Melancholie: Was hilft, wenn du wehmütig oder melancholisch wirst

Eine Frau sitzt auf dem Fensterbrett und blickt nach draußen in den strömenden Regen, die Tropfen wandern langsam das Glas herunter, dazu ein langsamer, wehmütiger Song im Hintergrund, gedämpftes Licht und Kerzenschein – eine typische Szene aus einem beliebigen Musikvideo, traurig und schön zugleich.

Fühlst du dich auch manchmal wie die Frau am Fenster? Es erfasst dich eine Art nachdenkliche Traurigkeit, ein Innehalten im Moment, du spürst in dich hinein und bist ganz und gar in deiner Stimmung gefangen? Dieses bittersüße Gefühl irgendwo zwischen Nachdenklichkeit, Träumerei und Traurigkeit heißt Melancholie.

 

Melancholie ist keine Depression

Wer sich melancholisch fühlt, der oder dem wird gleichzeitig die Schönheit und die Vergänglichkeit des Lebens bewusst. Melancholische Menschen genießen die schönen Momente des Lebens, trauern aber zeitgleich darum, dass der Moment flüchtig ist. Sie denken nostalgisch an schöne Momente zurück, schwelgen wehmütig in Erinnerung. 

Nicht zu verwechseln ist die Melancholie mit der Hoffnungslosigkeit einer Depression: Wenn du dich über längere Zeit innerlich leer, tieftraurig oder niedergeschlagen, antriebslos und bedrückt fühlst, könntest du unter einer Depression oder depressiven Verstimmung leiden. Hier kann in Abstimmung mit deinem Hausarzt oder deiner Hausärztin eine Therapie oder medikamentöse Behandlung der Depression helfen. Zwar können Melancholiker und Melancholikerinnen zu Depressionen neigen, aber nicht immer führt die Melancholie zur Depression. 

Melancholie dagegen gehört zu den menschlichen Grundstimmungen genauso dazu wie die Gefühle Freude, Trauer, Wut oder Begeisterung. Wie bei allen anderen Stimmungslagen sind wir unterschiedlich stark dafür empfänglich. Vor allem hochsensible Menschen neigen dazu, tiefsinnig und nachdenklich zu sein und Dinge besonders intensiv zu fühlen.

 

Die Bedeutung von Wehmut und Melancholie

Melancholie ist wehmütige Lebensfreude. Woher aber kommt dieses besondere Gefühl, diese Schwere des Herzens? Wahrscheinlich hat sie sich aus der Empathie entwickelt, jener Fähigkeit zum Mitgefühl, das einst den Fortbestand unserer Art sichern sollte.

Mitgefühl ist für uns Menschen so wichtig, denn es sichert, dass sich Erwachsene um noch hilflose Babys kümmern können. Im Gegensatz zu den meisten anderen Säugetieren kommt der Mensch noch relativ unfertig auf die Welt – aufgrund unseres großen Gehirns und des damit einhergehenden großen Kopfumfanges könnten Babys aber nicht länger im Bauch der Mutter bleiben. 

Also sind sie darauf angewiesen, dass man sich freiwillig um sie kümmert – deshalb hat die Evolution das Mitgefühl eingerichtet. Dieses Mitgefühl macht uns empfindsamer gegenüber den Bedürfnissen anderer und unserer Umwelt. Vor allem wenn es anderen nicht gut geht, nehmen wir das schwer und fühlen uns verantwortlich – wir sehnen uns nach besseren Zeiten.

Das Bittersüße hat zu tun mit der Sehnsucht nach Verbundenheit, dem Wunsch nach Heimkehr.
Susan Cain

Der wehmütige Blues ist sogar ein Lebensgefühl

In der Musikwelt prägte die wehmütige Lebensfreude sogar ein ganzes Genre, den Blues. Er entwickelte sich aus Klageliedern der afroamerikanischen Gesellschaft über ihre unmenschlichen Lebensumstände als Sklaven und Plantagenarbeiter – »blue« bedeutet traurig auf englisch. Bekannte Bluesmusiker und -musikerinnen waren etwa B.B. King, John Lee Hooker oder Billie Holiday, später auch Eric Clapton. Sie alle machten sich diese besondere Stimmung der Melancholie, diese Sehnsucht nach einer besseren Welt, zunutze. 

Nicht nur in der Musik, auch in anderen Künsten hat die Melancholie ihre Spuren hinterlassen. So viele Gedichte wären nicht geschrieben, so viele Bilder nicht gemalt, hätten die Künstlerinnen und Künstler ihre Melancholie nicht zugelassen. Aus dem wehmütigen Weltschmerz kann sich zum richtigen Zeitpunkt eine wunderbare kreative Energie entfalten, die auch andere an diesem besonderen Gefühl teilhaben lässt.

Diese Sehnsucht lässt uns Mondscheinsonaten spielen und Raketen bauen, die zum Mars fliegen.
Susan Cain

Bist du melancholisch? Was du jetzt brauchst

So ganz will die Melancholie nicht in unsere Spaß- und Leistungsgesellschaft passen. Wenn du sie aber zulässt, kannst du besonders schöne Momente der Stille, Harmonie und Kreativität erleben. Der Schlüssel dazu: Akzeptanz. Nutze die Zeit der melancholischen Stimmung für etwas Ruhe und Selbstfürsorge. Vielleicht fühlst du dich mit Hygge, ein paar Kerzen und entspannter Musik besonders wohl, vielleicht möchtest du dich in eine längere Meditation zurückziehen oder Entspannungsübungen machen – schalte einfach einen Gang herunter und fühle in dich hinein: Bist du unzufrieden? Wenn ja, was könntest du ändern? 

Diese Momente der Ruhe und der Resilienz, wenn du deine Gedanken zu Ende denken darfst, können dir Klarheit und Kraft schenken. Wichtig ist, dass du der Melancholie zunächst mit offenem Herzen begegnest und ihr den nötigen Raum gibst. Denn dann kannst du von ihrer Schönheit profitieren.

 

4 Tipps, wenn du zu wehmütig wirst

Auch wenn die Melancholie an sich nichts Schlechtes ist und definitiv keiner Therapie bedarf, kann sie als Dauerzustand dennoch auch belastend sein. Wenn dich die Schwermut belastet und du aus dem Grübeln gar nicht mehr herauskommst, dann können dir folgende Tipps helfen:
 

1. Komm in Bewegung

Wenn du in Schwermut zu versinken drohst, dann lauf ihr am besten davon. Es muss ja nicht sofort die hoch motivierte Joggingrunde sein, fürs Erste tut es auch eine Runde um den Block – Hauptsache du kommst raus aus dem Winterblues! Alternativ können dir zunächst auch Yoga oder etwas Gymnastik helfen, um nicht im Sofa zu versinken. Bewegung setzt Glückshormone wie Serotonin, Dopamin und Endorphin frei, die dir helfen, dich aus der Melancholie zu lösen.


2. Mach das Licht an

Gerade in Herbst und Winter, wenn es einfach nicht so richtig hell werden will, neigen viele zu Trübsinn und Wehmut – sie sehnen sich nach der Leichtigkeit des Sommers. Das liegt auch an der Dunkelheit, die uns in der kalten Jahreszeit umgibt: Trifft weniger Licht auf die Netzhaut im Auge, produziert der Körper auch weniger Serotonin.

Abhilfe bringt hier zum Beispiel eine Tageslicht-Lampe, die du beispielsweise am Schreibtisch installierst. Auch bestimmte Farben können helfen, dich in eine bessere Stimmung zu versetzen. 


3. Such dir Gesellschaft

Den ganzen Tag im Homeoffice, abends die Stille in der Wohnung … allein lässt es sich schwer auf andere Gedanken kommen. Gerade in schwermütigen, melancholischen Phasen solltest du dich deshalb auf keinen Fall zu Hause verschanzen, sondern stattdessen die Gesellschaft lieber Menschen suchen.

Ein Abend in geselliger Runde, vielleicht auch ein gemeinsamer Spaziergang oder ein gemeinsamer Kinobesuch können dir helfen, aus der Melancholie herauszufinden. Gestalte die Unternehmung ganz nach deinen aktuellen Bedürfnissen, je nachdem, ob du gerade ein gutes Gespräch oder einfach nur Ablenkung benötigst. 


4. Werde kreativ

Melancholie hat schon viele Künstler und Künstlerinnen zu Höchstleistungen gebracht – vielleicht auch dich? Deine Kreativität kann ein Ventil für deine Gefühle und Gedanken sein. Egal ob du malen, zeichnen oder schreiben willst, diese Ausdrucksweisen können dir helfen, den Trübsinn aus deinem Kopf heraus zu bekommen und Platz zu machen für neue, positive Gedanken.

Auch Musik ist eine gute Möglichkeit, die Stimmung zu heben. Wenn du selbst nicht musikalisch bist und deine Gedanken in ein paar ruhige Töne fließen lassen kannst, kann dir auch einfach das Radio dabei helfen, in eine andere Stimmung zu kommen.

 

Schwermut bekämpfen und Melancholie akzeptieren

Wenn du zu Melancholie neigst, dann macht es keinen Sinn, sich ihr zu entziehen – nur so kannst du im Einklang mit dir selbst leben. Auch wenn diese Eigenschaft nicht so richtig in unsere Leistungsgesellschaft passen will, solltest du nicht krampfhaft versuchen, dich zu verbiegen. Versuche stattdessen, deine Besonnenheit und Nachdenklichkeit als Stärken zu sehen, und erkenne an, dass du mit deiner Melancholie auch etwas Kreatives schaffen kannst.
 

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