Burn On: Was tun bei Erschöpfungsdepression?

Das Burn-Out-Syndrom ist von Symptomen gekennzeichnet, die durch unbewältigten, nachhaltigen Stress, z.B. am Arbeitsplatz, entstanden sind: Betroffene erleben Gefühle der Erschöpfung, eine Zunahme mentaler Distanz und eine negative Haltung zur Arbeit sowie ein verringertes berufliches Leistungsvermögen.

Während bei einem Burn Out die Flamme irgendwann ausgeht, brennen Betroffene beim Burn On dauerhaft für ihre Arbeit – bis sie irgendwann verglühen und rückblickend feststellen, dass ihr Leben an ihnen vorbeigezogen ist.

 

Burn On: Symptome einer Erschöpfungsdepression

Die gedankliche Fixierung auf das Professionelle ist ein zentrales Symptom des Burn On. Arbeit und Arbeitsfähigkeit stehen an erster Stelle, während sich alles andere unterordnen muss. Betroffene der chronischen Erschöpfungsdepression »funktionieren« einfach: Eigentlich ist ihnen schon lange alles zu viel und trotzdem machen sie einfach weiter. Beim Burn On ist das Verhalten geprägt von Hyperaktivität und gleichzeitiger Lähmung. 

Ein Burn On droht Menschen, die sich und ihr Leben beruflich wie privat vollkommen einem strengen Arbeitsmodus und harten Leistungsprinzipien unterwerfen. Das kann abhängige oder zwanghafte Züge annehmen und für depressive Episoden und Angstzustände sorgen, gerade dann, wenn es nach außen so aussieht, als sei alles perfekt. 

In diesen schmerzhaften Spagat aus Stolz über das Erreichte und Scham über Verpasstes kommt man nur sehr allmählich hinein und nur sehr schwer wieder heraus. So jagen Burn-On-Patient*innen unaufhörlich dem Gefühl nach, dass alles gut sein könnte, wenn man sich nur noch mehr anstrengt. Sie schaffen es nicht mehr, echte Zufriedenheit zu verspüren. 

 

Selbsthilfe bei chronischer Erschöpfungsdepression

Burn-On-Patient*innen müssen und wollen etwas verändern, obwohl sie vordergründig bestens »funktionieren« und meist auf der Gewinnerseite stehen. Sie müssen innere Spielräume und eine eigene Freiheit zurückgewinnen, indem sie sich von der Selbst- und Fremdausbeutung im (Job-)Alltag freimachen und sich selbst einen höheren Wert beimessen.

Natürlich kann niemand über Nacht erlernte Muster verändern, besonders nicht jene, die seit Jahren oder sogar Jahrzehnten bestehen. In diesem Fall ist der Weg das Ziel. Eine gesunde Selbstentwicklung hört nie auf, sondern bleibt immer ein Prozess. Das erfordert Geduld und Konsequenz, stärkt aber dein Selbstverständnis und lässt dich Herausforderungen bestehen, auch wenn es einfacher wäre, in alte Gewohnheiten zurückzufallen.

Ein paar Übungen können dir dabei helfen, dich immer wieder auf den richtigen Weg und so langfristig aus der Erschöpfungsdepression zu führen – oder diese erst zu verhindern.

Was hilft bei Erschöpfungsdepression? Behandlung und Vorbeugung

 

1. Übung: Was sind deine Werte? 

Werteorientiertes Handeln stiftet Sinnerleben, Vitalität und Lebensfreude. Sie können Klarheit schaffen: Was ist dir wichtig im Leben? Zwar können diese Werte nie zu 100 Prozent erreicht werden – darum geht es auch nicht. Doch du kannst sie als eine Art Kompass verstehen, an dem du dein Verhalten ausrichtest. 

Ein Anzeichen von Burn On und chronischer Erschöpfungsdepression ist eine schleichende Entfremdung von persönlichen Werten und Zielen – stattdessen funktionieren die Betroffenen (besonders im Beruflichen) nur noch. Umso wichtiger ist es, dich zu fragen, was deine eigenen Werte und Ziele sind. Wenn du diese in dein Leben integrieren kannst, wirst du zufriedener, resistenter und kannst fast automatisch besser mit Krisen umgehen

Eine Tabelle, in der du zunächst deine allgemeinen Werte aufschreibst (etwa Familie, Partnerschaft, Beruf, Kreativität, Freizeit, Gesundheit), kann helfen: Bewerte jeden Bereich (0 ist unwichtig, 10 ist sehr wichtig). Schätze anschließend ein, wie viel Energie du in letzter Zeit in die jeweiligen Bereiche investiert hast.

Wo ergeben sich Diskrepanzen und wo gibt es Übereinstimmungen in der Wichtigkeit? Welchen ersten kleinen Schritt kannst du gehen, um eine größere Übereinstimmung in den einzelnen Bereichen zu erlangen? 

Es geht darum, dass wir unsere Energie, und sei sie noch so begrenzt, für die für uns richtigen und wichtigen Dinge einsetzen. Tun wir das, sind wir zufriedener – und wahrscheinlich seltener von einer Erschöpfungsdepression und Burn On betroffen. 

Die Forschung geht von 20.000 bis 100.000 (unbewussten) Entscheidungen pro Tag aus.
Te Wildt & Schiele

2. Übung: Wie breche ich mit dem Burn-On-Spagat?

Dem schmerzhaften Spagat des Burn On liegen eingefahrene, innere Haltungsmuster zugrunde, die es aufzudecken gilt, infrage zu stellen und letztlich auszuhebeln. Nur so lässt sich das automatisierte Handeln, das bezeichnend für die Erschöpfungsdepression ist, unterbrechen.

Während sich äußere Umstände meist nicht so einfach verändern lassen, kannst du mit sogenannten „Gift-Sätzen“ innere Spielräume aufdecken. Wenn du dir bewusst wirst, dass du selbst die Entscheidungen triffst, kannst du dich auch leichter aktiv für etwas anderes entscheiden. 

Nimm dir für diese Übung ein leeres Blatt und schreibe folgende Satzanfänge auf: 

  • »Ich muss …«
  • »Ich darf nicht …«
  • »Ich kann nicht …«

Im nächsten Schritt füllst du deine persönlichen Regeln ein, zum Beispiel »Ich muss immer und überall erreichbar sein.« Lies dir diese Sätze genau durch und mach dir bewusst, welche Bedeutung diese Sätze für dein Leben haben. Wo kommen diese inneren Regeln her? 

Passe die Satzanfänge dann wie folgt an: 

  • »Ich muss …« wird zu »Ich entscheide mich dazu …«
  • »Ich erlaube mir nicht …«
  • »Ich möchte nicht …«

Wie verändern sich diese Regeln dadurch? Erfahrungsgemäß zeigen die Umformulierungen deine Eigenverantwortung auf, aber auch deine Flexibilität. Du musst an diesen Regeln nicht festhalten, sondern kannst neue schreiben. In vielen Fällen können wir uns unser »Ich« wieder bewusst machen: Ich selbst treffe diese Entscheidung. Somit wird dir klar werden, welchen Konsequenzen du dauerhaft aussetzen willst. 

 

3. Übung: Mit Achtsamkeit gegen die Erschöpfungsdepression

Das, was das Burn-On-Syndrom so gefährlich macht, ist seine schleichende Entwicklung. Der Automatismus von Verhalten und Entscheidungen, der Betroffene immer weitertreibt, führt über kurz oder lang zur Erschöpfungsdepression. Eine achtsame Selbstbeobachtung stellt einen wichtigen Schritt in der Veränderung dar.

Der Achtsamkeitsforscher Jon Kabat-Zinn erklärt: »Achtsamkeit bedeutet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen.« 

Wer achtsam ist, schaut sich quasi selbst beim Denken zu und bemerkt schneller, dass er oder sie gerade davor steht, einen automatisierten Entschluss zu fassen – und kann sich die Wertefrage stellen: Ist es das, was ich mir vorgenommen habe? Oder werde ich gerade von meinen inneren Automatismen angetrieben? 

Machst du dir den Moment bewusst (das gilt ebenso für bewusstes Essen, Stehen, Gehen), wirkt das erdend. Es geht bei dieser Achtsamkeitsübung nur darum, wahrzunehmen – ohne Bewertung, Veränderungsimpulse oder Imperativ. 

Die »Da-ist-Übung« hilft bei genau dieser Distanzierung vom Geschehen. Die Übung kannst du überall durchführen. Beginne einfach jeden deiner Sätze mit »Da ist …«: 

  • »Da ist der Gedanke, dass diese Übung komisch ist.«
  • »Da ist der Gedanke, dass ich nicht weiß, ob ich diese Übung richtig mache.«
  • »Da ist mein Herzklopfen und ein Gefühl der Anspannung.«
  • »Da ist eine schöne Erinnerung …«

 

Im Kern geht es darum, einfach im Hier und Jetzt zu sein – ohne auf alle inneren und äußeren Aufforderungen sofort reagieren zu müssen. Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie beschrieb es so: »Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.«

Diese drei Übungen sind erste Schritte, dich aus dem sinnbildlichen Hamsterrad zu holen und die Automatismen, die symptomatisch für das Burn-On-Syndrom sind, zu entlarven. Eine Erschöpfungsdepression – ob akut oder chronisch – musst du aber nicht selbst bewältigen.

Du kannst dir jederzeit Hilfe in Form einer ärztlichen Beratung oder Therapie holen, um nachhaltig deinen Verhaltensmustern auf die Schliche zu kommen und sie zum Positiven zu verändern. Wie bereits erwähnt: Der Weg ist das Ziel.


 

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