Systemische Familienaufstellung: Was bringt das?

Was ist eine Familienaufstellung? 

Familienaufstellungen sind Teil der systemischen Familientherapie. Beim systemischen Ansatz betrachtet man nicht nur eine Person isoliert, sondern auch ihre Beziehungen und das soziale Umfeld. Probleme und Symptome werden dadurch nicht isoliert wahrgenommen, sondern als Teil eines größeren Systems – ihrer Umwelt.

Bei einer Familienaufstellung (oder beim Familienstellen) geht man entsprechend davon aus, dass familiäre Strukturen und Beziehungen einen starken Einfluss auf unser Seelenleben und unsere Persönlichkeit haben. Eine solche Aufstellung kann dann dazu genutzt werden, um sich von belastenden Erinnerungen oder negativen Glaubenssätzen zu befreien. Im Folgenden erklären wir dir, was eine systemische Familienaufstellung bringt:

  • Familiäre Konflikte: Eine Familienaufstellung kann helfen, Konflikte innerhalb der Familie zu erkennen und zu lösen, indem sie verstrickte Beziehungen, wiederkehrende Muster und Unausgesprochenes sichtbar macht. 
     
  • Beziehungsprobleme: Ob in der Partnerschaft, bei Freundschaften oder in anderen engen Beziehungen, Familienaufstellungen können helfen, Hindernisse und Schwierigkeiten zu identifizieren. Sie ermöglichen es den Teilnehmenden, ihr Verhalten in Beziehungen besser zu verstehen und andere Perspektiven einzunehmen.
     
  • Familiäre Traumata oder Verluste: Familienaufstellungen können bei der Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen oder dem Verlust von Familienmitgliedern unterstützen: Teilnehmende können die Auswirkungen des Traumas oder Verlusts erkennen und untersuchen, was ihnen Heilung bringen könnte. 
     
  • Generationsübergreifende Muster: Oft gibt es in Familien bestimmte Verhaltensweisen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Familienaufstellungen können helfen, diese Muster aufzudecken, sie zu verstehen und gegebenenfalls zu durchbrechen. 
     
  • Selbstfindung und persönliches Wachstum: Eine Aufstellung kann auch individuell genutzt werden, um persönliche Themen zu erkunden und Altlasten abzuwerfen. Durch das Einnehmen verschiedener Positionen ergeben sich neue Perspektiven oder tiefere Einsichten – sowohl auf privater als auch auf beruflicher Ebene.

Was passiert bei einer Familienaufstellung? 

Einfach gesagt funktioniert eine Familienaufstellung wie folgt: Figuren oder Stellvertreter repräsentieren die Familienmitglieder und andere relevante Personen im Leben eines Klienten oder einer Klientin. Diese Figuren werden im Raum so arrangiert, dass Beziehungen und Verstrickungen innerhalb der Familie visualisiert werden. 

Vor der Aufstellung sollte der Klient oder die Klientin die Fragestellung möglichst genau umreißen. 

Hier sind ein paar Beispiele:

  • Warum streite ich mich immer wieder mit meinen Geschwistern? 
  • Wie kann ich eine gesunde Grenze in der Beziehung zu meinen Eltern setzen, wenn ich emotional abhängig bin? 
  • Woher kommt mein Helfersyndrom?
  • Warum habe ich keinen Kontakt zu meinen Eltern?
  • Woher kommt meine Bindungsangst?
  • Gibt es bestimmte Denkmuster oder negative Glaubenssätze, die meine privaten Beziehungen belasten? 
  • Wie kann ich das Trauma meiner Kindheit lösen?
  • Wie kann ich meine Rolle als Elternteil stärken? 

Es muss sich dabei nicht zwingend um Zwischenmenschliches handeln, auch wiederkehrende Verhaltensweisen können thematisiert werden. Je klarer die Fragestellung umrissen ist, desto wahrscheinlicher lassen sich aus der Aufstellung konkrete Einsichten oder Lösungsansätze ableiten.

Integrative Familienaufstellung ist das Umarmen dessen, was wir brauchen, um zu einem ganzheitlichen Lösungsweg zu kommen.
Jasmin Schober-Howorka in »Familienstellen und karmische Verstrickungen«

Ablauf einer Familienaufstellung in 6 Schritten
 

  1. Zu Beginn der Aufstellung wählt der Klient oder die Klientin aus einer Gruppe Menschen oder einer Sammlung an Figuren die Repräsentanten für das Anliegen aus. Je nachdem welches Thema oder welche Fragestellung behandelt werden soll, sind unterschiedliche Rollen zu besetzen: Eltern, Geschwister, Großeltern, Lehrer oder Lehrerin, andere nahestehende Personen.
     
  2. Anschließend stellt die Aufstellungsleitung Fragen, um das Anliegen besser zu verstehen.
     
  3. Daraufhin positioniert der Klient oder die Klientin die ausgewählten Stellvertreter im Raum oder die Figur auf dem Brett, basierend auf seinem inneren Bild der Familie. Er oder sie geht dabei intuitiv vor: Wer steht wem nah? Sind Figuren einander zu- oder abgewandt? Wo steht der Klient oder die Klientin innerhalb der Familie.
Systemische Familienaufstellung Figuren im Sand

4. Sind alle Figuren platziert, schildern die unterschiedlichen Stellvertreter ihre Sicht der Dinge, Wahrnehmungen und Gefühle während der Aufstellung. Sie sprechen hier meist über ihre Beziehungen, ihre Position und welche Dynamik sie innerhalb der Konstellation fühlen. 

5. Basierend auf diesen Schilderungen nimmt die Aufstellungsleitung nun Anpassungen vor: Stellvertreter werden umgestellt, hinzugefügt oder entfernt, vielleicht kommen auch bestimmte Symbole oder Requisiten dazu. Diese Veränderungen können helfen, neue Aspekte und Lösungsansätze zu erkennen. 

6. Im Anschluss daran können Klient oder Klientin und Aufstellungsleitung sich austauschen und ihre Beobachtungen einordnen

Sowohl in unseren Eltern als auch in unseren [...] Ahnenreihen spiegeln sich [...] Rollenbilder unseres Frau- und Mannseins.
Jasmin Schober-Howorka in »Familienstellen und karmische Verstrickungen«

Was sich nun vielleicht unspektakulär liest, kann für die Teilnehmenden ein intensives und emotionales Erlebnis sein. Eine Familienaufstellung kann aufwühlend sein und lange Vergessenes wieder an die Oberfläche befördern. Oft gelangen Teilnehmende zu tiefgreifenden Erkenntnissen oder durchleben bestimmte Situationen noch einmal. Trotzdem – oder vielleicht auch genau deswegen – können Familienaufstellungen dazu beitragen, familiäre Konflikte zu klären und traumatische Erfahrungen zu verarbeiten. 

Zur besseren Veranschaulichung findest du im folgenden Video ein Beispiel für eine Familienaufstellung mit Lösungsansatz.

Beispiel einer Familienaufstellung mit Lösungsansatz von Systemo

Systemische Familienaufstellung kritisch beleuchtet

Prägend für das Konzept der Familienaufstellung war Bert Hellinger, ein katholischer Priester und Therapeut. Er griff Mitte des 20. Jahrhunderts diesen systemischen und ganzheitlichen Ansatz auf und machte ihn populär. Hellingers Arbeit und seine Ansichten werden kontrovers diskutiert. Einige Kritiker bemängeln unter anderem die esoterischen oder spirituellen Elemente in seiner Arbeit, außerdem die Vereinfachung komplexer Beziehungen. 

Außerdem wird die Methode des Familienaufstellens oft kritisch beleuchtet, da es nur begrenzte wissenschaftliche Forschung dazu gibt. Weder die Wirksamkeit noch die langfristigen Auswirkungen sind untersucht. Zwar haben viele Menschen gute Erfahrungen mit Familienaufstellungen gemacht, dennoch sollte das bei Anwendung der Methode berücksichtigt werden. 

Deshalb sollte eine Familienaufstellung nicht selbst gemacht werden, sondern immer von einer qualifizierten und erfahrenen Therapeutin oder einem Therapeuten durchgeführt werden und in einem sicheren und unterstützenden Umfeld stattfinden. Dennoch gibt es bestimmte Risiken oder Nebenwirkungen, die auftreten können – sie sollte deshalb auch auf keinen Fall auf eigene Faust durchgeführt werden. 

Während einer Familienaufstellung können tiefgreifende Emotionen und Erinnerungen auftauchen. Das kann für manche Menschen emotional belastend sein und zu Unbehagen oder Traurigkeit führen. Genauso können Familienaufstellungen traumatische Erinnerungen oder Erfahrungen auslösen. Es ist wichtig, dass die Aufstellungsleitung über die notwendige Fachkompetenz verfügt, um mit solchen Situationen umzugehen und angemessene Unterstützung anzubieten.

Denn auch wenn eine Familienaufstellung eine gute Möglichkeit ist, Beziehungen zu visualisieren und zu beleuchten, sollte sie niemals als alleinige Therapiemethode betrachtet werden. Weitere therapeutische Methoden wie Gesprächstherapie, kognitive Verhaltenstherapie oder Traumatherapie können erforderlich sein, um tieferliegende Ursachen und individuelle Bedürfnisse zu untersuchen.

Wichtig ist auch, was nach der Familienaufstellung passiert. Denn eine einzelne Familienaufstellung kann nicht alle Probleme lösen oder die alles verändernde Lösung bringen. Kontinuität und eine gute Nachbetreuung sind unbedingt erforderlich, um den therapeutischen Prozess fortzusetzen. 

So kann beispielsweise bei regelmäßigen Therapiesitzungen nachgehalten werden, inwieweit die gewonnenen Erkenntnisse im Alltag funktionieren und ob sich bestimmte Verhaltensweisen langfristig ändern. 

 

Fazit: Familienaufstellung als Lebensberatung

Eine Familienaufstellung ist eine therapeutische Methode. Sie dient dazu, Dynamiken und Verstrickungen innerhalb deiner Familie (oder eines Systems) sichtbar zu machen und mögliche Konfliktlösungen zu finden. Bei der Familienaufstellung wird in der Regel in der Gruppe gearbeitet, wobei jeweils ein Klient oder eine Klientin die Familie oder ein bestimmtes System repräsentiert. 

So kannst du tiefe Einsichten in familiäre Muster Gewinnen oder mögliche Wege für persönliches Wachstum und Veränderung aufzeigen bekommen. In Fachkreisen sind Familienaufstellungen allerdings stark umstritten. Wende dich deshalb an erfahrene Therapeut:innen, die über fundierte Kenntnisse in dieser Methode verfügen.

Mehr für dich