Die Vier Edlen Wahrheiten des Buddha

Vor seiner großen Transformation war Siddharta Gautama ein Mensch wie du und ich. Er wusste, wie sehr Ängste und Sorgen einem Menschen den Schlaf rauben können und wie sehr Unzufriedenheit und Gier am Geist zerren. Durch seine intensive Meditationspraxis gelang es ihm, den eigenen Geist und seine Funktionsweise in der Tiefe zu erforschen. Er erkannte die wechselseitige Abhängigkeit von körperlichem und psychischem Leid. Darüber sah er klar wie nie zuvor ein Mensch die Wurzeln des menschlichen Leids und fand deshalb einen so komplexen Weg daraus, dass dieser sich bis zum heutigen Tag bewährte. Einen Weg, der in seinen Augen für jeden Menschen möglich ist. Also auch für dich und mich. 
 

Das menschliche Leben und seine Herausforderungen

Die Essenz seiner Lehre spiegelt sich in den sogenannten Vier Edlen Wahrheiten wider. Diese werden üblicherweise folgendermaßen übersetzt: „Es gibt Leiden. Es gibt eine Ursache des Leidens. Es gibt ein Ende des Leidens. Es gibt den Pfad zur Beendigung des Leidens. Diese Vier Edlen Wahrheiten lehren das Leiden und das Ende des Leidens.“  

In den ersten drei Wahrheiten beschreibt Buddha, wie es dazu kommt, dass wir leiden. Mit der vierten Wahrheit bietet er einen gangbaren Weg aus dem Leid an. Das diese Wahrheiten an Gültigkeit nicht verloren haben wird daran deutlich, dass ihre Wirksamkeit heute in zahlreichen Forschungen bestätigt wird. 

Für die heutige Zeit lassen sich die Wahrheiten mit folgenden Worten zusammenfassen: 

  1. Das Leben verschont keinen (Leben ist Leid)
  2. Der Grund für das Leid (Ursache des Leids)
  3. Das Heilmittel (Ende des Leids)
  4. Du kannst dein Leid beenden. Und nur Du! (Der Weg aus dem Leid) 
     

Die 1. Edle Wahrheit: Das Leben verschont keinen

Die bittere Pille präsentierte Buddha seinen Zuhörern gleich zu Beginn: Alle, und damit gemeint sind auch du und ich, werden früher oder später mit dem Tod oder Verlust von Menschen, die wir lieben konfrontiert. Aber nicht nur das: Auch wir selbst werden eines Tages mit Krankheit, Schmerzen und Tod zu tun haben. Wenn du mit offenen Augen durch das Jahr gehst, siehst du, was damit gemeint ist. Je nach Lebensumstand und Alter hält das Leben unzählige Varianten dieser Wahrheit für jeden von uns bereit. Aber auch psychisches Leid wie unerwiderte Liebe, große Enttäuschung oder die Konfrontation mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen wie Depressionen können Menschen ereilen.

 

Schmerz gehört zum Leben aller Menschen. Niemand kann ihm ausweichen, egal wie bewusst, achtsam oder gesund wir leben. Was zum Leid führt, ist unsere Reaktion auf die Situationen.
Redaktion

Schmerz und Leid

Im Budddhismus gibt es aber eine ganz klare Unterscheidung zwischen Schmerz und Leid. Schmerz gehört zum Leben aller Menschen. Wir können ihm nicht ausweichen. Niemand, egal wie bewusst, achtsam oder gesund wir leben. Was zum Leid führt, ist unsere Reaktion auf die jeweiligen Situationen. Wir leiden, wenn wir den Mann oder die Frau nicht bekommen, in den/die wir verliebt sind. Wir leiden, wenn wir die Anstellung, die wir als unseren Traumjob betrachten, nicht bekommen. Wir leiden, wenn wir oder ein Menschen, den wir lieben, unheilbar erkranken.

Wir leiden aber auch, wenn wir neidisch sind, habgierig sind oder süchtig werden. Schmerz entsteht aber auch dann, wenn wir an besonders schönen Momenten festhalten wollen oder nicht akzeptieren können, dass auch Glückssträhnen einmal ein Ende haben. Wir leiden auch als Menschheit. Wir leiden, wenn Menschen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Hautfarbe abgelehnt werden. Wir leiden, wenn Hungersnöte entstehen oder Diktaturen Menschen ihre Freiheit nehmen.  Betrachten wir diese Wahrheit als unumgängliche Tatsache unseres Lebens, werden wir durch das entsprechende Verständnis mit diesen Situationen gelassener umgehen können. 

Übung: Es heißt, dass Menschen, die täglich über ihren eigenen Tod meditieren, glücklicher sind. Ihnen ist die Kostbarkeit des Lebens bewusst. Nimm auch du dir deshalb jeden Tag ein paar Minuten Zeit und verdeutliche dir, dass du nicht ewig leben wirst. Richte dabei den Blick darauf, dass jeder Tag, den du bewusst erleben kannst, ein großes Geschenk des Lebens an dich ist.
 

Die 2. Edle Wahrheit: Der Grund für das Leid 

Die Vergänglichkeit zu akzeptieren, ist wohl die größte Herausforderung für uns Menschen. Wir halten fest an Dingen, die vergänglich sind und leiden deshalb. Der Dalai Lama sagt hierzu: „Der gegenwärtige Augenblick lässt sich nicht festhalten. Nichts auf dieser Welt ist von Dauer“. Wir halten aber nicht nur an anderen Menschen fest, oder an unserem eigenen jugendlichen Aussehen, sondern auch an Meinungen, Vorstellungen, Leidenschaften, dem Wunsch nach Anerkennung, Ruhm und Reichtum.

Da jedoch alles, wirklich alles im Außen vergänglich ist, ist das Leiden vorprogrammiert. Die Vorstellung eines eigenständigen Selbst führt übrigens auch dazu, dass wir leiden. Es gibt kein beständiges, andauerndes Selbst. Dass, was wir als Selbst oder Ich bezeichnen, ist nur eine Vorstellung unseres Geistes, auf die er fixiert ist. 

Übung: Übe dich im Loslassen. Sortiere jeden Tag 10 Dinge aus, die du nicht mehr brauchst. Du kannst dich auch im Üben von Haltungen oder Ansichten ausprobieren. Probiere einfach ab und zu eine neue Sicht auf das Leben, dich selbst oder andere Menschen aus.  
 

Wir können unsere Sicht auf das Leben verändern und somit auch das Leid beenden.
Redaktion

Die 3. Edle Wahrheit: Es gibt ein Heilmittel gegen das Leid

Um mit den ersten beiden edlen Wahrheiten weise umzugehen, appelliert der Buddha an unsere Wahlfreiheit: Wir können unsere Sicht auf das Leben verändern und somit auch das Leid beenden. Und zwar jeder von uns. Wenn wir aufhören, alles persönlich zu nehmen und oder uns als Opfer der Umstände zu betrachten und aufhören, uns selbst als Pechvögel zu bemitleiden und stattdessen erkennen, dass jeder Mensch diese Erfahrungen früher oder später macht, werden wir frei.

Wenn wir uns von unseren sinnlichen und geistigen Anhaftungen, unserer Gier befreien, unsere Vorlieben und Abneigungen hinter uns lassen, dann werden wir ebenfalls frei. Laut Buddha ist dieser Perspektivenwechsel für jeden möglich. Der einzige Wermutstropfen: Es erfordert Geduld und Ausdauer und das Trainings des Loslassens. Weg und Ziel sind hier nicht voneinander getrennt. 

Übung: Solltest du gerade eine Krise haben, egal wodurch sie ausgelöst wurde, so mache dir bewusst, dass dies gleichzeitig Millionen von anderen Menschen gerade passiert. Denke daran, dass du einen Perspektivenwechsel vornehmen kannst und nicht länger an deinen Vorstellungen festhältst, wie das Leben sein sollte. 
 

Die 4. Edle Wahrheit: Es gibt einen Weg aus dem Leid

Der Wermutstropfen an Buddhas Lehre ist, dass nur wir selbst das Leiden beenden können. Wir können noch so begeistert vom Dalai Lama, Thich Nhat Hanh oder anderen Vorbildern sein. Wir sind aufgefordert, regelmäßig zu praktizieren, um zu erkennen, wann wir versuchen, das Leben zu kontrollieren oder wir Dinge, Menschen und Situationen anders haben wollen, als sie sind. Die Akzeptanz dessen, dass Leid zum Leben gehört, alles einem steten Wandel unterliegt, ist ein fortschreitender Prozess.

Es geht nicht darum, dass du zukünftig völlig emotionslos durch dein Leben gehst. Eine andere Sicht auf das Leben macht es leichter und ermöglicht es uns, gelassener mit den täglichen kleinen und großen Herausforderungen umzugehen. Es geht auch darum, das Leben als ein großes Geschenk zu betrachten. Für Buddha war es das größte Geschenk überhaupt, als Mensch geboren worden zu sein. Dadurch haben wir die Möglichkeit, zu meditieren und die Vier Edlen Wahrheiten zu verinnerlichen. 

Übung: Nimm dir jeden Tag 15 Minuten Zeit für eine Meditation, um über die Kostbarkeit des Lebens zu meditieren. Nimm dir auch an solchen Tagen Zeit, an denen du keine Lust hast zu meditieren. Etabliere die Meditation in deinen täglichen Ablauf sowie wie das Zähneputzen oder Teetrinken.

 

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