Zerbrochene Freundschaft und Enttäuschung: Wenn Freundschaften zu Ende gehen

Studien aus der Netzwerk- und Zufriedenheitsforschung zeigen, dass wir ein bis drei sehr nahe Freundschaften pflegen, und insgesamt etwa zehn gute Freundschaften haben. Für viel mehr fehlen meist die zeitlichen und emotionalen Ressourcen. Oft haben wir eine:n beste:n Freund:in, mit der/dem wir unsere Geheimnisse, Freuden und Ängste teilen können. Gerade bei diesen engen Beziehungen kann es sehr schwer sein, Enttäuschungen zu erleben oder die Person zu verlieren.

Manchmal ist es aber auch sinnvoll und gut: Menschen entwickeln sich in verschiedene Richtungen, knüpfen andere Beziehungen, die mit den bestehenden Verbindungen nicht mehr kompatibel sind, oder es ist einfach Zeit, ganz neue Beziehungserfahrungen zu machen.

Oft entwickelt man sich einfach in unterschiedliche Richtungen, man hat sich weniger zu erzählen, es »passt« einfach nicht mehr so und man lebt sich auseinander.
Ulrike Scheuermann

Woran Freundschaften zerbrechen

Die Gründe, warum Freundschaften »kaputtgehen«, sind ganz unterschiedlich. Einige enden abrupt im Streit, andere laufen langsam und stillschweigend aus.

Eine Meinungsumfrage von Emnid ergab, dass hinter verschiedenen zerbrochenen Freundschaften oft ähnliche Gründe stehen: Lügen oder das Ausplaudern von Geheimnissen, das Ausspannen von Partner:innen, aber vor allem auch, dass man in Notsituationen hängen gelassen wird. Denn sich gegenseitig zu helfen, wenn’s drauf ankommt, ist ein wichtiges Merkmal von Freundschaften. In toxischen Freundschaften kann das Verhältnis aus Geben und Nehmen über einen längeren Zeitraum unausgeglichen und der toxische Part nur auf seinen Vorteil bedacht sein.

Die Gründe für das Ende einer Freundschaft müssen aber auch nicht immer so dramatisch sein. Oft entwickelt man sich einfach in unterschiedliche Richtungen, man hat sich weniger zu erzählen, es »passt« einfach nicht mehr so und man lebt sich auseinander.

 

Wir lernen das Sich-Trennen und Freundschaft-Beenden nicht

Wenn du merkst, dass die Freundschaft nicht mehr das ist, was sie einmal war und ihr euch vielleicht nicht mehr guttut, kann es sinnvoll sein, diese Beziehung zumindest infrage zu stellen und die Möglichkeit miteinzubeziehen, diese zu beenden. Aber wie trennt man sich aus einer einst innigen Beziehung? 

In Partnerschaften, in Freundschaften oder auch in beruflichen Netzwerken und im Kollegenkreis sind Trennungen ein wichtiges, aber für viele von uns auch schwieriges Thema. Wir benötigen dazu Trennungskompetenzen, die ein Teil unserer sozialen Fähigkeiten sind. Obwohl wir diese unser Leben lang brauchen, haben wir sie nur selten von klein auf gelernt. In der Schule gibt es kein Schulfach »Sozialkompetenzen«, in dem Kinder lernen, wie man sich besonnen trennt und mit schwierigen Emotionen umgeht. Und später erleben wir dann oft im Zusammenhang mit Trennungen relativ unvorbereitet schwere Konflikte und Streit, Vorwürfe und Intrigen, denn fast allen fällt eine Trennung schwer.

 

Ghosting als extreme Form, eine Freundschaft zu beenden

Immer öfter beenden deshalb Menschen eine Freundschafts- oder Paarbeziehung mit dem sogenannten Ghosting. Von einem Tag auf den anderen sind sie nicht mehr zu erreichen, die Kommunikation ist komplett abgebrochen. Sie scheinen sich plötzlich in Luft aufgelöst zu haben, als ob es sie nie gegeben hätte, eben wie ein Geist. Die verschwundene Person möchte damit ein Trennungsgespräch vermeiden. Wie von selbst soll sich alles klären, soll die andere Person realisieren, dass kein Kontakt mehr erwünscht ist. 

Dahinter wiederum steht eine Konfliktscheue, die Angst vor Konfrontation und Enttäuschung der anderen Person und eine Unsicherheit, wie man sich in schwierigen Situationen richtig verhält. Ghosting scheint deshalb auf den ersten Blick eine einfache Lösung zu sein, zumindest für die Person, die geht. Immerhin muss man sich mit diesen schwierigen Gefühlen dann nicht auseinandersetzen.

Doch meist ist das zu kurz gedacht: Es kann viel Leid für beide entstehen. Die plötzlich verlassene Person fühlt sich verunsichert, verletzt und zweifelt an ihrer Wahrnehmung: Habe ich mir nur eingebildet, dass wir uns besonders mochten, aber in der Realität war das alles nichts? Habe ich unbemerkt einen schweren Fehler gemacht, etwas Falsches gesagt? Diese Zweifel und Grübeleien können auch dauerhaft belasten, denn es gibt kein Gegenüber, mit dem wir etwas klären oder zumindest unsere Wahrnehmung bestätigen oder korrigieren könnten.

Bei Trennungen sollte man sich immer bewusst machen, dass sie für alle sehr belastend sind.
Ulrike Scheuermann

Trotz Enttäuschung auf soziale Verträglichkeit achten

Von anderen Menschen getrennt zu sein, denen man sich zugehörig fühlte, löste schon immer Stress aus, das ist unser evolutionäres Erbe: Unsere Vorfahren mussten mit dem Tod rechnen, wenn sie von der Gruppe getrennt oder ausgestoßen wurden.  

Deshalb sollten wir unbedingt versuchen, uns sozial verträglich zu trennen. Man kann an das bekannte Sprichwort denken: »Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem andern zu«. Frage dich also bei der Beendigung der Freundschaft – und auch bei anderen zwischenmenschlichen Themen: Würde ich so behandelt werden wollen? Werde ich hinterher in den Spiegel schauen können? 

Denn es geht nicht nur um ein verantwortungsvolles soziales Miteinander und Rücksicht auf die Gefühle des Gegenübers. Es geht auch um dich selbst. Wortlos aus einer Beziehung zu verschwinden und andere Formen einer unklaren Trennung sind dann meist doch nicht so einfach, wie man hoffte. Wenn eine Beziehung keinen Abschluss findet, ist sie meist auch innerlich noch aktiv. Vielleicht kennst du das: Wenn etwas unklar und Wichtiges unausgesprochen geblieben ist oder wenn du das Gefühl hast, dich falsch verhalten zu haben, grübelst du mit kreisenden Gedanken vor dem Einschlafen, führst innere Dialoge und findest keine Ruhe.

 

5 Tipps, um die Freundschaft im Guten zu beenden

Um der Freundschaft einen würdigen und wertschätzenden Abschluss zu geben und keinen unnötigen Schaden anzurichten, achte also darauf, dich sozial verträglich zu trennen. Hier findest du einige Impulse, die dir dabei helfen können, die Freundschaft im Guten zu beenden:

1. Akzeptiere, dass Freundschaften enden können 

Um eine Beziehung zu beenden, ist es wichtig, dass du dich innerlich frei fühlst: »Es ist okay, dass ich gehe«. Vergegenwärtige dir, dass Entwicklungswege und Lebenssituationen in sehr verschiedene Richtungen gehen können. 

2. Überwinde deine Trennungsangst

Frage dich, warum es dir schwerfällt, klar abzusagen oder zu beenden: Ist es die Angst, dein Gegenüber zu enttäuschen? Hast du innere Verbote, Freundschaften – oder allgemein Beziehungen – zu beenden? Hast du einen Glaubenssatz, dass beste Freund:innen für immer beste Freund:innen sein müssen? Was hält dich sonst noch auf?

3. Nimm dir Zeit für das Beenden einer Freundschaft

Überlege dir genau, wie du ein klärendes oder trennendes Gespräch führen möchtest. Wie formulierst du deine Absicht, die Freundschaft zu beenden – ganz konkret, Wort für Wort?

4. Drücke Wertschätzung und Dankbarkeit statt Enttäuschung aus

Willst du Kritik noch ansprechen – und aus welchen Gründen? Erhoffst du dir zum Beispiel Entlastung oder Genugtuung davon? Ist es realistisch, dass sich diese Hoffnung erfüllt? Oder wird für euch beide die Beziehung in besserer Erinnerung bleiben und ihr könnt friedlicher auseinander gehen, wenn du das Wertschätzende betonst? Wofür bist du der anderen Person dankbar? Irgendetwas gibt es immer. Wie kannst du es formulieren?

5. Überlege, ob die Freundschaft wirklich verloren ist

Wo ist vielleicht noch Spielraum, dass sich die Freundschaft in eine andere Richtung entwickelt? Möchtest du dich vielleicht einmal im Jahr noch auf einen Kaffee treffen, um auf dem Laufenden zu bleiben, aber ohne die vorherige Intensität und Nähe? Oder möchtest du einen klaren Schlussstrich ziehen und überhaupt keinen Kontakt mehr?
 

Was dir eine zerbrochene Freundschaft leichter machen kann

Um Trennungen und Konflikte kommen wir nicht herum, sie gehören einfach zum sozialen Miteinander. Je konkreter du also weißt, was du sagen und wie du dich verhalten möchtest, desto klarer wird die Trennung und das Ende der Freundschaft verlaufen. Die eigene Klarheit hilft, fest zu deiner einmal getroffenen Entscheidung zu stehen und erleichtert  in der Regel auch der anderen Person, die Trennung zu akzeptieren.

Egal, ob du die Freundschaft aktiv beendet hast oder sie im Streit zerbrochen ist, nimm dir die Zeit für eine Trauerphase. Wenn wir eine wichtige Person verlieren, ist das immer schwierig und es kann so eine Art Liebeskummer aufkommen, weil wir die andere Person vermissen, weil wir melancholisch an die guten Zeiten denken, oder auch, weil wir die Entscheidung infrage stellen: »Hätte ich mich doch anders verhalten sollen?« 

Auch eine umfassende Rückschau auf die Freundschaft kann dir dabei helfen, besser damit abzuschließen.

  • Was war gut?
  • Was war nicht so gut?
  • Wofür bist du dankbar?
  • Was wünschst du dir für zukünftige Freundschaften?

Ein ehrlicher und wertschätzender Blick zurück hilft, das Ende besser anzunehmen und sich auf die Zukunft vorzubereiten.

Um in der Zeit nach dem Ende einer Freundschaft nicht in ein schwarzes Loch zu fallen, ist es wichtig, eine möglichst positive Vision der Zukunft ohne die andere Person zu entwickeln. Überleg dir, wie du den aktuell leeren Raum neu füllen möchtest: mit Zeit für dich, mit anderen Menschen, mit Zeit für neue Aktivitäten? 

Jetzt, im Zuge einer Veränderung in den nahen Beziehungen, ist also ein besonders guter Anlass, sich mit der Frage zu beschäftigen, die uns ohnehin ein Leben lang begleitet: Mit was und mit wem will ich meine Zeit verbringen? Wo liegen meine Prioritäten?

 

 

Quellen:

  • Ulrike Scheuermann: Freunde machen gesund – Die Nummer 1 für ein langes Leben: deine Sozialkontakte. Knaur Balance, 2021.
  • Tina Soliman: Ghosting. Vom spurlosen Verschwinden des Menschen im digitalen Zeitalter. Klett-Cotta, Stuttgart 2019 
  • Reader’s Digest Deutschland: Den Partner auszuspannen, ist unverzeihlich. Repräsentative Umfrage Meinungsforschungsinstitut Emnid (2012): https://www.presseportal.de/pm/32522/2329721
  • MacCarron, P./Kaski, K./Dunbar, R.I.M. „Calling Dunbar’s Numbers“. In: Social Networks 47 (2016): 151-155.
  • Dunbar, R.I.M. „The Anatomy of Friendship“. In: Trends in Cognitive Sciences 22, Nr. 1 (2018): 32-51.     (Hier stellt Dunbar noch mal sehr explizit die Beziehungskreise vor)
  • Schröder, M. „Wann sind wir wirklich zufrieden. Überraschende Erkenntnisse zu Arbeit, Liebe, Kindern, Geld.“ München: Bertelsmann 2020: 125-130. 

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