Bist du überangepasst? 4 Tipps, um sich nicht zu verbiegen

Du freust dich auf die Couch, endlich mal ein Abend nur für dich – aber deine Freundin will noch eine Runde um die Häuser ziehen. Um sie nicht zu enttäuschen, gehst du mit. Bei politischen Diskussionen mit der Familie hältst du deine Meinung lieber zurück, schließlich möchtest du bei niemandem anecken. 

Vielleicht kommen dir auch folgende Sätze bekannt vor: 

  • Kein Problem, das erledige ich gerne für dich.
  • Ich muss lieb und brav sein. 
  • Lieber nicht auffallen. 
  • Entscheide du das.
  • Ich richte mich gerne nach dir. 
  • Andere sollen nicht schlecht von mir denken. 
  • Meine eigenen Bedürfnisse sind nicht so wichtig. 

Wenn ja, dann kann es sein, dass du überangepasst bist. Überangepasste Menschen konzentrieren sich auf andere und vergessen dabei sich selbst. Sie streben nach Harmonie, zeigen sich stehts gut gelaunt und vermeiden Konflikte, seien diese auch noch so klein. Stattdessen wollen sie die Erwartungen der anderen erfüllen und passen sich deshalb allen äußeren Gegebenheiten mit scheinbarer Leichtigkeit an. 

Für ihr Umfeld ist dieses Verhalten natürlich sehr angenehm. Überangepasste Persönlichkeiten sind meist sehr beliebt und sozial erfolgreich. Sie scheinen immer ausgeglichen, sind zu allen freundlich und zuvorkommend, wirken in Gruppen oft harmonisierend und diplomatisch. 

Das Problem ist: Überangepasste Personen vergessen bei allem Harmoniestreben ihre eigenen Bedürfnisse und unterdrücken damit essentielle Aspekte ihrer Persönlichkeit. Und das kann ihrer Gesundheit schaden. Sich selbst hinten anzustellen ist eine Form der Selbstsabotage. Denn wer nicht auf die eigenen Bedürfnisse hört, sich verstellt und anpasst, lehnt im Grunde sich selbst ab und lebt nur für andere. 

 

Ursachen, warum du es allen recht machen willst

Wer überangepasst ist, hat gelernt: So, wie ich wirklich bin, bekomme ich keine Anerkennung, keine Aufmerksamkeit. Diese Prägung ist beinahe immer in frühester Kindheit erfolgt, im Baby- oder Kleinkindalter. Denn als Kind sind wir vollkommen vom Wohlwollen anderer abhängig – wir müssen uns ständig den Anforderungen und Regeln einer Erwachsenenwelt unterwerfen. Wenn wir das nicht tun, besteht die Gefahr, dass wir anecken. 

Eltern oder andere Bezugspersonen von überangepassten Menschen haben eventuell mit Ablehnung und Überforderung reagiert, wenn Kinder ihre Regeln nicht befolgten. Gefühlsausbrüche, Regelverstöße und andere Überschreitungen sind mit Strenge, Schimpfen oder sogar Liebesentzug bestraft worden. In der Folge bedeutet das für das Kind: Je »braver« und unkomplizierter ich bin, desto mehr Liebe, Aufmerksamkeit und Anerkennung bekomme ich. 

Wir Menschen leben in dem ständigen Bedürfnis nach Anerkennung von anderen.
Ichiro Kishimi und Fumitake Koga

Daraus folgt dann: Nur wenn ich zurückstecke, wenn ich es allen recht mache, wenn ich »Everybody's Darling« bin, dann werde ich akzeptiert und geliebt. Also behalten überangepasste Personen ihr Verhalten bei, ordnen sich unter und passen sich an. 

Hinter diesem extremen Harmoniestreben steht in Wirklichkeit eine starke Verlustangst. Durch die schmerzhaften Erfahrungen in der Vergangenheit rutschen die eigene Persönlichkeit und die eigenen Bedürfnisse immer weiter in den Hintergrund – ja kein falsches Wort, ja keine Umstände machen. Auf dieser Basis ist es praktisch nicht möglich, gesunde und gleichberechtigte Beziehungen zu entwickeln. 
 

Probleme bei Überanpassung können sein: 
 

 

4 Tipps, um deine Überanpassung zu überwinden 

Du musst nicht von allen gemocht werden und auch nicht immer zurückstecken! Denn du selbst bist die wichtigste Person in deinem Leben, vor allem dir muss es gut gehen. Hier kommen 4 Tipps für deinen ganz persönlichen Weg zu mehr innerer Freiheit: 

Tipp 1: Stärke dein Selbstwertgefühl 

Du bist genau so richtig, wie du bist! Mit all deinen Stärken und Schwächen, mit deinen Vorlieben und Abneigungen. Wenn du überangepasst bist, dann hast du die Tendenz, dir deine Bestätigung von anderen geben zu lassen. Wichtig ist aber, dass auch du selbst weißt, wie wertvoll du bist. 

Du kannst dein Selbstwertgefühl positiv beeinflussen, indem du dir Zeit für dich selbst nimmst, Dinge tust, die du liebst, und dich gut um dich selbst sorgst. 

Mach dir außerdem bewusst, was du alles im Alltag leistest, was du in deinem Leben bereits erreicht hast. Hast du ein positives Selbstbild? Es ist Grundlage für dein Selbstbewusstsein. Wenn du lernst, dich selbst zu lieben, wirst du es dir auch wert sein, dich um deine eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Außerdem wirst du dadurch besser mit Ablehnung und Kritik umgehen können. 

Wir sind nicht alle gleich, sondern gleichwertig.
Ichiro Kishimi und Fumitake Koga

Tipp 2: Lerne, deine eigenen Bedürfnisse zu erkennen

Stelle dir folgende Fragen:

  • Weiß ich, wer ich bin? 
  • Was macht meine Persönlichkeit aus?
  • Was mag ich gern, was kann ich gut? 
  • Wie würden mich meine Freund:innen, die Menschen in meiner Familie beschreiben? 

Als überangepasste Person möchtest du wahrscheinlich überall dazupassen, nirgendwo anecken und es allen recht machen. Wahrscheinlich hast du jahre-, wenn nicht sogar jahrzehntelang gelernt, deine eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen. Vielleicht weißt du auch gar nicht, was du genau brauchst. 

Neben unseren Grundbedürfnissen Essen, Trinken und Schlafen haben wir alle zum Beispiel ein Bedürfnis nach Sicherheit, ein Bedürfnis nach sozialem Leben, ein Bedürfnis nach Anerkennung und ein Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. All diese Bedürfnisse wollen befriedigt werden, damit wir uns wohlfühlen und authentisch leben. Also frag dich immer mal wieder im Laufe eines Tages, wie es dir geht und wie du dich um dich selbst kümmern kannst. 

 

Tipp 3: Lass deine Gefühle zu 

Wut, Angst, Enttäuschung, Trauer: Wenn du überangepasst bist, hast du wahrscheinlich schon in früher Kindheit gelernt, deine eigenen Gefühle zu unterdrücken – vor allem die negativen. Wer seinen Gefühlen freien Lauf lässt, gilt auch als Erwachsener als irrational und impulsiv. Das ist aber weder gesund noch zielführend, denn deine Gefühle sind ein wichtiger Teil deiner Persönlichkeit.

Sie sagen viel über deine Bedürfnisse aus und sind ein Wegweiser zu deinem Unterbewusstsein. Also raus damit, lerne deine Gefühle wahrzunehmen und im Einklang mit ihnen zu leben. Sie machen dich zu dem Menschen, der du bist. Auf diese Weise kannst du auch dein inneres Kind heilen

Tipp 4: Lerne Grenzen zu setzen 

Du hattest eigentlich vor, deine Mittagspause für einen wohltuenden Waldspaziergang in Stille zu nutzen, aber dein Bekannter möchte am Telefon seine Beziehungsprobleme bei dir abladen? Dann sag »Nein«! Nur so kannst du dich um dich selbst kümmern und deine eigenen Bedürfnisse verteidigen.

Du musst weder einen Kompromiss finden, damit auch dein Bekannter zufrieden ist, noch brauchst du Angst zu haben, dass er dich nicht mehr mag. Du kannst sehr freundlich, aber bestimmt kommunizieren, dass du gerade einfach deine Ruhe brauchst – ein »Nein« zu deinem Bekannten ist in diesem Fall ein »Ja« zu dir selbst. 

 

Du musst nicht von allen gemocht werden 

… nur von dir selbst. Diese simple Erkenntnis ist für dich der erste Schritt aus der Überanpassung. Denn wenn du dich ständig verstellst und verbiegen lässt, fühlst du dich irgendwann ausgenutzt und ausgelaugt und dein Selbstwert leidet. Befreie dich daher von deiner Harmoniesucht und Verlustangst, indem du dein Selbstbewusstsein stärkst, deine Bedürfnisse ernst nimmst und lernst, klare Grenzen zu setzen. Du musst und kannst es nicht allen recht machen, außer dir selbst. 

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