Verbundenheit und Beziehungen – Self Care (7/9)

Wir können uns also fragen, was das, was mich am Anderen aufregt, mit mir zu tun hat. Ich weiß, dieser Gedanke ist ziemlich anspruchsvoll, vor allem, wenn man sich gerade so richtig empört und aufgebracht ist vom Verhalten anderer. Es ist eine Herausforderung, aber ich habe nie gesagt, dass Beziehungen leicht wären.

Auf der anderen Seite ist es eben auch enorm gewinnbringend. Für dich selbst und für die Beziehung zu anderen. Im letzten Artikel über Self Care – Deine Verbundenheit stärken habe ich geschrieben, dass stabile und erfüllte Beziehungen der wichtigste Faktor für ein glückliches und erfülltes Leben sind. Also: Es lohnt sich, hier viel Mühe zu investieren.

 

Was hat das mit mir zu tun?

Du kannst deine Beziehungsfähigkeit durch die Frage nach psychologischen Abwehrmechanismen wie Projektion oder Übertragung weiterentwickeln. Das ist enorm bedeutsam – und konstruktiv. Ich erkläre dir erst einmal die beiden Begriffe: Projektion bedeutet: Man projiziert eigene verdrängte Seiten auf andere und bekämpft sie dort, zum Beispiel durch Schlechtreden, schimpfen oder sich aufregen, oder durch Überhöhen, Bewundern.

Der andere psychologische Mechanismus ist die Übertragung, die ebenfalls ständig in zwischenmenschlichen Beziehungen vorkommt: Man überträgt frühere Beziehungserfahrungen auf aktuelle Beziehungskonstellationen und sieht in der Chefin die strenge Mutter oder im Partner den grenzüberschreitenden Bruder.

Du kannst dir in beiden Fällen die Frage stellen: Was hat das, worauf ich beim anderen reagiere, mit mir zu tun? Damit kannst du Verstrickungen in Beziehungen beenden: indem du dich an erster Stelle mit dir selbst beschäftigst.

Das kann so aussehen, dass du deine eigene Geschichte ergründest und besser verstehst, oder auch mit anderen darüber sprichst. Wenn du dich zum Beispiel darüber aufregst, dass jemand anders sich immer in den Vordergrund spielt, kannst du dich fragen, ob du das vielleicht selbst nicht durftest und es in deiner Familie schlecht angesehen war.

Wenn du dich genug damit beschäftigt hast, kann Altes zur Ruhe kommen und du kannst diese Seite, mehr im Vordergrund zu stehen, bei dir selbst mehr annehmen und leben, in einer Form, die dir entspricht. Kultiviere Akzeptanz in Beziehungen und du musst dich nicht mehr über die andere Person aufregen. Hier kann dir mein Buch „Self Care – du bist wertvoll“ helfen, wenn es dir schwer fällt, dran zubleiben oder wenn du merkst, dass du ohne gute Selbstcoachingwerkzeuge nicht weiterkommst.

Was dich am anderen aufregt, ist nur dein eigener Schatten
Ulrike Scheuermann

Eine Einschränkung gilt dabei natürlich: Alles Gesagte meine ich auf den Normalfall im Alltag angewendet, wenn es nicht gerade um Extremfälle geht, wie z.B. unethisches Verhalten, Gewaltverhalten etc.

Erst, wenn wir solche Abwehrmechanismen wie Projektion oder Übertragung beenden, haben wir beide Hände frei, um auf andere Menschen ohne diese Verstrickung zuzugehen. Verbunden und innerlich frei haben wir genug Energie, um unser Wesentliches zu leben. Und wir können dann auch einfach viel entspannter das Zusammensein mit anderen genießen. Dieses entspannte Zusammensein erfordert eben auch innere Auseinandersetzung. Aber dann kann das gelingen, was ich dir jetzt vorstellen möchte.

Das Zusammensein genießen


Das Ideal des entspannten Zusammenseins mit anderen Menschen, leben uns die Dänen und andere skandinavische Länder vor, die im internationalen Vergleich wiederholt die glücklichsten Länder der Erde sind. Das dänische Schlüsselwort lautet „Hygge“.

Es steht für ein entspanntes, heimeliges Zusammensein mit anderen Menschen, bei dem kein Leistungsdruck herrscht. Jeder trägt etwas zum Ganzen bei und es geht nicht darum, sich herauszustellen. Kein Leistungsdruck, kein Vergleichen. Es geht „nur“ um die Freude am Zusammensein.

Wenn wir das kultivieren, spüren wir die Zuneigung und Liebe füreinander. Wir brauchen die Anerkennung durch Leistung und Perfektion nicht mehr. Allen soll es gut gehen, uns selbst und Anderen. Wir erleben Sinn und Glück.

 

Aufgehoben in erfüllten, tiefen, vertrauensvollen Beziehungen sind wir die glücklichsten Menschen der Welt.
Ulrike Scheuermann

Es klingt simpel, doch allzu leicht schleicht sich auch im entspannten Zusammensein mit anderen Menschen, Freunden, Familie eine Form von Leistungsstress ein. Kennst du das von dir? Alles soll perfekt vorbereitet und besonders schön sein, bevor die Gäste kommen. Oder du fühlst dich verantwortlich für den harmonischen Verlauf des Abends. Oder jemand erzählt doch irgendwie zu viel von seinen Erfolgen und es entsteht ein Ungleichgewicht, andere verstummen.

Das Zusammensein für alle zu einer leistungsfernen und selbstdarstellungsfreien, dafür umso reineren Freude zu machen, ist eine hohe Kunst. Diese Hinweise können dir helfen:

  • Heimelige Stimmung, z.B. mit Kerzen, Musik, Blumen.
  • Jeder trägt etwas bei zum Wohlergehen aller: zum Gespräch, zum gemeinsamen Zubereiten des Essens, zu einer ausgeglichenen, hellen Stimmung.
  • Miteinander im gegenwärtigen Moment sein und ihn genießen.
  • Sich gegenseitig wirklich zuhören, anstatt zu diskutieren. Unterschiedliche Sichtweisen dürfen nebeneinander stehen bleiben. Es geht ums Hören und Erleben.
  • Alle betonen das Gefühl von Verbundenheit. Trennendes wie Konkurrenz und Perfektion fällt weg.
  • Mit offenem Herzen zeigen alle, wie sie wirklich sind, mit ihren ungeliebten Seiten – mit dem, was gerade da ist. Akzeptieren, Verstehen und Liebe stehen im Vordergrund.
  • Sich gegenseitig danken, für alles Mögliche. Es gibt unzählige Dinge und Anlässe für Dankbarkeit.

Ich wünsche dir viel Freude beim Zusammensein mit den Menschen, die dir lieb und wichtig sind. Es ist das Kostbarste, was du im Leben erleben kannst. Tue viel dafür und genieße es. 

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