Self Care (9/9) – Deine Seele entfalten

Wir bestehen nicht nur aus Körper und Psyche. Es gibt einen weiteren Bereich, der auch zu uns gehört, aber oft vernachlässigt wird. In der Schule, im Beruf, auch in der Familie und im Freundeskreis ist er gar nicht so oft Thema, wie er sein könnte. Obwohl der Bereich so wichtig ist. Er ist Teil unserer persönlichen Entwicklung und trägt zu einem zufriedenen und erfüllten Leben bei.
 

In diesem Bereich spielen ganz andere, oft schwerer greifbare Fragen eine Rolle, wie zum Beispiel: „Was ist mein persönlicher Sinn?“, „Wer bin ich?“ und „Was will ich beitragen?“. Damit sind wir im Bereich der Seele oder wie auch immer du es nennen magst. Und dieser Bereich ist wichtig. Denn wir leben im Wohlstand, in dem wir nicht ständig um die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse kämpfen müssen, wie genug Essen, Trinken, Sicherheit, medizinische Versorgung und Wohlstand. Wie leben privilegiert in einem der reichsten Länder der Welt. Wir können es uns leisten, über den Sinn und die Entfaltung unserer Seele nachzudenken. Und dafür brauchen wir die richtigen Fragen, die uns helfen, darüber nachzudenken und Antworten zu finden, ohne dafür eine Woche im Kloster zu meditieren.
 

Wenn wir unsere Seele entfalten, leben wir unser ganz eigenes Leben.
Ulrike Scheuermann

Um deine Seele zu entfalten, können wir hier gleich mal bei einer zentralen Frage beginnen, die nach meiner Erfahrung sehr viele Menschen interessiert.
 

Was ist deine Lebensaufgabe?

Die meisten Menschen streben nach einem persönlichen Sinn, zumindest in einer Phase ihres Lebens. Wir können es nennen, wie wir wollen. Namen dafür sind zum Beispiel Mission, das Eigene, das Wesentliche, persönlicher Sinn, Berufung, Aufgabe – oder eben Lebensaufgabe. Ich nehme hier mal den Begriff „Lebensaufgabe“. Ich erlebe oft bei meinen Seminarteilnehmenden, wenn ich die Frage nach der eigenen Lebensaufgabe stelle, dass sie etwas betreten nach unten gucken. Oder sie melden an, dass das nun nicht so schnell ginge, dazu etwas zu sagen. Oft ist der Hintergrund, dass sie sich nicht zutrauen, direkte, schlichte Antworten zu finden.

Und bei diesem Thema kann dir eben auch niemand einen Rat oder einen Tipp geben. Das einzige was hilft, sind Fragen. In meinen Seminaren arbeite ich oft mit einem Schreibmarathon mit zwölf Fragen, um die eigene Lebensaufgabe herauszufinden und einzukreisen.  Hier kannst du die drei wichtigsten Fragen einmal nehmen und ein wenig darüber nachdenken:

  • Was macht mir Freude?
  • Was kann ich gut?
  • Was will ich anderen und der Welt geben?

 

Mit diesen drei Fragen kommst du schon sehr weit. Ich erkläre dir dazu noch ein paar Sätze:

„Was macht mir Freude?“

Das ist in der Regel das, was dir entspricht. Es ist das, wo du merkst, dass du im Flow, also in einem selbstverständlichen, freudvollen Fluss des Tuns bist. Freude ist ein wunderbarer Kompass für deine Entscheidungen, ein viel besserer als die Angst, die aber häufig als Kompass genannt wird. 

Vielleicht kennst du den Spruch „Wo die Angst ist, geht’s weiter“? Aber die Angst ist oft nur gespeist aus alten Erfahrungen, die heute noch Angst auslösen. So löst etwa die Erinnerung an einen Unfall heute noch Angst davor aus, dass einem nochmal jemand ins Auto fahren könnte. Für unsere persönliche Entwicklung ist das Autofahren nun aber nicht unbedingt zentral, auch wenn es natürlich gut wäre, dieses Trauma aufzulösen. Freude jedoch ist nah an unserem Wesenskern. Freude ist ein starkes, helles Gefühl, das uns zeigen kann, dass wir in die richtige Richtung gehen. Deshalb kannst du immer mal darauf achten, was dir Freude macht, und wie du mehr in diese Richtung gehen kannst.

 

„Was kann ich gut?“

Dies hängt eng mit der Freude zusammen. Oft können wir das besonders gut, was uns Freude bereitet. Weil wir es dann häufiger tun, uns darin üben und es so immer besser können. Das muss gar nicht so viel mit Talent oder Begabung zu tun haben.

Nimm als Beispiel das Schreiben. Hier im deutschsprachigen Raum denkt man, gut zu schreiben wäre eine Begabung. Doch das stimmt nur bedingt. Der entscheidende Anteil daran, ob du gut schreiben kannst, liegt darin, ob du gelernt hast, wie du gut von der Idee zum fertigen Text kommst und ob du genug Übung hast. Ich helfe unter anderem (angehenden) SachbuchautorInnen beim inspirierten Schreiben und erfolgreichen Publizieren. Dabei erlebe ich ständig, wie jemand aufblüht, weil er endlich das Know-how für seine persönlich passenden Schreibstrategien hat, und deshalb plötzlich gut schreibt.

 

Wir sind verbunden und diese Verbindung zu anderen Menschen, zu allen Lebewesen und zur Welt gehört zur eigenen Lebensaufgabe dazu.
Ulrike Scheuermann

„Was will ich anderen und der Welt geben?“

Die dritte Frage zeigt dir, wie du über dich selbst hinausgehen kannst. Denn wir sind keine Einzelwesen, sondern Teil des großen Ganzen. Wir sind verbunden und diese Verbindung zu anderen Menschen, zu allen Lebewesen und zur Welt gehört zur eigenen Lebensaufgabe dazu. Wir sind und tun alles im Austausch mit der Welt um uns herum. So ist Self Care eben auch kein egoistisches Auf-sich-Bezogensein.

 

Zuerst einmal ist es wichtig, dass du gut für dich sorgst. So bleibst du bei Kräften und kannst umso leichter und freudvoller leben, was dir entspricht. Du erblühst. Aus guter Self Care können wir dann jedoch mehr entwickeln, eine Sorge für andere Menschen, unsere Umwelt, ohne uns dabei zu verausgaben. Diese World Care brauchen wir dringend für unsere gefährdete Welt.

Und das musst du dir nicht moralisch vorhalten. Wir können gar nicht ganzheitlich gut für uns selbst sorgen, ohne gleichzeitig auf andere zu achten. Aus der Sorge und dem Mitgefühl für dich selbst entsteht ganz selbstverständlich dein Mitgefühl für andere. Wir werden achtsamer, aufmerksamer und sensibler auch für andere, schließlich für alle Lebewesen und für die Welt als Ganzes.


 

World Care macht glücklich

Dies ist übrigens genau das, was die Dänen so glücklich macht: Sie leben einen starken Gemeinsinn, Wohlfahrt ist einer der zentralen Werte in dieser Gesellschaft. Allen soll es gut gehen, nicht nur dem Einzelnen. Das ist gelebte Self Care und World Care in einem, und es führt zu Lebenszufriedenheit und Glück.

Ich denke, wir alle können und müssen etwas tun, um besser für unsere Welt zu sorgen. Doch dieser Wunsch sollte von innen kommen. Mit moralischem Druck wird das nicht funktionieren, das erzeugt eher Widerstand. Ebenso wenig wird es funktionieren, wenn zu viel Angst vor der Zukunft da ist. Wir brauchen Zuversicht bei gleichzeitigem Annehmen der – zum Teil sehr misslichen – Realität. Wir brauchen Freude in unserem Tun, ohne die Augen vor dem zu verschließen, was nicht gut läuft.

World Care sieht natürlich ebenso wie Self Care für jede und jeden anders aus. Ich etwa nutze meine Bekanntheit und die Reichweite über meine Bücher. Jemand anders setzt das Geld seiner Stiftung ein – die vorhandene Geldfülle kann ebenso wie Prominenz dazu dienen, kraftvoll in der Welt zu wirken. Jemand anderes schreibt einen Blog oder produziert Videos für einen viel beachteten YouTube-Kanal. Eine Firmeninhaberin sorgt gut für sich selbst und für ihre MitarbeiterInnen und trägt so zu einer fairen und humanen Arbeitswelt bei.

Mit einer Vernetzung dieser Menschen können sich mit der Zeit immer größere Netzwerke formen, die an verschiedenen Knotenpunkten zusammenhängen und auf unterschiedliche Weisen gut und besonnen für sich selbst und die Welt sorgen – und so ihre Seele entfalten. Ich wünsche dir viel Freude dabei. 
 

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