Die 7 Säulen der Resilienz: Übungen, um Krisen zu bewältigen

Die Bedeutung der 7 Säulen und wie sie dir helfen, deine Resilienz zu stärken

Mit Resilienz durch die Krise 

Die Cafébesitzerin, die nach zwei Jahren Pandemie mit einem neuen Konzept durchstartet. Die Kollegin, die sich nach einer Kündigung mutig neu erfindet. Der ältere Nachbar, der nach dem Tod des Partners neue Kraft im Ehrenamt findet. Hast du dich schon einmal gefragt, warum manche Menschen mit einem Schicksalsschlag scheinbar spielend zurechtkommen? Seit den 1970er-Jahren erforscht die Psychologie weltweit, warum manche Menschen trotz widriger Umstände zuversichtlich bleiben, sich aufrappeln und sogar gestärkt aus einer Krise gehen.

Eine Krise muss keine Katastrophe werden.
Anastasia Umrik in »Du bist in einer Krise. Herzlichen Glückwunsch.«

Mittlerweile ist klar: Resilienz ist keine diffuse Geisteshaltung, sondern ein Zusammenspiel aus erlernbaren Strategien und innerer Haltung. Niemand kommt resilient auf die Welt, die Fähigkeit wächst in uns. Wie stark unsere Resilienz im Erwachsenenleben ausgeprägt ist, hängt auch davon ab, wie wir aufgewachsen sind: Ob uns Vertrauen vermittelt wurde, ob wir Unterstützung erfahren haben oder wie mit Fehlern, Krisen oder Gefühlen in unserem Umfeld umgegangen wurde.

Außerdem ist mittlerweile klar, dass wir die verschiedenen Faktoren der Resilienz auch noch im Erwachsenenalter stärken können. Resilienz ist keine angeborene Superkraft – sie ist ein Muskel, den wir trainieren können. Je öfter du sie nutzt, desto stärker wird sie

Die Frage ist nur: wie? Um die eigene Resilienz zu fördern, hat sich ein bewährtes Modell etabliert: »Die 7 Säulen der Resilienz«. Es geht zurück auf die Diplompsychologin Ursula Nuber und beschreibt innere Haltungen und Fähigkeiten, dank derer wir mit Herausforderungen gesünder, gelassener und gestärkter umgehen können. Mithilfe der 7 Säulen kannst du deine eigene Resilienz bewusst unter die Lupe nehmen

  • Wo stehst du gerade?
  • Welche Säulen tragen dich bereits?
  • Welche wackeln vielleicht noch ein wenig?
     

Mit den 7 Säulen deine Resilienz stärken

Jede der 7 Säulen der Resilienz beschreibt eine innere Haltung oder Fähigkeit, die wir trainieren können. In den folgenden Abschnitten erklären wir dir jede Säule im Detail. Die dazugehörigen Übungen helfen dir dabei, diese in deinem Alltag zu festigen und so deine Resilienz zu stärken.

Infografik mit den 7 Säulen der Resilienz

1. Säule: Optimismus – Den Blick auf das Gute richten

In der Krise optimistisch denken klingt leichter gesagt als getan. Und natürlich lassen sich echte Probleme nicht einfach ignorieren oder aussitzen. Optimismus bedeutet auch nicht, eine Krise einfach wegzulächeln. Aber du kannst lernen, deinen Blick gezielt auf das zu richten, was dir trotz allem Kraft gibt. Denn gerade in belastenden Zeiten lohnt es sich zu fragen:

  • Was steht mir zur Verfügung?
  • Was hat mir in ähnlichen Situationen geholfen?
  • Wer oder was gibt mir Halt – emotional, sozial oder auch ganz praktisch?
     

Mini-Übung: Deine Ressourcen

Hilfreich ist es, wenn du dir deiner Ressourcen bewusst bist. So hast du sie im Krisenfall parat und kannst leichter auf sie zurückgreifen. Vielleicht ist es deine Fähigkeit, ruhig zu bleiben. Oder dein Sinn für Humor. Oder es ist dein Umfeld, sind Menschen, die dich sehen und verstehen. Auch kleine Routinen, regelmäßige Bewegung oder ein gutes Gespräch können dich durch schwere Zeiten tragen.

2. Säule: Akzeptanz – Annehmen, was ist

»Das darf doch nicht wahr sein! Warum ausgerechnet ich?« – manchmal sträuben wir uns innerlich gegen alles, was gerade passiert. Aber je mehr Energie wir darauf verwenden, gegen die Realität anzukämpfen, desto weniger Kraft bleibt für uns. 

Genau jetzt kann uns helfen, anzunehmen, was ist. Akzeptanz bedeutet nicht, alles gutzuheißen. Es heißt auch nicht, dass wir etwas einfach hinnehmen oder uns geschlagen geben. Vielmehr geht es darum, die Tatsachen erst einmal zu sehen – nicht mehr und nicht weniger. Erst, wenn wir aufhören zu kämpfen, wird der Kopf frei für Lösungen und neue Perspektiven.
 

Mini-Übung: Akzeptieren

Akzeptanz fängt im Alltag an. Wenn du dich schon über einen verspäteten Zug oder das Regenwetter ärgerst, wie sollst du dann die großen Veränderungen im Leben annehmen können? Also fang am besten damit, die Dinge, die du nicht ändern kannst, zu akzeptieren. Vieles, das dein Leben beeinflusst, liegt schlicht nicht in deiner Hand. Das Wetter, die Laune anderer Menschen, den Stau auf dem Heimweg. All das kannst du nicht steuern – aber du kannst steuern, wie du darauf reagierst.

Das heißt: Einmal tief durchatmen, die Situation kurz wahrnehmen und dann entscheiden, wie du damit umgehen willst. Klingt einfacher, als es ist? Ja. Aber du kannst es üben, in den kleinen Momenten des Alltags, wenn es noch nicht um Weltbewegendes geht.

Denn alles, was in unseren Händen liegt, ist unsere Einstellung zu unserer eigenen Existenz.
Anastasia Umrik in »Du bist in einer Krise. Herzlichen Glückwunsch.«

3. Säule: Selbstwirksamkeit – Du kannst etwas bewirken

Kennst du diesen Sturm der Endorphine, wenn du etwas allein geschafft hast? Ein schwieriges Gespräch, ein Anruf, der Überwindung gekostet hat, oder ein Projekt, vor dem du Respekt hattest. Genau das ist Selbstwirksamkeit in Aktion.

Sie hat eine wichtige Botschaft für dich: Du kannst etwas tun. Wenn du spürst, dass dein Handeln Wirkung hat, wächst Vertrauen in dich selbst – Schritt für Schritt. Genau dieses Vertrauen lässt sich trainieren. Nicht, indem du plötzlich dein ganzes Leben auf den Kopf stellst, sondern indem du dir bewusst machst, was du schon geschafft hast.
 

Mini-Übung: Dein persönliches Erfolgsjournal

Nimm dir ein kleines Notizbuch oder öffne die Notizen-App auf deinem Handy. Schreib jeden Abend eine Sache auf, die du heute gut gemacht hast. Kein Weltrekord, keine Meisterleistung – nur du und dein ehrlicher Blick auf dich selbst. Jede noch so kleine Geste zählt. Du wirst sehen, dass mit der Zeit eine schöne Liste von Erfolgen zusammenkommen wird: 

  • »Ich habe endlich einen Zahnarzttermin gemacht.«
  • »Ich bin ruhig geblieben, obwohl alles chaotisch war.«
  • »Ich habe meine Chefin von einer neuen Idee überzeugt.«

 

4. Säule: Lösungsorientierung – Den nächsten kleinen Schritt sehen

Du steckt in einer Krise und kommst nicht mehr heraus: Der Kopf brummt, die Gedanken drehen sich im Kreis – und je mehr du über das Problem nachdenkst, desto größer wird es. Willkommen in der Problemspirale! Wenn du das selbst schon einmal erlebt hast, dann weißt du wahrscheinlich: Hilfreich ist die ganze Grübelei nicht. 

Lösungsorientierung bedeutet jetzt, den Fokus auf die nächste Möglichkeit zu lenken. Das muss nicht der große Masterplan sein. Manchmal reicht ein einziger, kleiner Schritt: eine Mini-Idee oder ein Anruf, der schon lange überfällig ist. Lösungsorientiertes Denken ist wie ein innerer Richtungswechsel: Du hörst auf, dich um das zu drehen, was nicht geht, und richtest deinen Fokus auf das, was möglich ist. Frage dich in solchen Momenten:

  • Was wäre jetzt ein nächster, kleiner Schritt – nicht perfekt, aber machbar?
     
  • Was habe ich in ähnlichen Situationen früher schon geschafft? 
     
  • Was würde [eine Person, die mit der Situation umgehen kann] jetzt tun?
     

Mini-Übung: Der Perspektivwechsel

Wenn du in einer Situation feststeckst und das Gefühl hast, keine Lösung zu sehen, hilft manchmal ein kleiner Trick: Stell dir vor, nicht du hast dieses Problem, sondern eine gute Freundin.

Was würdest du ihr raten? Wie würdest du mit ihr sprechen? Dann drehe die Perspektive zurück auf dich und wende genau diese Haltung auf deine eigene Situation an. Sobald du emotional etwas Abstand nimmst, wird der nächste Schritt oft klarer und vor allem milder. Denn: mit uns selbst sind wir oft viel härter als mit anderen.

5. Säule: Beziehungen – Geteiltes Leid ist halbes Leid

Resilient sein bedeutet nicht, alles allein durchzustehen. Gerade in Krisenzeiten denken viele, dass sie niemandem zur Last fallen wollen, oder das Problem erst einmal mit sich selbst ausmachen. Dabei zeigt sich innere Stärke auch darin, dass wir erkennen, wann wir Hilfe brauchen

Wir Menschen sind Rudeltiere. Verbindung, Austausch und ehrliche Gespräche sind kein Zeichen von Schwäche, sondern Teil der Lösung.

Sich mit einem Gegenüber auszutauschen hat viele Vorteile: Du fühlst dich gehört und verstanden, kannst Sorgen teilen und bekommst oft neue Perspektiven. 
 

Mini-Übung: Dein Helfer-Netz

Zeichne einen Kreis und schreib deinen Namen in die Mitte. Rundherum gruppierst du Menschen, bei denen du dich sicher, gesehen oder einfach wohl fühlst – ganz ohne Bewertung. Das können Freundinnen und Freunde, Leute aus dem Kolleg:innenkreis, Familienmitglieder oder auch Online-Communities sein. 

Mit dieser einfachen Übung visualisiert du, auf wen du dich im Ernstfall verlassen kannst. Das gibt dir Sicherheit und stärkt dein Gefühl, nicht allein dazustehen, auch wenn es gerade schwierig wird.

 

6. Säule: Zielorientierung – Sinn und Richtung im Blick

Inmitten einer Krise fühlt sich die Zukunft oft wie ein leerer Raum an – ungewiss, unklar, vielleicht sogar bedrohlich. Doch genau dann ist es besonders wichtig, nicht nur auf das Hier und Jetzt zu schauen, sondern auch den Blick nach vorn zu richten. Wer ein Wofür hat, kann auch schwierige Wie-Fragen besser aushalten.

Zukunftsplanung bedeutet nicht, einen perfekten Fünfjahresplan aufzustellen. Es geht eher darum, eine Idee vom großen Ganzen zu haben – eine Richtung oder eine Vorstellung, wofür es sich lohnt, dranzubleiben. Stell dir diese Idee als Kompassnadel vor, die dir auch in dunklen Zeiten den Weg weist.
 

Mini-Übung: Zukunfts-Skizze

Nimm dir 5 Minuten Zeit und setz dich ehrlich mit deinen eigenen Sehnsüchten und Motivationen auseinander. Beantworte dazu schriftlich oder im Kopf diese drei Fragen:

  • Wann habe ich mich das letzte Mal wirklich lebendig und glücklich gefühlt?
     
  • Wofür möchte ich in meinem Leben Verantwortung übernehmen?
     
  • Wie sollen mich andere Menschen in Erinnerung behalten?

 

7. Säule: Selbstreflexion – Lerne dich selbst zu verstehen

Selbstreflexion ist wie ein innerer Spiegel. Sie hilft dir, Muster zu erkennen, dich selbst besser zu verstehen und bewusster zu entscheiden, wie du mit Herausforderungen umgehen willst. Und das Schöne daran: Du brauchst dafür keinen perfekten Moment, nur ein paar Minuten Zeit und die Bereitschaft, ehrlich mit dir selbst zu sein.

Selbstreflexion bedeutet nicht, sich ständig zu hinterfragen oder sich kleinzureden. Im Gegenteil: Es geht darum, dich mit Mitgefühl zu betrachten – wie du eine gute Freundin betrachten würdest.
 

Mini-Übung: Journaling für schwere Tage

Wenn du das Gefühl hast, dass alles gerade etwas zu viel ist, nimm dir dein Journal und 10 Minuten Zeit und beantworte schriftlich drei einfache Fragen:

  1. Was belastet mich gerade ganz konkret?
  2. Was habe ich heute trotzdem geschafft oder für mich getan?
  3. Was würde mir morgen guttun?

An deine Antworten sind keine Verpflichtungen geknüpft. Du musst keinen Plan fassen oder etwas ändern. Es geht nicht ums Tun – es geht ums Wahrnehmen, darum, dir selbst zuzuhören, ohne Druck und ohne Bewertung. Deine Antworten helfen dir, dich nicht aus den Augen zu verlieren und dich mit jedem Eintrag ein bisschen besser zu verstehen.

 

Fazit: Resilienz ist wie ein Muskel – du kannst sie trainieren

Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen zu überwinden und sich nach Rückschlägen wieder zu erholen. Sie ist allerdings kein Zustand oder Ziel, das du eines Tages erreichst – sie ist ein Prozess. Eine innere Haltung, die sich im ganz normalen Alltag entwickelt: Echte Resilienz entsteht nicht, wenn du alles im Griff hast, sondern wenn du weißt, wie du mit dir selbst umgehst, wenn du es nicht hast. Wenn der Tag anders läuft als gedacht, wenn dich die Dinge überfordern oder das Leben einfach nur anstrengend ist.

Resilienz besteht aus vielen unterschiedlichen Fähigkeiten. Jede einzelne kannst du trainieren, beispielsweise mithilfe der 7 Säulen der Resilienz: 

  1. Optimismus – den Blick bewusst auf das richten, was möglich ist
  2. Akzeptanz – annehmen, was du nicht ändern kannst
  3. Selbstwirksamkeit – dir selbst etwas zutrauen
  4. Lösungsorientierung – kleine Schritte gehen
  5. Beziehungen – dich verbinden, statt alles allein tragen zu wollen
  6. Zukunftsplanung – Sinn und Richtung im Blick behalten, auch wenn es gerade dunkel ist
  7. Selbstreflexion – dich selbst besser verstehen und liebevoll mit dir umgehen.

 

Quellen: