Self Care (3/9) - Deine Gefühle hegen

Nicht jedes schwierige Gefühl oder jede nicht so leichte Stimmung – Ärger, Wut, Empörung, Bitterkeit, Verzagtheit, Trübsinn – muss ein Anlass sein, um an sich selbst zu zweifeln. Diese Gefühle sind normal. Und die Idee, man müsse ständig mit positiven Gefühlen durchs Leben gehen, kann viel zusätzlichen Stress auslösen, der eigentlich unnötig ist. 

 

Schwierige Gefühle gehören zum Leben 

Licht und Schatten sind Teile unseres Lebens, es gibt nun mal gute und schlechte Zeiten. Deshalb ist es erst einmal wichtig, sich zu entspannen und solche Gefühle zu akzeptieren: „Es ist, wie es ist“. Anstatt sich selbst dafür zu kritisieren, wie es viele Menschen tun.

Ich arbeite immer wieder mit SeminarteilnehmerInnen, die meinen, nur sie – nicht aber die anderen – hätten mit schwierigen Gefühlen zu tun. Das setzt natürlich enorm unter Druck. In unserer Gesellschaft steigt der Selbstoptimierungsanspruch und der hat längst die psychische Befindlichkeit erreicht. Er bezieht sich nicht mehr nur auf den Körper und das Aussehen.

 

Was du bei schwierigen Gefühlen tun kannst

1. Nehme deine Gefühle erst einmal für dich selbst bewusst wahr: Was fühle ich? Wie fühle ich? Wie spüre ich das Gefühl im Körper? Wo? Beispielsweise sitzt bei jemandem eine Angst in der Kehle, oder eine Traurigkeit wie ein Ziehen im Bauch.
 
2. Versuche nun, dieses Gefühl möglichst nicht zu bewerten. Ich weiß, das ist nicht leicht. Meist will man schwierige Gefühle schnell weghaben. Aber alles, wogegen wir kämpfen, gewinnt an Kraft. Druck erzeugt Gegendruck. Deshalb ist das Annehmen der einzig sinnvolle Weg, ohne Verdrängen durch Schwieriges hindurch und darüber hinaus zu gehen. Du kennst das bestimmt: Nach einem heftigen Weinen kann man irgendwann gerade erst aus vollem Herzen lachen.
 
3. Wenn du deinen Ärger oder deine Zukunftsangst als Teil deiner Selbst akzeptierst, kannst du vielleicht auch mit jemandem darüber sprechen oder zu dem Gefühl etwas aufschreiben. Damit entlastest du dich, das Gefühl wird handhabbar und es verändert sich in diesem Prozess. So kannst du das Gefühl immer mehr als Teil deiner Selbst akzeptieren und auch irgendwann zur Ruhe kommen lassen.
 
4. In dem du so mit schwierigen Gefühlen umgehst entwickelst du dich weiter, da auch deine Persönlichkeit reift. Du wirst ganz im Sinne von vollständiger. Schwierige Gefühle auszuhalten und sie zu durchleben zeugt von innerer Stärke und persönlicher Reife.

 

Bedenke, dass wir unseren Gefühlen nicht ausgeliefert sind.
Ulrike Scheuermann

Gefühle ausreifen lassen

Dies bedeutet jedoch nicht, dass du solche Gefühle, wenn du sie akzeptierst, auch gegenüber anderen ausdrücken musst. Denn das kann oft unnötigen Schaden in Beziehungen anrichten. Bedenke, dass wir unseren Gefühlen nicht ausgeliefert sind. 
 
Schnell wird aus Ärger Enttäuschung, dann eine Traurigkeit und danach eine neutrale Gelassenheit. Diesen Gefühlen muss man also nicht sofort nachgehen. Häufig stammen solche Gefühle auch nicht aus den aktuellen Anlässen. Die Auslöser liegen oft in der Vergangenheit. Wenn wir unsere Gefühle erst einmal annehmen, wie oben beschrieben, um sie dann ausreifen zu lassen, schonen wir damit also auch unsere Beziehungen.

 

Wie geht Gefühle-Ausreifen-Lassen?

Ausreifen-Lassen bedeutet aushalten und sich entwickeln lassen statt ausagieren. Und dann erforschen, wodurch dieses Gefühl ausgelöst wird. Findest du solch einen Auslöser für ein Gefühl, kannst du dich damit auseinandersetzen anstatt in der Angst zu bleiben. 

Ein Beispiel: Stelle dir vor jemand aus deinem Freundeskreis bittet dich um Hilfe und dir kommt folgender Gedanke: „Sie wird ärgerlich auf mich sein, wenn ich ihr nicht helfe“. Wenn du diesen Gedanken wahrnimmst, stelle dir verschiedene Fragen: „Warum stelle ich mir vor, dass sie ärgerlich wird? Woher kenne ich das noch, dass jemand ärgerlich auf mich ist, weil ich Nein sage? Wie könnte ich meine Absage so freundlich formulieren, dass sie mich verstehen kann?“

Wenn Angst, Wut, Verlassenheitsgefühle oder Kränkung eine Rolle spielen, kann es oft besser sein, Zeit vergehen zu lassen. „Eine Nacht drüber schlafen“ ist mehr als nur ein banaler Spruch unserer Großmütter. Während des Schlafens verarbeiten wir schwierige Emotionen und am nächsten Morgen sind viele Gefühle abgekühlt.

 

6 Tipps, um die Lebensstimmung aufzuhellen

Jenseits von schwierigen Gefühlen, die du immer mal wieder haben wirst, kannst du viel dafür tun, um heller gestimmt durch deine Tage zu gehen. Und da spielen Lebensstilveränderungen eine entscheidende Rolle: Durch die Depressionsforschung wissen wir, dass sich Lebensstilveränderungen therapeutisch auswirken können. Und das gilt auch für deinen Alltag, ob nun mit oder ohne depressive Anwandlungen. Du kannst deine Stimmung nachhaltig und nebenwirkungsfrei aufhellen. Dies sind die wichtigsten Faktoren:

1. Bewegung

Baue jeden Tag eine Viertelstunde Fußweg in deinen Ablauf ein, z.B. auf dem Weg zur Arbeit etwas früher aussteigen und so künstlich Bewegungsinseln einbauen. Oder der Klassiker: die Treppe anstatt des Fahrstuhls nehmen. Und: Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass dreimal pro Woche eine halbe Stunde deines Lieblingssports helfen, deine Stimmung deutlich aufzuhellen. Davon profitieren selbst Menschen mit dem Krankheitsbild Depression oft besser als von der Behandlung mit Medikamenten oder Psychotherapie.

2. Ausgewogene pflanzenbasierte Ernährung

Es gibt viele Pflanzen, die auf die Psyche heilsam wirken, einfache Nahrungsmittel, keine Heilkräuter. Zudem sind alle Formen von Zucker überaus schädlich für die Psyche wie auch für den Körper. Am besten lässt du alle künstlichen Süßungsmittel weg - dann bist du auch den Heißhunger darauf nach ein paar Tagen los und dein Geschmack kann sich umgewöhnen – und isst nur noch Zucker, der natürlicherweise in Früchten und manchen Gemüsesorten vorkommt. 

Am besten kannst du das überblicken, wenn du unverarbeitete Lebensmittel einkaufst.  Denn in den meisten verarbeiteten Lebensmitteln ist mittlerweile Zucker in irgendeiner Form enthalten, oft unter Decknamen wie z.B. Glukosesirup. Du wirst sehen, dass deine Stimmung nach einiger Zeit immer ausgeglichener wird und die Neigung zu depressiven Verstimmungen nachlässt. Auch das ist wissenschaftlich nachgewiesen.

3. Verbundenheit in vielfältigen und erfüllten Beziehungen

Ein gutes Leben besteht aus guten Beziehungen, auch das ist wissenschaftlich nachgewiesen, unter anderem durch eine der längsten und größten Langzeitstudien über Glück. Du wirst mehr über dieses enorm wichtige Thema in einem späteren Artikel dieser Reihe über Self Care erfahren.

 

4. Tageslicht

Es ist überaus wichtig am Tag ausreichend Zeit im Tageslicht zu verbringen. Mindestens eine halbe Stunde bei Sonne oder ein bis zwei Stunden bei bedecktem Himmel. Als Notlösung kannst du eine Therapie-Tageslichtlampe mit mindestens 10.000 Lux Lichtstärke benutzen, z.B. in den Wintermonaten, um deine tägliche Dosis Tageslicht aufzunehmen. 

Tiefe Dunkelheit in der Nacht ist aber ebenso wichtig, um deine Körperuhr zu stellen. Dies hilft dem Körper, den Tag von der Nacht zu unterscheiden und entsprechende Hormone auszuschütten, die am Tag für Tatkraft und gute Stimmung sorgen. Tiefe Dunkelheit in der Nacht kannst du z.B. mithilfe von Verdunkelungsvorhängen oder einer Schlafmaske erzeugen. Denn vor allem in den Städten wird es nachts nicht mehr dunkel.

 
5. Schlaf

Genug Schlaf, um die 8 Stunden, spielt eine entscheidende Rolle für eine gute Stimmung. Es gibt viele Möglichkeiten einen erholsamen langen Schlaf zu fördern. Dieses Thema werden wir beim nächsten Artikel über „Erholsam viel schlafen“ vertiefen. Wir können mit innerer Ruhe und mit fast technisch anmutenden Tipps viel dafür tun, um tiefer, friedlicher und erholsamer zu schlafen.

 
6. Achtsamkeit

Fokussiertes Denken anstatt Gedankenkreisen und Grübeln, z.B. durch die Ausrichtung auf Tätigkeiten, die die volle Aufmerksamkeit binden. Viele Menschen grübeln lange Zeit vor sich hin und merken es selbst kaum. Dann kann alles helfen, was dich aus diesen trüben und oft destruktiven Gedankenspiralen hinausführt: Kontakt und Gespräche mit anderen Menschen, Arbeiten, Spielen, ein Hörbuch, konzentriertes Musik hören und im kreativen Tun aufgehen.

Es gibt noch viele weitere mögliche Freudetrigger wie etwa das In-der-Natur-Sein, Musikhören und Musikmachen sowie kreatives Schaffen, Schreiben, Spielen.

Welche der Impulse sprechen dich spontan am meisten an? Wie wäre es, wenn du mit einem oder zwei davon startest, und weitermachst, wenn du merkst, dass sie dir gut tun? Dann hast du vielleicht nach einer Weile Lust, noch mehr auszuprobieren. So geht das alles besser, als mit Disziplin und Durchhalten – was oft nach hinten losgeht.
 
Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren – und bis bald mit dem nächsten Feld guter Self Care: „Erholsam viel Schlafen“.
 

Mehr für dich