Toxische Freundschaft: wie du Anzeichen erkennst und damit umgehst

Was ist eine toxische Freundschaft?

Freundschaften, bei denen das Verhältnis von Geben und Nehmen über einen längeren Zeitraum unausgeglichen ist und somit für einen Teil sehr belastend und energieraubend wird, können als einseitige, narzisstische, falsche oder toxische Freundschaften bezeichnet werden. 

Wenn auch der Begriff toxisch eher mit romantischen Partnerschaften assoziiert wird, kann es eben auch giftig, schädlich oder destruktiv in allen anderen Beziehungen zugehen: in Eltern-Kind-Beziehungen, in der weiteren Familie, Verwandtschaft – oder eben in Freundschaften.

Oft unterscheiden sich die nahen sozialen Beziehungen jenseits von Paarbeziehungen nämlich kaum oder gar nicht in Hinblick auf die Beziehungsdynamik. Damit sind also destruktive Beziehungsmuster gemeint, in denen meist ein großes Machtgefälle zu beobachten ist und in der körperliches und/oder psychische Leid entsteht. 
 

Woran erkennt man eine toxische Freundschaft? 4 Anzeichen

Toxische Freundschaften erkennt man häufig an Machtspielen, aber auch Kontrollsucht oder Narzissmus kommen vor, mitunter auch Gewalt. Es kann krankhafte Eifersucht auftauchen, Isolierung(-versuche) von anderen Freund:innen oder der Familie bis hin zu extremer Kontrolle. Manchmal bemerkt man auch, dass jemand sich nie entschuldigt, die andere Person subtil oder offen klein macht und herablassend behandelt.

Das Gegenüber ist dann mit Egozentrismus, und Ignoranz und Distanziertheit konfrontiert. Solche Freundschaften laugen aus und führen bei Sicherheitsbedürftigen oft zu Co-Abhängigkeit, wenn sie weitergeführt werden.                                                                                
Es gibt nicht DAS Anzeichen für eine toxische Freundschaft. Was wir als zermürbend und giftig empfinden, ist oft unterschiedlich und hängt stark von der Dynamik beider ab. Fakt ist aber, dass mindestens eine Person in der Freundschaft seelisch leidet. Und es gibt einige Anzeichen, die auf eine ungesunde Freundschaft hinweisen können, die du nicht übersehen solltest.

Wenn du ehrlich mit der gemeinsam verbrachten Zeit ins Gericht gehst, kannst du mit diesen Merkmalen leichter erkennen, ob du dich in einer ungesunden Beziehung befindest:

  1. wenn immer nur eine Person ihre Interessen um jeden Preis durchsetzen will, wenn der eigene Selbstwert immer mehr sinkt, die Selbstzweifel steigen und die vermeintliche Freundin oder der Freund einem immer das Gefühl gibt, nie gut genug zu sein. Freut sich deine Freundin mit dir mit, wenn du etwas Schönes erlebt oder eine schwierige Aufgabe gemeistert hast?
     
  2. Auch extreme Hoch- und Tiefphasen können ein Anzeichen sein: Gibt es ohne erkennbaren Grund starke Stimmungsschwankungen, die dazu führen, dass sich die andere Person einmal unnahbar und kalt, dann wieder herzlich und nahbar zeigt? Ab und an sind Stimmungsschwankungen natürlich normal, aber insgesamt sollten die guten Zeiten in einer Beziehung doch überwiegen und ein ständiges Kritisieren trägt nicht zu einer friedlichen und schönen Atmosphäre bei. 
     
  3. Oder schiebt die andere Person dir sofort die Schuld in die Schuhe, wenn mal etwas nicht so läuft, wie ihr es geplant hattet, auch wenn du gar nichts dafür konntest?
     
  4. Manchmal schalten sich auch Freund:innen oder Familie von außen ein und raten von bestimmten Freund:innen ab. Das muss nicht immer korrekt sein, doch oftmals ist man in Beziehungen der eigene blinde Fleck und man sieht bei anderen meist mehr als bei sich selbst. Die Hinweise wichtiger anderer Menschen in deinem Leben sind es zumindest wert, dass du sie genau prüfst – erst recht, wenn mehrere sich unabhängig in ähnlicher Weise äußern. 

 

Sich in einer toxischen Beziehung wiederzufinden, meint mehr als die Wahrnehmung „Diese Beziehung tut mir gerade nicht (mehr) gut“. Wenn wir darin verharren, geht das nicht nur mit leichtem Unwohlsein einher, sondern kann auch schwerere psychische Folgen haben. Wenn unser Nervenkostüm dauerhaft angespannt ist und wir uns gedemütigt und klein fühlen im Kontakt mit der anderen Person, kann  schädigt dieser Stress dauerhaft unseren Körper und unser Immunsystem schädigen.

In Experimenten ¹ ist außerdem nachgewiesen worden, dass die Gehirnregionen, die physischen und psychischen Schmerz verarbeiten, sich überschneiden. Im Klartext heißt das, dass es wirklich weh tut, wenn wir herablassend und abwertend behandelt werden, so etwa, wenn wir verbaler Gewalt ausgesetzt sind.  

 

Wie gehe ich mit einer ungesunden Freundschaft um? 4 Tipps
 

1. Zu einer Freundschaft gehören immer zwei

Wenn einmal eine solche Beziehung identifiziert ist, werden schnell auch Schuldzuweisungen und Laien-Diagnosen ins Feld geführt. Dann wird ein abwesender Blick als ein selbstgefälliger interpretiert, mangelndes Interesse als ein unabdingbarer Hinweis auf Narzissmus. So etwas verschärft den Konflikt meist nur, denn es klingt so, als wenn einer der beiden toxisch für den/die andere wäre. 

Dabei vergisst man dann leicht, dass zu einer Beziehung mindestens zwei gehören. Es geht nicht darum, dass eine:r Recht und der/die andere Unrecht hat, sondern um die Dynamik beider. Es geht nicht darum, dass eine Person falsch ist und die andere richtig, sondern um die Beziehungsmuster, die beide in dieser ganz einzigartigen Beziehung an den Tag legen. 

Bei Beziehungen haben immer alle Beteiligten ihren Anteil – und das im Guten wie im Schlechten.
Ulrike Scheuermann

Wichtig ist also immer mitzubedenken, dass dass wir hier von »Beziehung« sprechen, nicht von einer »toxischen Person«. Eine Freundschaft entwickelt sich immer abhängig vom Kontext, also der Rolle, der Situation, dem weitere sozialen und gesellschaftlichen Umfeld, und natürlich abhängig von der ganz individuellen Dynamik zwischen zwei Personen. 

Bei Beziehungen haben immer alle Beteiligten ihren Anteil – und das im Guten wie im Schlechten. Wir können also annehmen, dass auch in einer destruktiven Freundschaft beide Seiten etwas davon haben: Eine nimmt die Gemeinheiten der anderen in Kauf, weil er andererseits die Durchsetzungskraft der anderen schätzt, oder es fällt ihm erst gar nicht auf, weil er es schon sein Leben lang gewöhnt ist, schlecht behandelt zu werden. 

Eine andere bewundert den Blender/ die Blenderin und verstärkt die narzisstischen Tendenzen, weil er/sie gebraucht werden will. Wenn aber beide gleichermaßen Verantwortung für ihre Freundschaft haben, bedeutet das gleichzeitig auch, dass beide diese Muster unterbrechen, ihre Beziehung zueinander verändern und verbessern können – oder aber, sich besser trennen. 

 

2. Den Fokus verschieben – raus aus der Opferrolle

Eine schon lange eingefahrene Dynamik zu verändern, ist nicht leicht, vor allem dann nicht, wenn man sich selbst nur in der Opfer-Rolle sieht. Anstatt die Schuld in diesem Fall nur an den Freund oder die Freundin abzuschieben, kannst du dich produktiver fragen:

  • Was ist das Charakteristische an dieser schädigenden Dynamik und wie ist diese Dynamik überhaupt entstanden?
     
  • Wer trägt welchen Teil dazu bei? Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen an die andere Person: »Du bist falsch bzw. krank«, sondern vielmehr um einen ehrlichen Blick auf dich selbst: Was will ich in dieser Beziehung? Was brauche ich? Was sind meine Bedürfnisse? 
     
  • Und bei diesen Fragen ist wiederum wichtig zu bedenken: Deine Freund:innen sind nicht für die Erfüllung all deiner Bedürfnisse und Wünsche zuständig verantwortlich. Du trägst dafür selbst die Verantwortung und eben auch dafür, dich nicht in der Beziehung zu verlieren oder dich permanent verunglimpfen und kritisieren zu lassen. Also gibt es noch eine wichtige Frage:
     
  • Wie kann ich wieder Verantwortung für mein Wohlergehen übernehmen? Das kannst du für dich allein tun, und auch, indem du die Beziehungsproblematik klar ansprichst und dann weitere Schritte einleitest, die man letztlich zu zwei Möglichkeiten zusammenfassen kann: vertiefen oder trennen. 
Intimität und Öffnungsbereitschaft gehören zu jeder guten Freundschaft dazu, festigen und befördern sie.
Ulrike Scheuermann

3. Gespräch suchen und Grenzen setzen 

Auch wenn durch solch einen Fokus-Wechsel die alte Dynamik womöglich aufgerüttelt wird, ist es meist sinnvoll, das Gespräch zu suchen, wenn du dich in einer Beziehung und Freundschaft dauerhaft schlecht behandelt fühlst.

Ohne Vorwürfe und Vorurteile in den Austausch zu gehen, gibt beiden die Möglichkeit, ihr Verhalten zu reflektieren und ihre Beziehung zukünftig anders zu gestalten. Auch an der Art, wie mit diesem Gespräch und dieser Konfrontation umgegangen wird, kannst du ablesen, wie viel Bereitschaft für Verständnis und Veränderung tatsächlich vorhanden ist. 

Intimität und Öffnungsbereitschaft gehören zu jeder guten Freundschaft dazu, festigen und befördern sie. Für alle Beteiligten muss daher die Möglichkeit und ein sicherer Rahmen gegeben sein, genau das tun zu können. Wenn trotz aller Unschuldsvermutung und Gesprächsversuche keine Bewegung in den Prozess kommt, hilft nur das Grenzen setzen und für sich selbst sorgen. 
 

4. Toxische Freundschaft beenden

Wenn eine Freundschaft mit einer Abwärtsspirale verbunden ist, wenn die guten Zeiten immer seltener werden und vor allem, wenn du dich immer klein und gedemütigt fühlst, ist es egal, was die andere Person macht: Du solltest etwas ändern. Die Hoffnung, dass dich die andere Person irgendwann doch sehen und wertschätzen wird, wenn du nur noch ein bisschen länger wartest und aushältst, wird in den meisten Fällen enttäuscht werden, und es kann sein, dass du die schädliche Dynamik damit förderst. 

Statt also darauf zu warten, dass sich die andere Person ändert, ist es wichtig, dass du deine Grenzen deutlich und nachdrücklich kommunizierst. Allein dadurch ändert sich etwas in der Beziehung: Wenn du dir Bisheriges nicht mehr gefallen lässt, stellt sich notgedrungen eine neue Dynamik ein.

Im Zweifelsfall bedeutet der ehrliche Blick auf eine Beziehung auch, dass du sie beendest. Du hast keine unendlichen zeitlichen und emotionalen Ressourcen. Damit entsteht vielleicht erst einmal eine Leerstelle, aber jeder Raum muss erst leer sein, damit er sich mit Neuem füllen kann – dann mit Menschen, denen wir und die uns guttun.

 

Quellen: 1 Eisenberger, N.I., M.D. Lieberman und K.D. Williams. »Does Rejection Hurt? An fMRI Study of Social Exclusion«. Science 302 (2003): 290–92. 

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