Progressive Muskelentspannung nach Jacobson: Anleitung und Übung

Der Nacken und die Schultern schmerzen, der Kopf dröhnt, das Gedankenkarussell und das Herz rasen und man kann nur schwer herunterfahren oder hat Probleme, in den Schlaf zu finden. Zu viel Stress kann viele Auswirkungen auf unseren körperlichen und seelischen Zustand haben. Um dem entgegenzuwirken, entwickelte der US-amerikanische Arzt Edmund Jacobson das Verfahren der Progressiven Muskelentspannung. Durch das gezielte An- und Entspannen einzelner Muskelgruppen kannst du deinem Körper die Erholung schenken, die er benötigt. 
 

Was ist progressive Muskelentspannung? 

Bei der Progressiven Muskelentspannung – Progressive Muskelrelaxation (PMR) – oder auch Tiefenentspannung werden bestimmte muskuläre Partien nacheinander fest angespannt, dann wird die Spannung für einen Moment gehalten und schließlich wieder gelöst. Es geht dabei in erster Linie darum, ein Gefühl für den Körper zu bekommen. Denn oft verlieren wir in einem fordernden Alltag oder in belastenden und schwierigen Situationen das Gespür dafür, wie es uns und unserem Körper geht. Wir nehmen die Anspannung kaum noch wahr und merken meist erst dann, dass etwas nicht stimmt, wenn wir deutliche Signale bekommen, wie zum Beispiel: 

Neben bewährten Entspannungsmethoden wie Meditation, Achtsamkeitstraining, einem gesunden Lebensstil, Yoga oder Bewegung im Allgemeinen, kann PMR ein Lösungsansatz für all diese Beschwerden sein. 

 

Positive Auswirkungen von PMR

Mit seinen Forschungen konnte Jacobson nachweisen, dass psychischer Stress immer mit Muskelverspannungen einhergeht. Durch seine Methode werden diese Verspannungen aktiv gelöst und somit das zentrale Nervensystem beruhigt, was sich wiederum positiv auf Körper und Geist auswirkt. Durch Progressive Muskelentspannung schenkst du deinem überreizten Nervensystem also die Ruhepause, die es benötigt. 

Daraus resultieren folgende positive Effekte für dich und deinen Körper:

  • Dein Körpergefühl und die Körperwahrnehmung verbessern sich,
  • du bist entspannter und ausgeglichener,
  • dein Herz-Kreislauf-System beruhigt sich,
  • dein Atem wird langsamer und gleichmäßiger,
  • der Blutdruck sinkt,
  • dein Wohlbefinden verbessert sich,
  • muskuläre Verspannungen werden gelöst,
  • und chronische Schmerzen können gelindert werden.

Progressive Muskelentspannung ist leicht zu lernen. Bis du sie jedoch gezielt einsetzen kannst, braucht es ein klein wenig Übung. Dennoch wirst du schon beim ersten Mal spüren, was es mit der selbst erzeugten Entspannung auf sich hat. 
Vorsichtig solltest du sein, wenn du eine Muskelerkrankung, einen niedrigen Blutdruck oder ähnliche Beschwerden hast. Dann holst du dir am besten ärztlichen Rat ein, bevor du mit dem Üben beginnst. 

 

Wer seine Muskeln effektiv lockert, baut dadurch Stress ab und erlangt in der Folge innere Ruhe und Gelassenheit sowie ein Plus an körperlicher Gesundheit.
Dr. Friedrich Hainbuch

Anleitung:  Progressive Muskelentspannung: 3 Schritte

Im Folgenden erklären wir dir, wie genau die Progressive Muskelentspannung funktioniert und wie du sie einsetzt. 

1. PMR-Vorbereitung

Suche dir einen ruhigen Raum und nimm dir ca. 20 bis 30 Minuten Zeit. Am besten schaltest du dein Handy aus oder stellst es lautlos und gehst sicher, dass du ungestört bist. Nimm dir diese Zeit ganz bewusst nur für dich. Überlege, was du brauchst, um dich richtig wohlzufühlen, wie zum Beispiel bequeme Kleidung und gedämpftes Licht.
Während des gesamten Übens – auch während der Muskelanspannung – sollte deine Atmung ruhig und gleichmäßig bleiben. Wann immer du gedanklich abschweifst oder die Konzentration verlierst, bringe den Fokus liebevoll wieder zurück zu den betreffenden Muskelgruppen. 
Du kannst im Liegen, im Stehen oder im Sitzen üben, was immer sich für dich am besten anfühlt. Deine Augen können dabei geschlossen sein, aber wenn es dir mit geöffneten Augen leichter fällt, ist das ebenfalls möglich.
Nimm zu Beginn ein paar tiefe Atemzüge. Komm in der Haltung deiner Wahl an und verbinde dich bewusst mit deinem Körper. Kannst du bereits jetzt spüren, ob bestimmte Muskeln verspannt sind? 

 

2. So gehst bei der PMR du vor

Für jede Muskelgruppe durchläufst du die folgenden Schritte: 

  1. Erspüren der betreffenden Muskeln: Wie fühlen sie sich an? Sind sie angespannt oder gereizt? 
  2. Anspannung: Die Spannung sollte deutlich spürbar, aber nicht krampfhaft sein. 
  3. Halten der Spannung für 5 bis 10 Sekunden.
  4. Loslassen, Entspannen und Nachspüren für ca. 15 bis 20 Sekunden. 

 

3. Übung: Reihenfolge der Progressiven Muskelentspannung

Führe jeden der nun folgenden Schritte einzeln und genau wie unter Zweitens beschrieben aus: anspannen – halten – entspannen – nachspüren. 

  1. Balle die rechte Hand zur Faust, wenn du Rechtshänder:in bist und die linke, wenn du Linkshänder:in bist. Anschließend wechsle die Seite. Nun balle beide Hände zu Fäusten und löse wieder.
  2. Beuge die Ellbogen und presse die Unter- gegen die Oberarme, die Finger sind dabei weit gespreizt.
  3. Runzle die Stirn, indem du die Augenbrauen nach oben ziehst.
  4. Kneife die Augen fest zusammen.
  5. Beiße die Zähne aufeinander und presse die Zunge gegen den Gaumen.
  6. Presse die Lippen fest aufeinander.
  7. Neige den Kopf erst nach rechts, dann nach links.
  8. Senke das Kinn Richtung Brust, lege als nächstes den Kopf in den Nacken
  9. Ziehe die Schultern hoch in Richtung Ohren.
  10. Atme tief ein und weite den Brustkorb
  11. Ziehe den Bauch fest ein. Atme dennoch ruhig weiter.
  12. Gehe in ein geführtes Hohlkreuz und lasse dann wieder die natürliche Wölbung der Wirbelsäule zu. 
  13. Spanne die Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur fest an.
  14. Drücke die Zehen erst nach unten in den Boden, als nächstes nach oben Richtung Schienbein.

Wenn du alle Muskelgruppen durchgegangen bist, spüre abschließend in deinen gesamten Körper.

  • Wie fühlt er sich jetzt an?
  • Kannst du die Entspannung, die du in den Muskeln geschaffen hast, wahrnehmen?
  • Kannst du eine Veränderung deiner Wahrnehmung erkennen? 

Dies ist einer der möglichen Abläufe zur Progressiven Muskelentspannung. Wenn du das Prinzip einmal verstanden hast, kannst du die Methode so anpassen, wie sie für dich am besten geeignet ist. Vielleicht brauchst du an der einen Stelle eine Wiederholung oder möchtest den Prozess an anderer Stelle lieber etwas kürzen. So lässt sich die Übung genau an deine Bedürfnisse und deinen zeitlichen Rahmen anpassen. 
 

Das Ziel der PMR-Entspannung

Das Ziel ist es, dass du auch im Alltag direkt spürst, wenn Anspannungen auftreten. Diese kannst du dann gezielt ansteuern und lösen. Vor allem bei akutem Stress oder sogar Angstsituationen kann das sehr hilfreich sein. Denn sobald du den Ort deiner Anspannung im Körper lokalisiert hast, kannst du die Entspannung gegen dein Unbehagen einsetzen – und so oftmals vermeiden, dass es zu den bereits genannten Beschwerden oder psychischen Blockaden kommt. 

Die PMR-Methode wirkt auch, wenn die Körperwahrnehmung nicht im Vordergrund steht. Die Entspannung deiner Muskeln tritt ein, egal welchen Fokus du dir setzt. Am Anfang empfiehlt es sich, täglich zu üben, bis du eine Routine etabliert hast. Überlege dir, welche Tageszeit sich für dich am besten anbietet und was dir guttun würde, ohne dass es dir zusätzlichen Stress bereitet. Du kannst die Übung auch am Anfang oder am Ende deiner Meditations- oder Yogapraxis einbauen, falls du mehrere Entspannungsmethoden verbinden möchtest. 

Fazit: PMR-Entspannung, wann immer du sie brauchst

Wenn du die Progressive Muskelentspannung ein paarmal ausgeführt hast und die Methode beherrschst, kannst du sie in allen Variationen und Situationen ausführen. Durch die Schulung der Körperwahrnehmung kannst du auf körperlichen Stress gezielt reagieren, bevor er zum Problem wird. Außerdem kultivierst du dabei den Prozess des Loslassens, der dir in vielen Lebenssituationen eine große Stütze sein kann. Mache dir klar: Wo immer Anspannung herrscht, ist auch Entspannung möglich. 

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