Mit Mitgefühl zur inneren Freiheit – 5 Tipps

Innere Freiheit in der Todeszelle – wie geht das?

Wie man in einem Hochsicherheitsgefängnis zu innerer Freiheit finden kann, zeigt uns Jarvis Jay Masters. 1981 trat er eine Haftstrafe wegen bewaffneten Raubüberfalls an, vier Jahre später wird ihm ein Mord an einem Gefängniswärter angehängt. Seitdem lebt er einen Großteil seines Lebens im Todestrakt des kalifornischen San Quentin Staatsgefängnis. 

An diesem Ort, an dem man es als letztes erwartet hätte, findet Jarvis zum Buddhismus und lernt, sich selbst und den Menschen in seinem Leben durch Mitgefühl zu vergeben. Durch die regelmäßigen Besuche der buddhistischen Nonne Pema Chödrön setzt sich Jarvis über viele Jahre mit seiner Vergangenheit auseinander.

Hier erfährst du, wie auch du durch Mitgefühl und Vergebung mit negativen Ereignissen in deinem Leben abschließen und innere Freiheit erlangen kannst.
 

Tipp 1: Stelle dich deinen Empfindungen

Jarvis Jay Masters haderte lange Zeit mit seiner kriminellen und gewalttätigen Vergangenheit. Die Erinnerungen an seine Kindheit und den Tod seines kleinen Bruders konnte er lange Zeit nicht zulassen.

Pema Chödrön erklärte ihm jedoch, dass Heilung nur stattfinden könne, wenn er die Emotionen und Erinnerungen zuließe: »Du glaubst sicherlich, es würde dich umbringen, wenn du dich all den schmerzhaften Situationen noch einmal stellst. Aber das wird es nicht. Natürlich tut es weh, aber nur wenn du dich diesen Empfindungen stellst, wird der Schmerz aufhören, dich zu verfolgen.« 

Das Problem mit negativen Erinnerungen liegt vor allem darin, dass man sich leicht vom Erleben des Schmerzes abspaltet. Dadurch kompensiert man die eigentliche Trauer aber nur, anstatt sich konstruktiv mit ihr auseinanderzusetzen und heilsames Selbstmitgefühl zu empfinden. Daher ist es wichtig, dass du dich deinen Empfindungen stellst und sie zulässt. Nur so kannst du dich von ihrem negativen und lähmenden Einfluss auf dein Leben befreien. 

 

Es geht nicht darum, über dem Chaos des Lebens zu schweben, sondern darum, es auszusitzen.
David Sheff

Tipp 2: Nimm deine Vergangenheit an

»Wenn du dich mit deiner Vergangenheit gänzlich verbindest und sie annimmst, verliert sie die Kraft, dir zu schaden, sie hat keine Macht mehr über dich.« Manchmal kehren deine Gedanken immer wieder zu schlimmen Ereignissen in deinem Leben zurück und du grübelst, was falsch gelaufen ist. Wenn du aber dich selbst oder andere ständig für das verurteilst, was geschehen ist, verschwendest du deine Energie auf etwas, das du rückwirkend nicht mehr ändern kannst. Das hilft niemandem. 

Stattdessen solltest du deine Vergangenheit annehmen. Stelle dich gedanklich den Ereignissen, ohne sie als gut oder schlecht zu bewerten. So verlieren sie ihre Macht über dich. Das beeinflusst letztlich auch die Art, wie du mit anderen umgehst, positiv. Denn nur wenn du dir selbst vergeben kannst und deine Vergangenheit dich nicht mehr lähmt, gelingt es dir, aufrichtiges Mitgefühl mit anderen zu zeigen.

 

Tipp 3: Mach dir das Leid anderer bewusst

Pema erzählt Jarvis bei einer ihrer Begegnungen die buddhistische Parabel von Kisa Gotami, die nach dem Tod ihres Sohnes den Buddha um Hilfe bat. Dieser trug ihr auf, ihm Senfkörner aus einem Haushalt zu bringen, der von Leid verschont geblieben war. Sie klopfte an jede Tür, doch alle Bewohner teilten ihr mit, dass auch sie bereits Leid erfahren hatten. Da fühlte sich Kisa Gotami in ihrem Verlust auf tröstliche Weise verbunden mit den anderen Menschen. 

Indem du dir bewusst machst, dass jede Person bereits Leid erfahren hat, kannst du mehr Mitgefühl und Empathie empfinden. Indem du anderen vergibst, kannst du dich freimachen von lähmenden Erinnerungen und zur inneren Freiheit finden. 

Stell dir folgende Fragen, um dich mitfühlend in die Lage einer anderen Person hineinzuversetzen:

  • Warum handelt diese Person so? 
  • Welche Gründe hat sie, so zu reagieren?
  • Welches Leid hat die Person bereits erfahren und wie wirkt sich das auf ihr Handeln aus?
  • Welche Erlebnisse oder Verhaltensweisen haben wir gemeinsam?
  • Wie kann ich der anderen Person mein Mitgefühl zeigen?

 

Tipp 4: Reflektiere dein Handeln immer wieder neu

Jarvis Jay Masters teilte Pema einmal mit, dass es wohl sein Schicksal, sein Karma sei, als Verbrecher im Gefängnis zu sitzen. Pema erwidert daraufhin: »Bei Karma geht es weder um gerechte Strafe noch um ausgleichende Gerechtigkeit. Wenn Eltern ihr Kind verlieren, geschieht dies nicht wegen ihres Karmas. Aber die Situation, mit der sie danach konfrontiert werden, ist ihr Karma.«

Karma ist also kein vorgeschriebener Lebensweg, sondern die Summe deiner Entscheidungen, die du in deinem Leben triffst. Mach dir bewusst, dass du dein Handeln beeinflussen und ändern kannst, indem du es immer wieder hinterfragst. Dabei kannst du dich an den folgenden Fragen orientieren:

Was für ein Mensch möchte ich sein?

  • Wie würde sich ein solcher Mensch an meiner Stelle verhalten?
  • Welche Möglichkeiten habe ich, in dieser Situation zu reagieren?
  • Wie möchte ich, dass andere Menschen mit mir umgehen?
  • Was muss ich verändern, um mit anderen Menschen mitfühlender umzugehen?

 

Tipp 5: Teile Mitgefühl mit der Tonglen-Meditation

Als Jarvis im Gefängnis das erste Mal mit der Tonglen-Meditation in Berührung kam, erklärte ihm Pema: »Hierin liegt die Magie des Tonglen: Du atmest dein eigenes Leid ein, doch schon bald wirst du feststellen, dass es im Grunde auch das Leiden aller anderen ist.«

Die Tonglen-Meditation beruht auf dem Prinzip, Glück zu geben und Leid zu nehmen. Du kannst damit beginnen, für einen Menschen zu meditieren, den du liebst. Später kannst du dich auf Menschen konzentrieren, die dir Unrecht angetan haben.

So funktioniert die Tonglen-Meditation:

Einatmen: Stelle dir vor, dass du das Leid anderer aber auch dein eigenes beim Einatmen aufnimmst. Das können Empfindungen wie Schmerz sein, schwierige Gefühle, aber auch Hitze, Schwere oder Beklemmung. Versuche, sie an dein Herz heranzuführen und sie einfach nur wahrzunehmen. 

Ausatmen: Beim Ausatmen stellst du dir ein helles Licht vor, das in Form von Mitgefühl und Liebe von deinem Herzen ausgeht und aus all deinen Poren positive Energie hinaus in die Welt strahlt. Schicke das Licht mit deinen Gedanken genau dorthin, wo es benötigt wird, um Schmerzen und Leid bei einzelnen oder vielen Lebewesen zu lindern. Spüre, wie auch du Teil dieser Gemeinschaft bist, die von dem Licht profitiert und Kraft daraus zieht.

Durch die Tonglen-Meditation entwickelst du zunehmend Herzenswärme und lernst, in tiefem Mitgefühl für dich und andere zu sein. Dadurch stärkst du dein Einfühlungsvermögen und läufst weniger Gefahr, bei negativen Erlebnissen emotional zu verhärten.

 

Fazit: teile dein Mitgefühl und werde innerlich frei

Indem du lernst, mitfühlend und vergebend mit dir selbst und anderen Menschen umzugehen, machst du dich los von der Last der Vergangenheit. Negative Emotionen kannst du zulassen. Das wird dir helfen von den Wunden des Lebens zu heilen.

Nimm die Gefühle aber nur als das wahr, was sie sind, und versuche sie nicht zu kompensieren, abzuschwächen, aufzulösen oder zu unterdrücken. Sei wütend, traurig oder verletzt, aber verliere dich nicht in Schuldgefühlen, Rachegedanken oder Selbstvorwürfen. 

Sieh dich als Teil einer großen Gemeinschaft von Menschen, denen auch Leid widerfahren ist und die alle Verluste erleiden mussten. Du bist mit deinen Gefühlen nicht allein. Indem du aber dein Mitgefühl mit der Welt teilst, erhältst du jenen Trost und jene Kraft zurück, die du brauchst, um deinen Kummer zu überwinden und innerlich frei zu sein.
 

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