Wut im Bauch? Mit innerer Wut umgehen und sie loswerden

Kaum ein Thema wurde für meinen Podcast GANZ SCHÖN MUTIG so häufig gewünscht wie das Thema Wut. Und das wundert nicht, tun sich doch viele schwer mit Ärger und Wut! Aber warum ist das so? Warum löst dieses Gefühl ein solches Unbehagen aus?

Ein wesentlicher Grund liegt in der zerstörerischen Gewalt, der unserer Aggression innewohnt. Schon Redewendungen wie »Ich habe eine Mordswut im Bauch«, oder: »Ich könnte vor Zorn explodieren« sprechen eine deutliche Sprache. Und ein realistischer Blick auf unsere Welt sowohl im Nahbereich als auch im globalen Zusammenhang zeigt, wie schädigend, ja vernichtend Wut und Hass sein können! 

 

Was steckt hinter Wut? Innere Wut Ursachen

Warum Empfindungen von Wut und Ärger abgewehrt werden, liegt oft auch an der Erziehung. Wut gilt als ungehörige Emotion! Vielen wurde im Kindesalter verbal oder nonverbal vermittelt: »Wenn du wütend bist – wenn du auf den Boden stampfst oder deine Mama anschreist –, dann ist das nicht okay! Dann bist du nicht okay!« 

Manche wurden des Zimmers verwiesen oder wie Luft behandelt, bis sie wieder ein freundliches Gesicht machten. Wenn die kindliche Wut mit einem solch bedrohlichen Entzug von Zuwendung bestraft wird, liegt als rettender Ausweg nahe, dieses Gefühl zu verdrängen und aus dem Bewusstsein zu verbannen.

Und schließlich vermeiden wir Menschen oft unbewusst unsere aggressiven Impulse, weil wir deren vitale Wucht erahnen oder kennen, denn: »Wer weiß, was alles passiert, wenn ich meine Wut rauslasse? Werde ich es hinterher nicht bereuen?« 

Wir befürchten, uns nicht kontrollieren zu können, sondern am Ende von unserer Wut beherrscht zu werden – und unterdrücken sie daher. Haben wir darüber hinaus die Vorstellung, dass sich Freundschaft und aggressive Regungen gegenseitig ausschließen, dann werden wir aufgrund dieser verkürzten Auffassung von Freundschaft und Liebe heftige Gefühle wie Wut und Zorn ablehnen.

 

 

Warum es sinnvoll sein kann, seine Wut rauszulassen

Aggressive Empfindungen ausschließlich negativ zu beurteilen, ist jedoch eine verkürzte und einseitige Sicht. Denn hinter jedem Gefühl steht ein positiver Wert. Alle Gefühle – auch die sogenannten »negativen« – haben lebenswichtige Funktionen. Alle haben den ursprünglichen Sinn, uns beim (Über-)Leben zu helfen.

Wut funktioniert wie eine Art Bewegungsmelder, der bei Grenzüberschreitungen eine Sirene auslöst. Ähnlich signalisiert die Wut: »Achtung, da überschreitet jemand meine Grenzen und tritt mir gefühlt zu nahe!« Es ist normal und gesund, mit Ärger zu reagieren, wenn ich etwa angegriffen, betrogen oder ignoriert werde. Denn der Ärger motiviert dazu, dass ich für meine Selbstachtung kämpfe und meine Grenzen, meine Autonomie und im Zweifelsfall sogar mein Leben schütze. Somit befähigt Wut, für die eigenen Bedürfnisse, Werte und Belange einzustehen.

Ärger steht auch im Dienst gelingender Beziehungen. Denn im Zusammenspiel mit Zuneigung und Freundschaft versetzt er uns in die Lage, das Verhältnis von Nähe und Distanz richtig auszubalancieren. Darüber hinaus gibt er die Kraft, Kommunikationshindernisse aus dem Weg zu räumen. 

Auch wenn es auf den ersten Blick erstaunlich erscheint: Ein gut adressierter Ärger drückt aus, dass der andere mir nicht gleichgültig ist, sondern dass mir an der Beziehung etwas liegt. Und nur, wer seine Grenzen offenbart, gibt dem/der anderen die Chance, darauf Rücksicht nehmen zu können.

Und schließlich reagieren wir zu Recht mit Wut, wenn wir Ungerechtigkeit wahrnehmen. Wut wirkt wie eine Oppositionsenergie, die einen mobilisiert, für die Rechte anderer zu kämpfen, Probleme anzupacken und sich für eine gerechtere Welt einzusetzen.
 

Wer seinen Ärger über eine Kränkung herunterschluckt, ist diesen noch lange nicht los.
Melanie Wolfers

Unverdaute Wut schlägt nicht nur auf den Magen

Wenn wir uns »richtig« ärgern, gestalten wir unsere aggressiven Impulse lebensfördernd und beziehungsstiftend und lassen uns zu Zivilcourage und Engagement anstiften. Es gibt aber auch eine krank machende Wut. Wer seinen Ärger über eine Kränkung herunterschluckt, ist diesen noch lange nicht los. 

Die Folgeerscheinungen von unterdrückter und verdrängter Wut sind vielfältig: Schadenfreude oder kalter Zynismus, Verachtung, starre Vorurteile oder bissige Kritik machen einem selbst und anderen das Leben schwer. 

Und wer seinen Ärger immer wieder unter den Teppich kehrt, stolpert irgendwann darüber. Dann kommt es beispielsweise zu unkontrollierten Wutausbrüchen oder der Ärger richtet sich gegen völlig Unbeteiligte.

Wut wird ebenso zum Problem, wenn ich auf rächende Schädigung ziele anstatt auf Gerechtigkeit. Wenn ich erst zufrieden bin, wenn mein Gegner k.o. am Boden liegt. Oder wenn meine verbissene Wut in keinem Verhältnis mehr zur Ursache steht und diese mich blind wüten und toben lässt.

In umgekehrter Richtung kann Wut aber auch zu selbstschädigendem Verhalten führen, und die psychische Volkskrankheit Nummer Eins, die Depression, wurzelt vielfach in blockierter oder gebremster Aggression. Im nächsten Abschnitt geht es darum, wie du lernst, deine innere Wut loszuwerden und zu kontrollieren.

 

Mit Wut umgehen in 3 Schritten

Für einen guten Umgang mit der inneren Wut sind drei Schritte von Bedeutung. Wer sie berücksichtigt, kann aus dem Reichtum und der Vitalität seiner Wut schöpfen und die unterdrückte Wut auflösen.

  1. Der entscheidende erste Schritt besteht darin: Nimm deine eigenen Gefühle aufmerksam wahr – in diesem Fall deine Wut. Das hört sich leichter an, als es bisweilen ist, und manchmal braucht es Zeit und geduldige Aufmerksamkeit, bis du (wieder) gelernt hast, Wut, Ärger und Zorn zu fühlen und als eine zu dir gehörende Kraft zu akzeptieren.
     
  2. Wechsle in deinen Verstand und nimm eine beobachtende Rolle ein. Indem du von außen auf deine innere Wut schaust, identifizierst du dich nicht mit deiner Wut. Und die innere Distanz gibt die Gelegenheit, einen Realitäts-Check zu machen. So kann man sich im Blick auf die eigene unterdrückte Wut etwa fragen: Bin ich gerade überempfindlich, weil ich mich heute schon dreimal geärgert habe, oder verhält sich der/die andere gerade wirklich übergriffig? Ist das Gefühl gegenüber dem/der anderen angemessen oder läuft in mir ein alter Film ab?
     
  3. Dieses Innehalten befähigt dich, dass du mit deiner Wut bewusst umgehst und nicht die Wut mit dir. Denn anstatt blindlings dem stärksten Gefühl zu folgen, kannst du dich nun für eine bestimmte Reaktionsweise entscheiden und sie in die Tat umsetzen. Du bleibst handlungsfähig und selbstbestimmt.
     

Unterdrückte Wut: Symptome wahrnehmen und verstehen

Das Wutgefühl baut sich auf verschiedenen Ebenen auf:

  • Auf der körperlichen Ebene kann das Wutgefühl einhergehen mit Hitze und Schwitzen, mit Anspannung im Nacken, erhöhtem Puls, schneller Atmung.
  • Auf der Verhaltensebene zeigt sich häufig ein gesteigerter Bewegungsdrang. Oder man ballt die Fäuste oder spricht lauter.
  • Auf der Gedanken-Ebene machen sich feindselige Gedanken und Fantasien breit oder wütende Selbstgespräche geben den Ton an.
  • Und auf der emotionalen Ebene melden sich Ärger, Wut, Groll, Zorn oder Empörung zu Wort.

Oft braucht es Geduld, um die eigenen körperlichen Reaktionen leichter zu spüren und um auf das Gedankenkarussell aufmerksam zu werden, wenn sich Wut in einem aufbaut. Doch das zu üben lohnt sich! Denn je früher wir die Anzeichen wahrnehmen lernen, wenn sich Wut in uns breitmacht, umso besser können wir der Wut einen guten Weg ebnen. Desto konstruktiver werden wir mit dieser vitalen Lebenskraft umgehen.
 

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