Neue Denkgewohnheiten aufbauen: Interview mit Diane Hielscher

Wie wir mithilfe von Neuroplastizität unser Mindset positiv verändern können

1.    Welche Gedanken bei uns Stress auslösen

Redaktion: Liebe Diane, erkläre uns zunächst doch mal, welche Arten von Informationen und Gedanken, die wir täglich aufnehmen, deiner Meinung nach Stress verursachen und warum das der Fall ist.

Diane Hielscher: Noch nie vorher in der Menschheitsgeschichte hatten Menschen die Möglichkeit, von so vielen Katastrophen und Krisen auf der Welt zu erfahren wie wir. Wir wissen, wenn in Russland ein Dissident im Arbeitslager stirbt, wie es den Kindern im Gazastreifen geht, wie die alten Leute ohne Strom im Bunker in der Ukraine sitzen, wir wissen, dass Eisbären sterben, Schildkröten an Plastik ersticken und Wälder in Brasilien brennen.

Jeden Tag prasseln schreckliche Meldungen auf uns ein und wir haben keine Möglichkeit, das zu verarbeiten. Wir haben keine Möglichkeiten, etwas an all dem zu ändern, das ist alles weit weg und teilweise auch erst einmal wahnsinnig komplex zu verstehen. Wie soll ich mich denn einbringen, wenn ich gar nicht verstehe, warum manche Sachen überhaupt passieren?

Zusätzlich füttern wir unseren Geist aber auch noch mit Instagram und werden neidisch, wenn wir denken, alle anderen hätten ein besseres Leben als wir. Wir gucken Thriller, Krimis und Dramen und all das sorgt konstant dafür, dass wir Stresshormone ausschütten. Wir halten uns den ganzen Tag in einem Zustand des lebensbedrohlichen Stresses.

Das, was unsere Vorfahren nur gefühlt haben, wenn tatsächlich Gefahr drohte, fühlen wir den ganzen Tag und wundern uns dann, warum wir so ausgelaugt sind.

Wenn ich ständig müde, gestresst und überfordert bin, fühle ich mich automatisch hilflos und bin pessimistisch.
Diane Hielscher

2.    Wie sich negative Denkmuster auf uns auswirken

Redaktion: Wie manifestiert sich dieser Stress in Form von negativen Gefühlen? Gibt es spezifische Muster oder Auslöser, die uns in diese Zustände bringen?

Diane Hielscher: Die ganze Zeit in Alarmbereitschaft zu sein macht uns müde, wir sind überfordert, wir sind ausgebrannt von all dem Input, der auf uns einprasselt, wenn wir ihn lassen. Wir stoßen pausenlos Stresshormone wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin aus. In Gefahrensituation ist das alles gut und hilfreich, weil es uns wach, bereit zum Kampf und lebendig macht.

Aber wenn wir nie aus diesem Anspannungszustand herauskommen, werden wir krank. Wir knirschen nachts mit den Zähnen, kriegen Migräne, Verspannungen in Nacken und Schultern, wir atmen flach. Und wohlgemerkt: wir machen das Meiste davon selbst! Mit Doom-Scrolling, Insta checken, TikTok-Videos gucken, News-Seiten aufrufen, noch schnell was googeln, gucken, ob er geantwortet hat oder sie auf die E-Mail reagiert hat.

Wir selbst halten uns konstant unter Stress und das hat Folgen auf unsere körperliche und mentale Gesundheit, unser Denken und Fühlen:

  • Es schwächt unser Immunsystem.
  • Wir werden dünnhäutiger, sind schneller auf 180.
  • Dementsprechend haben wir auch weniger Kapazitäten, um uns um andere zu kümmern, empathisch zu sein und etwas Anderes im Blick zu haben als unseren eigenen Vorteil. 
  • Wenn ich ständig müde, gestresst und überfordert bin, fühle ich mich automatisch hilflos und bin pessimistisch. 
  • Ich verliere meine Selbstwirksamkeit, das heißt, ich habe das Gefühl, dass ich gar nichts ausrichten kann.

3.    Zusammenhang zwischen negativen Nachrichten und Neuroplastizität

Redaktion: Würdest du sagen, dass unsere konstante Konfrontation mit negativen Nachrichten oder stressigen Situationen zu neuroplastischen Veränderungen in unserem Gehirn führt? Wenn ja, wie?

Diane Hielscher: Wir formen unser Gehirn ständig und mit allem, was wir tun. Und wir haben unser Gehirn schon immer geformt, auch als Kinder – da ganz besonders. Deswegen sind Glaubenssätze, die wir als Kinder gebildet haben, so stark ausgeprägt. 

Wenn uns Lehrer:innen und unsere Eltern immer wieder gesagt haben, dass wir nicht gut in Mathe sind, dann ist diese Autobahn sehr stark und vierspurig in unserem Gehirn ausgebaut und auf dieser Grundlage operieren wir dann.

Und wenn wir zu viele Nachrichten sehen, ohne dass sie eine Lösung anbieten oder eine Möglichkeit für mich, mich einzubringen oder etwas beizutragen, verfestigt sich die Autobahn, dass ich all dem Unrecht dieser Welt völlig hilflos ausgeliefert bin und dass ich keine Möglichkeit habe, irgendetwas zu tun. Wir lernen, dass uns unser Leben passiert, anstatt dass wir es gestalten. Und damit sind wir auf dem Weg hin zu einer Depression. Hilflosigkeit macht depressiv.

Oft sind wir den ganzen Tag damit beschäftigt, darüber zu sprechen und nachzudenken, was alles nicht gut ist.
Diane Hielscher

5.    Methoden für ein gesundes Mindset

Redaktion: Welche Methoden oder Techniken schlägst du vor, um die Art des Inputs, der täglich an unsere Seele gerät, zu verändern und so einen gesunden Neuroplastizitätsprozess zu fördern?

Diane Hielscher: Im ersten Schritt können wir gucken, was wir jeden Tag wie und wann in unseren Geist rein lassen und uns mal ein paar Tage beobachten.

Die meisten Menschen checken direkt nach dem Aufwachen sofort alle Nachrichten, Mails und DMs. Das heißt, in den ersten Sekunden des Tages beginnen wir sofort damit, auf die Welt zu reagieren, anstatt intentional zu filtern, was in unseren Geist kommt.

Zack haben wir Stress mit einer Kollegin rein gelassen, schlechte Nachrichten, den Liebeskummer des Nachbarn oder die Krebserkrankung des Lieblingsschauspielers. So beginnen wir den Tag wie eine Flipperkugel, die von Dingen, die außerhalb von uns passieren, rumgeschubst wird. Wir werden direkt im Bett überflutet von Informationen, die negative Gefühle auslösen.

Weiter geht’s mit den News aus dem Radio, beim Zähneputzen oder im Auto. Dann nörgeln womöglich noch Kolleg:innen rum, lästern, jammern und beschweren sich. Weiter geht’s mit Missständen im Betrieb oder im Büro: Das Essen in der Kantine schmeckt nicht, das Wetter passt nicht, das Kind spurt nicht. Oft sind wir den ganzen Tag damit beschäftigt, darüber zu sprechen und nachzudenken, was alles nicht gut ist.

Da können wir achtsam hingucken und aussortieren. Was können wir stattdessen tun?

  • vielleicht erst mal ein Glas Wasser trinken nach dem Aufstehen 
  • sich was Schönes für den Tag einplanen
  • drei Dinge aufschreiben, für die man dankbar ist
  • eine kleine Atemübung machen
  • ein bisschen dehnen
  • am offenen Fenster ganz bewusst den Kaffee genießen 
  • sich ganz bewusst überlegen: Was lasse ich heute rein? Wann checke ich die Weltlage und wie lange?

Du kannst dir zum Beispiel folgende Fragen stellen:

  • Will ich heute vielleicht eine Runde im Park spazieren, anstatt mit den Kolleg:innen zu lästern? 
  • Mag ich heute Abend vielleicht lieber ein Buch lesen, anstatt den Krimi zu schauen?
  • Kann ich vielleicht eine »Good-News-Seite« bei Instagram abonnieren, damit ich auch mitkriege, wenn etwas Schönes passiert in der Welt?

Wenn wir ganz bewusst hinschauen, werden wir tausend Möglichkeiten finden, unsere Stresshormone zu verringern.

Schreibe dir gerne folgende Anker auf einen Zettel:

  • Sport
  • Kreativität
  • Meditation
  • Lesen
  • Lernen

Wenn du mal wieder in der Negativschleife gefangen bist, schaue auf den Zettel und überlege, ob du einer dieser Tätigkeiten gleich nachgehen kannst.

Wenn wir achtsam auf den Input achten, den wir in unseren Geist lassen, sind wir gesünder, fitter und haben mehr Lust, die Welt um uns herum und damit die Zukunft selbst aktiv mitzugestalten.
Diane Hielscher

6.    Praxis-Beispiele aus dem Alltag von Diane Hielscher

Redaktion: Könntest du ein Beispiel aus deinem eigenen Leben oder deiner Arbeit als Autorin nennen, in dem du diese Prinzipien angewendet und bemerkenswerte Veränderungen erlebt hast?

Diane Hielscher: Seitdem ich ganz bewusst darauf achte, was ich in meinen Geist lasse, geht es mir so viel besser! Ich habe mehr Energie, mehr Kapazitäten, um das zu tun, was mir wirklich wichtig ist, ich bin fokussierter, lösungsorientierter und besser gelaunt.

Und ich habe mehr Energie und Begeisterung, meine Träume zu verwirklichen. Zum Beispiel eine neue Streaming-Plattform, die genau auf diesem Wissen beruht, auf der es Inhalte gibt, die berücksichtigen, was wir brauchen und was uns guttut.

Wir können nämlich unsere Synapsen auch auf Lösungen trainieren, unser Gehirn Richtung Hoffnung, Mut und Begeisterung trainieren. Genauso wie wir uns gerade kollektiv ängstlich und hoffnungslos trainieren, geht das auch in die andere Richtung.

Wenn ich zum Beispiel viele Bücher lese, Podcasts höre und Filme gucke über Menschen, die ihre Träume verwirklichen, fühle ich selbst immer mehr, dass es für mich auch möglich ist. Ich trainiere meine Synapsen dann dazu, es selbst auch einfach mal zu probieren und Neues zu wagen.

Aufzupassen, was man rein lässt, heißt auch nicht, dass ich mich nicht für die Welt interessiere. Ich höre die Nachrichten im Radio, wenn ich dazu bereit bin. Das nimmt mich trotzdem emotional mit, aber ich fühle mich nicht mehr »von der Welt überrollt«.

Ich lese viel über Lösungen, positive Psychologie, tausche mich mit Leuten aus, die Ideen und Visionen haben, lese Bücher von Menschen, die etwas beitragen zu dieser Welt. Ich richte meinen Fokus auf Lösungen und gute Ideen, statt auf Probleme und Negatives.

Wenn wir achtsam auf den Input achten, den wir in unseren Geist lassen, sind wir gesünder, fitter und haben mehr Lust, die Welt um uns herum und damit die Zukunft selbst aktiv mitzugestalten.

Wir haben gerade so viele Probleme, wenn jeder seine eigene Begeisterung einbringt und das macht, was er oder sie gut kann, für eine bessere Zukunft, kann die Welt in fünf bis zehn Jahren völlig anders aussehen.

Wenn du noch tiefer einsteigen möchtest in die »Gedanken-Arbeit« schau doch auf meiner multimedialen Plattform »LifeXLab« vorbei. Hier findest du Lernprogramme, Kurse, Dokumentationen, Portraits und Podcasts zum Thema Neuroplastizität und neuem Denken. Dabei geht es um Fragen, wie

  • Wie funktioniert unser Gehirn und wie können wir es besser nutzen, um Stress zu vermeiden? 
     
  • Welche Werte sind dir wichtig, wie kannst du nachhaltig Geld investieren oder bessere Präsentationen halten? 
     
  • Was können wir jeden Tag für ein gesundes Gehirn tun und wie finden wir im Alltagswahnsinn unsere Selbstwirksamkeit?

Ich würde mich freuen, wenn du vorbeischaust.

 

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