen ins Hintertreffen geraten. Es ist zwar unschön, aber wahr: Die Angst vor der Ablehnung anderer macht feige. Wer versucht, von allen gemocht zu werden, ist manipulierbar. Und das Streben, sich möglichst reibungslos anzupassen, um dazuzugehören – zum Arbeitsteam, zur Laufgruppe, zur Nachbarschaft, zur Familie –, entfernt einen schleichend von sich selbst.

 

 

Anpassung verhindert Zugehörigkeit

Wie verwendest du die Begriffe dazugehören und sich anpassen? – Viele bringen die beiden Begriffe in einen engen Zusammenhang, nach dem Motto: Wenn ich mich anpasse, gehöre ich dazu.
Doch allein, wenn du Farbe bekennst und so für andere sichtbar wirst, kann es zu einem echten Kontakt kommen. Wahre Zugehörigkeit entsteht in dem Maß, in dem du zu dir stehst und dich mutig ins Spiel bringst. Nähe kann sich nur entwickeln, wenn du dein authentisches Selbst zeigst– und zwar mit all seinen Ecken und Kanten. Das gehört unbedingt dazu! Umgekehrt fühlt sich der ersehnte Zusammenklang hohl an, wenn er durch Anpassung erkauft wird. Ja, mehr noch: Wer sich durch allzu große Anpassung verbiegt, verhindert gerade das, was er ersehnt: sich aufrichtig mit anderen verbunden zu fühlen.

Vielleicht magst du einen Moment innehalten und dich fragen:

  • Wann habe ich mich mit Menschen verbunden gefühlt?
  • Und wie habe ich dazu beigetragen? 

 

Verbundenheit entsteht durch Offenheit

Ich bin überzeugt: Es waren Augenblicke, in denen du und dein Gegenüber euch ehrlich gezeigt und einander intensiver wahrgenommen habt. Denn Verbundenheit gleicht einer Energie, die zwischen Menschen hin- und herfließt, wenn diese sich einander in aller Offenheit zeigen. Und wenn sie sich wechselseitig gesehen und geschätzt fühlen. Umgekehrt verhindern wir echte Verbundenheit, wenn wir uns so geben, wie wir wünschen, dass die anderen uns sehen sollen. Denn unser Gegenüber wird merken, dass wir uns nicht offen zeigen, dass wir uns vielleicht sogar verstellen. Und dann wird auch er oder sie keine Nähe zulassen wollen. 

 

Authentizität führt zu Zugehörigkeit

Auf den Punkt gebracht: Wenn ich Zugehörigkeit und Anpassung verwechsle, dann werde ich permanent Witterung aufnehmen für das, was angesagt ist – für Moden und Trends, für die ‚Must-haves‘ und die Verbotsschilder, für die Meinungen und Erwartungen anderer. Und in der Folge werde ich alles Erforderliche tun, um mich einzufügen. Um zu der Person zu werden, die ich angeblich sein muss, um akzeptiert zu werden.

Doch es führt in die Irre, zu meinen, dass sich auf diese Weise das Bedürfnis stillen ließe, Teil von etwas Größerem zu sein. Denn Zugehörigkeit entsteht allein dort, wo wir uns möglichst authentisch zeigen. Und wo wir als die Person umarmt werden, die wir tatsächlich sind. Zugehörigkeit erfordert also, dass wir uns mutig zeigen und uns einander zumuten.

 

Unabhängier vom Urteil anderer werden

Stelle dir die folgenden Reflexionsfragen, werfe deine Scheinwerfer neugierig nach innen und nimm einfach wahr, welche Antworten kommen: 

  1. Welche Personen üben in deinem Alltag einen großen Einfluss auf dich aus? Gibt es jemanden, der eine zu große Macht über dich hat?
     
  2. Gibt es bestimmte Lebensbereiche, Themen oder Aufgaben bei denen du dazu neigst anderen eine zu große Macht über dich einzuräumen?
     
  3. Rufe dir eine vergangene Situation in Erinnerungen, bei der du im Rückblick erkennst, dass du in erster Linie versucht hast es jemandem recht zu machen und dich dabei vernachlässigt hast. Wie kam es dazu? Was hat dazu beigetragen und welche Konsequenzen hatte das für dich?

 

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