Traumasensibles Yoga: Übungen für die Körperarbeit

Ein Trauma kann schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben eines Menschen haben, insbesondere wenn es in der Kindheit auftritt. Solche traumatischen Erlebnisse können die Fähigkeit eines Menschen zur Selbstregulation stark beeinträchtigen. Das führt dazu, dass die betroffene Person nicht mehr fähig ist, sich zu beruhigen oder zu entspannen, da sich ihr ganzes System unter extremer Anspannung befindet, die sich zum Beispiel auch in Gefühlen wie Hilflosigkeit, Angst, emotionaler Taubheit oder Kontrollverlust zeigen kann.

Sind bei dir solche Störungen diagnostiziert worden oder vermutest du, an den Folgen eines Traumas zu leiden, ist es wichtig, dich traumasensibel therapeutisch begleiten zu lassen. Zusätzlich kannst du deine Heilung unterstützen, indem du deinen Alltag traumasensibel gestaltest. Das gilt beispielsweise auch für deine Yoga-Praxis.

 

Welche Wirkung hat Yoga auf die Psyche?

Yoga kann ein Weg sein, um wieder in Verbindung mit sich selbst zu kommen. Damit sind nicht nur die Körperübungen (Asanas) gemeint, sondern auch Atem-, Meditations- und Entspannungstechniken. 

Im Yoga wird davon ausgegangen, dass wir alles, was wir für ein Leben in Zufriedenheit und Verbundenheit brauchen, bereits in uns tragen.
Eva Weinmann in »Wenn der Körper sich erinnert«

Yoga hat zahlreiche positive Auswirkungen auf Körper und Geist. Es hilft unter anderem dabei,

All das sind gute Gründe, warum sich Yoga als Unterstützung für Trauma-Betroffene bestens eignet. Denn wenn du dich abgekoppelt von deinen Körperempfindungen erfährst, extreme Anspannung verspürst oder das Gefühl hast, keine Kontrolle über dich selbst und die Situation zu haben, kann traumasensibles Yoga dir Sicherheit, Präsenz und Selbstwirksamkeit vermitteln.

Was bedeutet traumasensibles Yoga?

Um deine bestehende Praxis traumasensibel zu gestalten bzw. eine neue traumasensible Yogapraxis für dich zu etablieren, kannst du dich an folgenden drei Aspekten orientieren: 

  • das Ankommen in der Gegenwart
  • das Spüren von Sicherheit
  • das Wählen von Möglichkeiten
     

1. Ankommen in der Gegenwart

Wir verlieren uns schnell in Gedanken und Grübeleien über die Zukunft oder die Vergangenheit. Ziel des traumasensiblen Yogas ist es, dass du wieder mehr und mehr ins Hier und Jetzt kommst, dich im gegenwärtigen Moment wahrnimmst, ihn als sicher einstufst und diese Erfahrung immer weiter aufbaust.

Gerade wenn du traumatische Erfahrungen gemacht hast, kann es für dich wichtig sein zu spüren, dass du deine Gegenwart selbst bestimmen und selbst gestalten kannst. Vor allem Balance-Übungen (in Kombination mit stabilisierenden Übungen) fördern dieses Präsent-Sein.

 

2. Spüren von Sicherheit

Sich sicher zu fühlen, ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Fühlen wir uns unsicher, sind wir schneller ängstlich und angespannt. Eine Möglichkeit, für dich selbst ein Gefühl der Sicherheit zu schaffen, könnte sein, bei deiner neuen Yoga-Praxis in kleinen Schritten vorzugehen. So gestaltest du einen sicheren Rahmen.

Beobachte zum Beispiel, bei welchen Übungen du dich gut fühlst. Wo entsteht vielleicht die Möglichkeit, deinen Muskeln oder deiner Atmung noch etwas mehr Raum und Entspannung zu schenken? In welcher Haltung kannst du deinen Körper und dich selbst gut spüren?

 

3. Wählen von Möglichkeiten 

Du kannst selbst entscheiden, welche Art von Yoga (z. B. Yin Yoga, Kundalini Yoga, Hatha Yoga oder Yoga Nidra) du übst und wie lange du das tust. Du entscheidest, was dir guttut, und du entscheidest auch, wo deine Grenzen liegen. Vor allem, wenn Grenzüberschreitungen mit deinen traumatischen Erfahrungen in Verbindung stehen, ist es wichtig, dass du hier genau darauf achtest, was du möchtest und was nicht. Das Ziel ist nicht, dass du eine bestimmte Asana perfekt ausführst. Das Ziel ist, freundlich und liebevoll mit dir selbst umzugehen.

Für uns alle geht es darum, […] so zu wählen, dass uns unsere Yogapraxis im Komfort- oder Wachstumsbereich ankommen lässt und wir lernen, zwischen diesen beiden Orten hin- und herzupendeln.
Eva Weinmann in »Wenn der Körper sich erinnert«

Traumasensibles Yoga üben

Mit Hilfe der drei oben genannten Aspekte kannst du deine Yoga-Praxis traumasensibel gestalten. Wenn du dir bei den Übungen unsicher bist, hol dir am besten Hilfe bei einer/einem Yogatherapeut:in oder der/dem Yogalehrer:in deines Vertrauens. 

Suche dir für deine Yoga-Praxis einen Ort, an dem du dich wohlfühlst und ungestört üben kannst. Schaffe dir das Umfeld, das du für deine Praxis brauchst. Vielleicht zündest du eine Kerze an oder stellst ein Bild auf und lässt deine Lieblingsmusik laufen. Außerdem benötigst du bequeme Kleidung und eine Matte.

Die folgenden Übungen sind jeweils aus den Kategorien: Balance, Erdung und Entspannung. Wichtig ist, dass du dir während der Übung immer die Wahl lässt, etwas zu verändern. Gestalte die Haltungen so, wie du sie am liebsten hast. 

 

1. Für die Balance: Baum
 

  • Beginne in der Berghaltung, die Füße sind hüftbreit aufgestellt, die Wirbelsäule ist aufgerichtet.
     
  • Verlagere dein Gewicht auf den rechten Fuß. 
     
  • Beuge das linke Knie und setze den Fuß an die Innenseite deines rechten Beins. 
     
  • Du kannst den Fuß mit der Sohle an deinen Oberschenkel, deine Wade oder den Knöchel des rechten Fußes setzen. Nur nicht direkt auf das Knie. Deinen Fuß kannst du dabei mit den Händen führen.
     
  • Eine Möglichkeit ist es auch, die Zehen am Boden zu lassen, wenn dir das die nötige Stabilität gibt.
     
  • Es ist ganz normal, wenn sich die Haltung etwas wackelig anfühlt.
     
  • Die Hände kannst du vor deinem Brustraum zueinander bringen oder eine andere, für dich stimmige Variation für die Arme finden.
     
  • Bleibe in der Haltung, solange es sich gut anfühlt, setze den Fuß ab und wechsle dann die Seite. 
Besonders bei Balance-Haltungen gehen Achtsamkeit und eine wohlwollende innere Haltung Hand in Hand.
Eva Weinmann in »Wenn der Körper sich erinnert«

2. Für Erdung und Stabilität: Katze-Kuh im Sitzen
 

  • Komm in einen aufrechten Sitz, die Beine sind angewinkelt und die Füße aufgestellt.
     
  • Greife in deine Kniekehlen und beginne, indem du den Oberkörper rund werden lässt. Stelle dir dabei einen Katzenbuckel vor.
     
  • Gehe dann in die Gegenbewegung und mache die Vorderseite des Oberkörpers ganz weit, wie bei einer Rückbeuge.
     
  • Beobachte, wie dein Körper auf diese Übung reagiert. Welche der beiden Bewegungen fühlt sich besser für dich an? Spürst du Verspannungen? Welches Tempo tut dir gut?
     
  • Führe die Übung so lange aus, wie es sich gut für dich anfühlt.
     

3. Für die Entspannung: Kindshaltung
 

  • Komm in einen Fersensitz und bringe dein Gesäß nach hinten Richtung Fersen.
     
  • Lege dann deine Stirn auf den Händen oder auf dem Boden ab.
     
  • Du kannst die Arme auch neben deinen Körper legen oder nach vorne ausstrecken.
     
  • Sollte sich diese Haltung beklemmend für dich anfühlen, könntest du versuchen, die Arme auf einem Block abzulegen, um etwas erhöht zu sein. Außerdem könntest du eine Decke über dich legen, wenn sich das gut anfühlt. Eine weitere Möglichkeit ist es, in der Haltung leichte Bewegungen auszuführen, wenn es sich schwierig für dich anfühlt, stillzuhalten.
     
  • Verweile auch hier so lange wie du möchtest. 
     

Fazit: Mit Trauma-Yoga bei sich selbst ankommen

Die drei Übungen sollen dir dabei helfen, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie traumasensibles Yoga aussehen kann. Das Wichtigste ist, dass du dir immer wieder bewusst machst, dass du dich zu nichts zwingen musst. Das gilt auch für deinen Alltag. Du allein entscheidest, was dir möglich ist, was dir guttut und was nicht. Überfordere dich dabei nicht und gib dir und deinem Körper die Zeit, die du brauchst.

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