Die 5 Säulen der Identität
So gut wie jeder Mensch vergleicht sich selbst mit anderen. In einer Gesellschaft, in der es vor allem um ständiges Selbstoptimieren geht, erscheint das Gras anderswo immer grüner. Selbst, wenn die Ursachen des Vergleichens nicht immer sofort ersichtlich sind, fest steht: Ständiges Vergleichen macht unglücklich und es kann unsere eigene Identität ins Wanken bringen.
Gleichzeitig ist dieser Vergleich aber ein Indikator dafür, was uns fehlt, in welchen Bereichen des Lebens wir uns noch unsicher fühlen und wo wir noch an uns arbeiten könnten.
Die 5 Säulen der Identität, eine Übung des Psychologen Hilarion Gottfried Petzold, soll dabei helfen, diesen »geschwächten« Bereich und somit die Quelle der eigenen Unzufriedenheit herauszufinden und nachhaltig zu stärken – damit die zermürbenden Vergleiche ein Ende finden und die eigene Identität auf sicheren Beinen steht.
Was sind die 5 Säulen der Identität?
Die 5 Säulen der Identität kann man sich wie ein Fundament vorstellen, auf dem unsere Persönlichkeit fußt. Wie ein griechischer Tempel, dessen Säulen das Dach – also unser Selbst – tragen. Konkret werden folgende Kategorien als die Säulen der Identität benannt:
- Körper & Psyche: Gesundheitszustand, Wohlbefinden, Aussehen, Sexualität, Belastbarkeit
- Arbeit & Leistungsfähigkeit: Aus- und Weiterbildung, Beruf, Erfolg, Freizeit, Zufriedenheit
- Soziale Beziehungen: Partnerschaft, Freunde, Familie, Kollegen, Beziehungen
- Materielle Sicherheit: Einkommen, Nahrung, Wohnung, Lebensstandard
- Werte & Normen: Moral, Überzeugungen, Traditionen, Glaube, Lebensphilosophie
Grundsätzlich gilt: Je weiter die Säulen »ausgefüllt« sind, desto größer ist das Wohlbefinden einer Person. Zwar gibt es kaum eine Person auf der Welt, bei der alles stets in bester Ordnung ist und alle Säulen prall gefüllt sind. Denn jeder von uns hat sicherlich Momente, in denen es hakt: Der Job nervt, in der Beziehung kriselt es, man ist schon wieder krank. Das ist weiter kein Problem, so lange es nur eine Säule, also einen Bereich betrifft. So schnell gerät unsere Identität nicht ins Wanken. Anders sieht es hingegen aus, wenn mehrere Säulen betroffen sind.
Das kommt in Krisenzeiten durchaus öfter vor, denn viele Bereiche hängen eng zusammen, etwa die Kategorien Arbeit/Leistungsfähigkeit und Materielle Sicherheit. Oder auch Werte/Normen und Beziehungen. Wenn etwa die Beziehung in einer tiefen Krise steckt, muss man nicht nur den Herzschmerz verarbeiten, sondern auch seine Überzeugungen hinterfragen: Wie weit bin ich bereit, für die Liebe zu gehen? Kann und will ich mich so sehr verbiegen?
Der Extremfall: Wenn der Füllstand aller 5 Säulen der Identität niedrig ist, kann man von einer Identitätskrise sprechen – das Fundament hat keine Stabilität mehr. Wer bin ich? Wozu ist das gut? Warum mache ich das und wieso bin ich überhaupt hier? sind Fragen, die für die betroffene Person dann plötzlich von elementarer Bedeutung sind.
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Wie prüfst du den Füllstand deiner Säulen der Identität?
Grundsätzlich bedeutet ein hoher Füllstand der einzelnen Säulen, dass du da bist, wo du sein möchtest. Deine Beziehungen sind, wie du sie dir erhoffst. Du bist finanziell abgesichert, gesund, fühlst dich im eigenen Körper wohl, etc. Ein niedriger Füllstand bedeutet dementsprechend, dass es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
Wenn du unterbewusst Defizite spürst, fängst du tendenziell an zu vergleichen – und zeigst dir selbst dadurch, dass du unsicher bist. Insofern ist das Vergleichen ein gutes Radar, um deine Identität zu stabilisieren und dich zu einem authentischen Leben zu führen.
Du solltest jedoch nicht erwarten, dass alle Säulen sich wie von selbst füllen oder unter Druck setzen, wenn sie nicht jederzeit gleichmäßig gefüllt sind. Mit Achtsamkeit und gezielten Übungen kannst du lernen, mit Schwankungen umzugehen und dafür sorgen, dass sich deine Säulen der Identität wieder ausgleichen. Im Folgenden stellen wir dir ein paar Übungen vor.
Um zu prüfen, wie dein persönlicher Füllstand der 5 Säulen der Identität ist, kannst du jede Säule einzeln angehen. Anhand bestimmter Fragen, die wir im Weiteren vorstellen, wird es möglich, jede Säule zu untersuchen. So bekommst du schnell ein Gefühl dafür, was dir fehlt. Die folgenden Beispielfragen helfen dir, deinen Füllstand der einzelnen Säulen einzuordnen:
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1. Säule: Körper & Psyche
- Wie robust schätzt du deine Gesundheit ein?
- Wie fit bist du?
- Hast du ein gutes Körpergefühl?
- Fühlst du dich schön?
- Wie fühlt sich das Älterwerden für dich an?
Wie schätzt du den Füllstand der Säule Körper anhand deiner Antworten ein? Und wie kannst du aufgezeigte Defizite ausgleichen? Dabei solltest du die Dinge, die du ändern kannst, von denen unterscheiden, die du nicht verändern kannst. Eine Krankheit wirst du natürlich nicht einfach so aus der Welt schaffen können, aber du kannst das Gefühl, das dich begleitet, beeinflussen.
Schreibe dir auf, was für Wohlbefinden sorgt und führe eine Liste an Maßnahmen und Verhaltensweisen, die deine Säule stabilisieren, weil sie dir trotz deiner Erkrankung gut tun. Sorge für dich und deinen Körper, denn Selbstfürsorge und Selbstliebe sind ein Schlüssel für mehr Ruhe und Gelassenheit und können dich sogar vor psychischem Stress schützen.
Ähnlich kannst du bei den weiteren Säulen der Identität vorgehen:
2. Säule: Arbeit und Leistung
- Arbeitest du in deinem Wunschberuf?
- Hast du das Gefühl, dein volles Potenzial auszuschöpfen?
- Wie wichtig ist dir Leistung?
- Ist deine Arbeit für dich sinnstiftend?
- Kannst du die Motivation zu Beginn deiner Berufstätigkeit auch heute noch spüren?
In diesem Bereich lohnt es sich, zu überlegen, ob Vergleiche (mit Kolleg:innen oder Freund:innen) vielleicht sogar anspornen können und deine Säule auffüllen, oder ob dich Vergleiche schwächen und dich frustriert zurücklassen.
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3. Säule: Beziehungen
- Welche Beziehungen führst du?
- Welche geben dir besonders viel Sicherheit?
- Wie fühlst du dich mit Freunden oder Kollegen?
- Wie ist die Beziehung zu deiner Familie?
- Hast du viele Kontakte?
- Fühlst du dich angenommen und akzeptiert?
Schreibe dir konkret auf, was du tun kannst, um deine Beziehungen zu pflegen – oder auch zu verändern. Notiere dir auch, was dir nicht gut tut. Stell deinen Freundeskreis ganz ehrlich auf den Prüfstand. Und überlege dir, in welchen Beziehungen du dich besonders vergleichst – und somit unsicher wirst.
4. Säule: Finanzielle Sicherheit
- Was brauchst du, um dich finanziell sicher zu fühlen?
- Kommst du auch mit wenig Geld aus?
- Ist Besitz und Geld für dich eher einengend oder befreiend?
- Wie viel Geld müsstest du haben, um dich sicher zu fühlen?
- Was würdest du dir davon kaufen?
5. Säule: Werte/Normen
- Welche Werte sind dir wichtig?
- Nach welchen Normen lebst du?
Schreibe dir die Werte auf, die dir am wichtigsten sind. Nach welchen Werten lebst du wirklich? Eine Wortwolke kann dabei helfen, dir diese Werte noch einmal vor Augen zu führen und zu verdeutlichen, welche davon derzeit zu kurz kommen. Nimm dir die Wortwolke abschließend vor und überlege, in Hinblick auf welche Werte du dich besonders vergleichst. Was möchtest du in Zukunft gerne ändern?
Zum Schluss der Übung überträgst du alle ermittelten Füllstände auf deine Säulen – diese kannst du ruhig beispielhaft ausmalen, wie gefüllte Gläser.
Wie stabil stehen deine 5 Säulen der Identität?
Was ist das Ziel dieser Übungen zu den 5 Säulen der Identität?
Je stärker dein Fundament, desto fester stehst auch du mit beiden Beinen im Leben. Wenn dir das Leben dann einmal übel mitspielt, kannst du dich auf die Säulen deiner Identität besinnen, die bereits einen hohen Füllstand haben. Das lenkt deine Aufmerksamkeit vom Mangel in die Fülle und kann dein Selbstvertrauen ganz automatisch stärken. Es hilft dir, dankbar zu bleiben und anzuerkennen, dass nicht alles schlecht ist.
Die 5 Säulen der Identität machen aus, wer du bist. Du kannst sie auch wie einen Garten begreifen, dessen fünf Beete stets gepflegt werden sollten. Wenn der Garten blüht, dann blühst auch du.