Self Care (2/9) Body Positivity - Deinen Körper lieben

Was ist Body Positivity?

Wie stehst du zu dir, deinem Aussehen, deiner Fitness und deinen Essgewohnheiten? Bist du oft kritisch und streng mit dir? Dann bist du nicht allein. Wir haben gelernt, uns ständig selbst zu optimieren und optimieren zu müssen. Nirgends werden wir heutzutage so mit perfekt gebräunten, sportlich schlanken und erfolgreichen Selfmade-Frauen konfrontiert wie auf Instagram und Co. Beinahe jede zweite Frau hat schon einmal eine Diät gemacht. Alle mit dem Ziel, sich selbst zu optimieren. Das sind beängstigende Zahlen, die aber symptomatisch sind für unsere Gesellschaft. 

Das Ganze hat Tradition: Frausein hat sich schon vor Jahrhunderten über das Aussehen definiert. Ob dick als Zeichen für Wohlstand oder in ein enges Korsett gepresst, Frauen galten nur etwas, wenn sie einem bestimmten Ideal entsprachen. Genau mit dieser Tradition bricht Body Positivity. Im Grunde ist der Begriff gleichzusetzen mit Selbstliebe. Denn alles, was wir durch das Ideal gelernt haben, ist tendenziell: Wir sind nicht genug, wenn wir nicht genau so aussehen. 

Den eigenen Körper zu lieben ist das erste Feld der Self Care, mit dem wir in diesem Artikel tiefer einsteigen in die Welt der Selbstfürsorge. Nachdem ich dir im Artikel Self Care - Spüre deinen Körper bereits die ersten beiden wichtigen Gründe für eine gute Beziehung zu deinem Körper erläutert habe, zeige ich dir heute den dritten und letzten Grund.

Eines vorweg: Selbstliebe kommt nicht über Nacht. Wir sind so darauf trainiert, immer nach Mängeln zu suchen, dass wir diese Suche nicht von heute auf morgen stoppen können. Aber wir können die Sicht auf unseren Körper verändern und uns Schritt für Schritt von diesem vermeintlichen Idealbild unserer Selbst lösen. 

 

Body Shaming: Mit Selbstliebe gegen Abwertung

Zu dick, zu dünn, zu faltig, zu behaart, zu unperfekt: Wer das immer wieder hört, leidet darunter. Body Shaming ist für die Betroffenen oft schwer zu ertragen. Menschen, die in irgendeiner Weise vom allgemeinen Schönheitsideal abweichen, müssen sich aber häufig damit herumschlagen. Die Body-Positivity-Bewegung stellt diesem Verhalten einen wichtigen Satz entgegen:

Jeder Körper ist schön. Jeder Körper verdient es akzeptiert und wertgeschätzt zu werden.

Body Positivity ist eine aktuelle Bewegung aus dem Feminismus. Die (zumeist) Frauen, die sich daran beteiligen, wollen zeigen: Wir sind schön, auch wenn wir vielleicht nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Sich selbst zu lieben und schön zu finden, ist gut für das Selbstwertgefühl und lässt dein Selbstvertrauen und deine Lebensfreude wachsen. Das lässt dich dann so strahlen, dass auch andere deine Schönheit besser wahrnehmen können, trotz vermeintlicher Schwächen.

 

Die Liebe zum eigenen Körper: 6 Tipps für mehr Body Positivity

Mit Liebe zu deinem Körper meine ich, dass du deinen Körper schön findest. Es geht um dein Körperselbstwertgefühl.

Es resultiert aus einem guten Kontakt zu deinem Körper, und zugleich hilft es dabei, diesen guten Kontakt zu finden. Wenn wir unseren Körper schön finden, werden wir wohl auch leichter auf seine Impulse hören können. Wir werden auch mehr Lust haben, den Kontakt zu unserem Körper herzustellen – alles hängt miteinander zusammen. Schauen wir uns mal näher an, wie du deinen Körperselbstwert entwickeln und ein innenorientiertes Schönheitsgefühl aufbauen kannst.

Das geht auf zwei Arten:

  1.  Indem du mehr Sinn für deine eigene Schönheit entwickelst.
  2. Indem du dich darin übst, andere Menschen schöner zu finden.

 

1. Mach dir klar: In Medien sehen wir nicht die Realität

Von Plakaten, aus Zeitschriften und von Instagram-Fotos: Überall lächeln uns junge, schlanke, durchtrainierte, perfekt aussehende Frauen entgegen. Was wir uns immer wieder klarmachen sollten: Damit diese Frauen so aussehen, wird getrickst, was das Zeug hält. Da wird nicht nur das Gesicht geschminkt, sondern auch Dekolleté und Beine. Da werden genau die Posen eingenommen, die – aus der richtigen Perspektive betrachtet – noch ein paar Gramm Fett wegschummeln. Und am Ende richtet es die Bildbearbeitung, wenn die Beine noch ein wenig zu stämmig sind oder sich zwei kleine Hautdellen auf dem Po zeigen. Die Realität sieht meist völlig anders aus, als es uns die Werbefotos vorgaukeln wollen. Noch absurder wird es, wenn wir uns anschauen, wie klein der Anteil von Frauen ist, die dem allgemeinen Schönheitsideal auch nur halbwegs entsprechen. Fast alle Menschen weichen in irgendeiner Form davon ab, und das ist kein Makel, sondern völlig normal.

 

2. Finde 3 schöne Dinge an dir

Finde drei Dinge, die du in einem vorgestellten oder echten Spiegel entdeckst, die du schön an dir findest. Nimm dazu wieder die ersten Impulse, die dir in den Sinn kommen. Ich habe dafür drei Satzanfänge für dich, die du nur noch fortführen musst. Dann geht es noch leichter.

Also: einfach das erste nehmen, was dir in den Sinn kommt. Denke oder schreibe die folgenden Sätze weiter, ohne innezuhalten oder nachzudenken. Kein langes Grübeln. Blitzantwort: 

  • Ich finde schön, dass ich…
  • Ich finde schön, wie ich…
  • Ich finde schön, was ich…

Wirklich wichtig bei dieser Übung ist, dass du dir selbst keine Zeit lässt für Bewertungen und Relativierungen dessen, was dir als erstes in den Sinn gekommen ist. Antworte so schnell wie möglich. Hinterher kannst du nachsehen, was du da gerade geschrieben oder gedacht hast. Erst danach.

Vielleicht kommen sogar komische Sachen dabei raus. So ähnlich wie bei einer Klientin von mir: „Ich finde schön, wie ich manchmal so aus dem Augenwinkel schaue“. Darauf war sie vorher noch nie gekommen. Aber sie hatte so Recht! Sie hatte einen etwas schelmischen Blick, mit dem sie von der Seite blickte. Und das ist etwas sehr Charmantes und Witziges an ihr, über das in keinem Magazin oder in den neusten Schönheit-Tipps erzählt wird. 

 

Solch eine Übung klingt vielleicht so leicht dahergesagt. Ist sie aber oft nicht, ich weiß. Ich weiß genau, wie schwierig und leidvoll es sein kann, sich selbst schön zu finden. Das hat oft persönliche Hintergründe in unserer Biografie. Vielleicht hat nie jemand zu dir aus vollem Herzen gesagt, dass du schön bist.

Einfach so, ohne eine Leistung dafür gebracht zu haben, und ohne dabei einem Schönheitsideal zu entsprechen. Und wie früher, so hören wir es auch heute viel zu selten. Wir könnten uns alle viel mehr gegenseitig sagen, was wir schön aneinander finden. Das löst so viel Freude, Lachen, Erstrahlen aus - auf beiden Seiten. 

Hier kannst du gleich eine zweite Übung ausprobieren, die dir genauso gut dabei hilft, dein Schönheitsgefühl zu entwickeln, lediglich über einen anderen Zugang:

 

Gehen wir über die äußere Schönheit hinaus und finden wir zur Schönheit des Wesens anderer Menschen. Ausstrahlung, Präsenz, Anmut.
Ulrike Scheuermann

3. Übung »Der liebende Blick«

Wenn du auf der Straße läufst oder in einem Café sitzt, durch einen Laden spazierst, an der Warteschlange vor einer Kasse stehst: Achte auf eine Person, die dir gerade auffällt. Nimm sie in den Blick und jetzt geht’s los: Finde drei Dinge, die du spontan schön an dieser Person findest. Vielleicht ist es

  • die anmutige Art, wie sie das Wechselgeld rausgibt, 
  • dieses schöne kastanienbraune Haar oder
  • die kraftvolle Geste, wie er die Getränkekisten in den Kofferraum seines Autos stellt.

Je öfter du bei dir selbst und auch bei anderen zuerst auf das achtest, was du schön findest, desto mehr richtet sich dein Fokus darauf. Normalerweise fällt uns oft zuerst auf, was bei anderen und bei uns selbst nicht perfekt, nicht schön genug ist. Es ist tatsächlich eine Frage des Fokus, und das kann man sogar trainieren.

Wenn du merkst, dass dir der Gedanke an die eigene Schönheit oder an die der anderen Spaß macht, tue dir keinen Zwang an. Mache es ständig in deinem Alltag, wenn du andere Menschen oder dich selbst siehst. Ob du bei anderen oder bei dir selbst anfängst, ist dabei fast egal. Beide Wege führen dich zu mehr Sinn für die Schönheit, die wir alle in uns tragen.

 

4. Schätze deinen Körper: er ist mehr als nur dick oder dünn

Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, was dein Körper jeden Tag leistet? Er ist so viel mehr als das »Außen«, das man sieht und beurteilt. Jede Nacht vollbringt er Höchstleistungen um sich zu regenerieren, damit du am nächsten Morgen gewappnet bist für einen neuen Tag. Unermüdlich, 24/7 hält er dich am Leben, lässt dich atmen, laufen, sehen und fühlen. Er hält alle deine lebenswichtigen Organe an ihrem Platz, er lässt dich Essen genießen und zieht daraus alles, was nötig ist, um dich stark zu machen. Er verzeiht Naschereien und kurze Nächte, er kann sich meist selbst heilen.

 

 

5. Schönheit ist unabhängig von Schönheitsidealen

Und diese Schönheit ist unabhängig von dem, was uns überall in den Medien gezeigt und erzählt wird. Du kennst das, und dennoch: Wir können es uns gar nicht oft genug bewusst machen: Es geht nicht um das, was gerade in Mode, was gerade angesagt ist. Körperformen und mit ihnen das gesamte Schönheitsempfinden sind vom Zeitgeist geprägt. Auch wenn diese Erkenntnis nun wirklich nicht neu ist: Dieses Schönheitsideal, das gerade vorherrscht, prägt unser Schönheitsempfinden immer wieder massiv. Es setzt uns unter Druck, auch so zu sein. Und wenn das nicht gelingt – was natürlich meist der Fall ist – dann fühlen wir uns weniger schön. 

Wenn ich dir in diesem Artikel Vorschläge gebe, dich selber schön zu finden, ist mir dabei bewusst, wie schwer das sein kann. Ich bin Psychologin und fast jeden Tag begegnen mir Menschen, die ihren Körper nicht lieben und die sich nicht schön finden. Es ist nicht mit einfachen Tipps getan »Jetzt finde dich mal schön«. Ich weiß das, und dennoch kann dieser Artikel ein hilfreicher Impuls sein und etwas in Gang bringen kann. Wenn nicht, so kann man tiefer gehen und herausfinden, was die Ursachen sind, um diese anschließend zu lösen.

Ich arbeite in meinen Coachings und Seminaren häufig mit Logosynthese®, einer modernen psychologischen Methode, mit der man im Unbewussten bestehende Auslöser-Reaktion-Verbindungen auflösen kann. In meinem neuen Buch »Self Care« findest du dazu Übungen zum Ausprobieren. Insbesondere mit dem Hörbuch kann man sie angeleitet direkt anwenden.

 

6. Setze dem Body Shaming andere Signale entgegen

Vielleicht hast du in deinem Leben schon häufig Beleidigungen für deinen Körper einstecken und abfällige Blicke aushalten müssen. Wenn das so ist, dann hat es wahrscheinlich ganz schön an deinem Selbstwertgefühl genagt. Vielleicht hast du begonnen, an die eigene Hässlichkeit zu glauben. Die gute Nachricht: Du kannst diesen Erfahrungen neue entgegensetzen, indem du dir selbst erlaubst, deinen Körper zu akzeptieren.

Werde dein eigener Coach! Liebe dich selbst, egal, was andere denken. Und sage dir das auch immer wieder: Stelle dich vor den Spiegel und mache dir selbst eine Liebeserklärung. Bewundere deine Kurven, deine Cellulite, deine Narben, deine Körperhaare, einfach alles. Nimm alles hin, wie es ist, und versuche, es als schön wahrzunehmen. Anfangs fällt dir das wahrscheinlich schwer, schließlich hast du noch viele andere Signale verinnerlicht. Aber wenn du nicht nachlässt, wird es dir immer leichter fallen, dich selbst liebevoll zu behandeln und schön zu finden. Übrigens: Selbstliebe hat mit Egoismus nichts zu tun.

 

Self Care ist World Care

Also: Finden wir die Schönheit überall, in den kleinsten Details oder im ganzen Menschen. Gehen wir über die äußere Schönheit hinaus und finden wir zur Schönheit des Wesens anderer Menschen. Ausstrahlung, Präsenz, Anmut. Das sind Kategorien, die mit detaillierten Beschreibungen nicht so recht zusammenpassen wie Länge der Wimpern, Volumen der Oberlippe, Weißegrad der Zähne.

Das sind Details, die letztlich nichtig sind. Was zählt, ist am Schluss einfach die Schönheit, mit der eine Person in der Welt da ist. Je mehr du von dir zeigst, je unverstellter du dich mit dem, wie du bist, der Außenwelt zuwendest, desto deutlicher dringt deine Schönheit nach außen. Dann sind wir alle schön. Jede und jeder auf ihre und seine Weise. Für mich ist es eine ständige Quelle der Freude, diese Schönheit in den Menschen zu finden.

Es geht in diesem Artikel um Self Care, eine gute Selbstfürsorge. Und die kann mit deinem Körper beginnen. Wenn du die Schönheit in dir selbst und in anderen entdeckst, so entdeckst du damit auch die Schönheit der Welt. Self Care ist World Care. Wie wir mit uns sind, so sind wir auch mit anderen Menschen, mit allen Lebewesen, mit unserer Umwelt. Im Kleinen wie im großen. Beginne bei dir selbst, und du wirst damit einen Beitrag zur Entwicklung der Welt leisten. Self Care ist World Care. 

 

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