Ohnmachtsgefühl: Was tun bei Kontrollverlust und Hilflosigkeit?

Ohnmacht empfinden wir dann, wenn wir auf Dinge keinen Einfluss haben. Wir fühlen uns machtlos, haben keine Kontrolle über das Geschehen. Oft reicht schon eine ganz gewöhnliche unerfreuliche Alltagssituation aus, um dieses Gefühl in uns hervorzurufen: Eine Freundin sagt ab, obwohl du schon am Treffpunkt stehst; dein Kind hat einen Wutanfall und du kannst es nicht beruhigen. In diesen Momenten hast du nicht die Macht, etwas an der Situation zu ändern und das fühlt sich nicht gut an. 

Hilflosigkeit, Angst und Überforderung kommen hinzu, wenn es um schwerwiegendere Themen wie zum Beispiel um Krankheiten, Unfälle, Beziehungsprobleme oder den Verlust eines geliebten Menschen geht. Auch globale Probleme wie Kriege oder die Klimakrise können uns in diesen Zustand der Ohnmacht bringen. Das Gefühl lässt sich nicht einfach abschalten. Die gute Nachricht ist, dass es Wege gibt, mit der Ohnmacht umzugehen. Du kannst lernen, sie anzunehmen und sogar für dich zu nutzen und in Stärke umzuwandeln.
 

Ohnmachtsgefühle und ihre Auslöser

Wenn wir den Begriff »Ohnmacht« aus dem medizinischen Bereich meinen, geht es dabei um einen vorübergehenden Verlust des Bewusstseins. In der Psychologie ist hingegen das Gefühl der Machtlosigkeit gemeint. Doch sowohl bei der körperlichen als auch bei der mentalen Ohnmacht geht es letztlich um das Thema Kontrollverlust.

Wir erleben Ohnmacht, wenn wir – gefühlt oder tatsächlich – keinen Einfluss darauf haben, eigene Wünsche zu verwirklichen, weil äußere oder innere Kräfte uns daran hindern.
Melanie Wolfers

Um herauszufinden, wie du diesem Kontrollverlust entgegenwirken kannst, ist es wichtig, dir zunächst genau anzuschauen, wann du dich hilflos fühlst. 

Stelle dir dafür folgende Fragen:

  • In welchen Situationen fühlst du dich ohnmächtig?
     
  • Wie fühlt sich diese Ohnmacht für dich an?
     
  • Welche Gedanken gehen dir dabei durch den Kopf?
     
  • Wie reagiert dein Körper in einem solchen Moment? 


Beachte bei deiner Bestandsaufnahme auch, dass uns manchmal gar nicht bewusst ist, dass es sich bei unseren Reaktionen um Ohnmacht handelt.

Denn um das Gefühl der Ohnmacht zu vermeiden, kann es auch sein, dass wir uns in folgende Gefühle und Reaktionen flüchten

Ohnmachtserfahrungen und unsere Kindheit

Wie du auf eine Situation reagierst, hängt in erster Linie davon ab, wie du selbst sie bewertest. Während es für die einen zum Beispiel nicht weiter schlimm ist, sich aufgrund eines ausgefallenen Zuges zu verspäten, kann das für andere eine echte Krise auslösen.

Es kommt darauf an, wie du dich als Person selbst wahrnimmst. Manche fühlen sich beispielsweise in Beziehungen hilfloser und schwächer, als sie es in Wahrheit sind. Daher ist es gut, sich vor Augen zu führen: Sich ohnmächtig zu fühlen bedeutet noch lange nicht, tatsächlich ohnmächtig zu sein. Oft spielen hier auch Erfahrungen aus der Kindheit eine große Rolle.

Je häufiger Menschen die Erfahrung machen, einer Situation hilflos ausgesetzt zu sein, desto weniger glauben sie, überhaupt etwas bewirken oder kontrollieren zu können.
Melanie Wolfers

Hat mir als Kind, wo ich auf die Zuwendung der Bezugspersonen komplett angewiesen war, niemand zur Seite gestanden, dann werde ich später nur schwer zu mir selbst stehen können. 

Wenn du dich in bestimmten Situationen immer wieder hilflos oder ausgeliefert fühlst, kann es daher hilfreich sein, dich mit Erfahrungen aus deiner Kindheit zu beschäftigen. Vielleicht erkennst du, dass du die bedrängenden Gefühle schon Mal erlebt hast. Indem du herausfindest, wo die starken Gefühle ihren eigentlichen Ursprung haben, kannst du einen Weg finden, dich selbst besser zu verstehen und dir selbst mit Mitgefühl zu begegnen.

Die Arbeit mit deinem inneren Kind ist deshalb ein wertvolles Tool, um mit Hilflosigkeit und Kontrollverlust umzugehen. Und du kannst in deiner bewussten Auseinandersetzung mit deinen Ohnmachtsgefühlen entdecken, dass du als Erwachsene heute durchaus in der Lage bist, kraftvoll für dich selbst einzutreten

Gefühle annehmen und innere Blockaden lösen

Neben der Arbeit mit dem inneren Kind gibt es vieles, was du tun kannst, um dich aus der Hilflosigkeit zu befreien und deine inneren Blockaden zu lösen.

Die Grundlage für alle Methoden ist, dass du dir zunächst bewusst machst, dass alle Empfindungen, die du in einer Ohnmachtssituation erfährst, ihre Berechtigung haben, egal wie negativ sie sich für dich anfühlen. Gib deinen Gefühlen den Raum, den sie brauchen. Denn unterdrückte Emotionen bedeuten Stress für dein ganzes System, was wiederum Auswirkungen auf deinen Körper und deine Psyche haben kann.

Bei den folgenden Methoden solltest du unbedingt beachten, dass es viele unterschiedliche Formen der Ohnmacht gibt und es daher keine Universallösung gibt. Bei schwerwiegenden Themen und stark ausgeprägten Symptomen wie zum Beispiel Depressionen, Panikattacken oder einem Trauma ist es ratsam, sich an einen Spezialisten bzw. eine Spezialistin zu wenden.

Grundsätzlich ist wichtig, dass du

  1. deine Gefühle wahrnimmst.
  2. diesen nicht einfach blind Glauben schenkst, sondern einen Realitäts-Check machst.
  3. mit Hilfe deiner Intuition herausfindest, was dir guttut oder womit du selbst arbeiten kannst und möchtest.

 

Podcast-Folge: Nimm der Ohnmacht ihre Macht mit Melanie Wolfers

 

 

Was du gegen das Ohnmachtsgefühl tun kannst

Wenn du plötzlich mit einer Situation konfrontiert wirst, in der du das Gefühl hast, die Kontrolle zu verlieren, du dich hilflos und machtlos fühlst, dann versuche folgende Methoden:

1. Atemübung

Unsere eigene Atmung ist ein wahrer »Gamechanger«, wenn es darum geht, uns selbst zu beruhigen. Indem wir unsere Atemzüge bewusst steuern, erfahren wir, dass wir, obwohl wir die Situation nicht kontrollieren können, zumindest die Kontrolle über unseren Atem und unseren Körper haben.

Nimm also zunächst ein paar tiefe, lange Atemzüge. Lege im Idealfall eine Hand auf den Bauch und spüre, wie sich deine Bauchdecke mit jeder Einatmung wölbt und mit jeder Ausatmung senkt. Konzentriere dich einzig und allein auf deine Atmung. Spüre, wie dein System sich langsam beruhigt.

2. Bestandsaufnahme und Neubewertung

Sobald du dich etwas beruhigt hast, betrachte die Situation erneut. Spüre in dich hinein und nimm wahr, welche Reaktion das Geschehene in dir ausgelöst hat. Gehe innerlich bewusst einen Schritt zurück und mache eine Bestandsaufnahme. Überlege dir erst dann, welche Optionen es nun für dich gibt und wie du handeln könntest, ohne in alte Muster zu verfallen. Vielleicht hilft dir die Methode des Reframings, also die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten und sie dadurch ganz neu zu bewerten?
 

3. Abstand gewinnen

Abhängig davon, in welcher Situation du dich gerade befindest, kann es auch hilfreich sein, dich für ein paar Momente ganz herauszunehmen. Bewegung, Meditation, eine kreative Aufgabe, kochen oder Musik hören können zum Beispiel gute Wege sein, dich abzulenken und die Situation dann, falls nötig, mit frischer Energie anzugehen. 

Wenn du dich schon im Voraus rüsten willst, um gar nicht erst in alte Denkmuster zu verfallen, können folgende Methoden dir weiterhelfen.

4. Rituale 

Rituale und Routinen haben die Macht, deinem Leben einen Rhythmus zu geben. Sie geben dir Halt und Sicherheit und verschaffen dir damit eine Grundstabilität, die dir hilft, herausfordernde Situationen leichter bewältigen zu können. Nimm dir zum Beispiel vor, fünf Minuten am Tag etwas zu tun, was dir richtig guttut, oder führe eine Morgenroutine ein, die dich glücklich macht und gestärkt in den Tag gehen lässt. 

5. Dankbarkeitstagebuch

Gerade dann, wenn wir dazu neigen, nur noch das Schlechte zu sehen und uns dadurch hilflos und machtlos fühlen, kann es helfen, uns auf das zu konzentrieren, wofür wir dankbar sind. Lege dir ein Dankbarkeitstagebuch an und notiere darin all die Dinge, wofür du dankbar bist und wenn es nur das fließende Wasser aus dem Wasserhahn oder der morgendliche Kaffee sein sollte. Entscheidend ist, dass es dir ein gutes Gefühl gibt.
 

Fazit: Kontrollverlust und Hilflosigkeit in den Griff bekommen

Sich mit den eigenen Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit auseinanderzusetzen, kann sehr herausfordernd sein. Doch mach dir bewusst: Dadurch grenzt du die Gefühle auch ein, du entdeckst Handlungsspielräume und erfährst »Wirk-macht« statt »Ohn-macht«. 

Egal für welche Methode du dich dabei entscheidest, wichtig ist, dass sie dir entspricht und dich da abholt, wo du dich gerade befindest. Der erste Schritt ist bereits getan, wenn du erkennst, dass du nicht ausgeliefert bist, sondern selbst etwas gestalten kannst. Und wenn du auch nur minimal in deinem Leben etwas veränderst, so verändert sich schon die Richtung und du landest langfristig woanders.

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