Richtig atmen lernen: Darum ist die Atmung so wichtig
Wie unsere Atmung funktioniert und wie wir sie verbessern
Die meisten von uns werden atmen, ohne groß darüber nachzudenken. Der Körper weiß automatisch, was zu tun ist. Doch nicht jede Atmung ist gleich – und gleich gut. Denn wie wir atmen, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Bei uns erfährst du, wie unsere Atmung funktioniert, wie man richtig atmet und welche Vorteile die richtige Atmung für unsere Gesundheit hat.
Wie funktioniert die Atmung?
Mit der Atmung werden alle Zellen in unserem Körper mit Sauerstoff versorgt. Der Sauerstoff wird für die Stoffwechselprozesse in den Zellen gebraucht. Bei diesen Prozessen entsteht Kohlendioxid, das wieder aus dem Körper ausgeschieden wird.
Die wesentlichen Vorgänge beim Atmen sind die Ein- und die Ausatmung, dazwischen können kleine Atempausen liegen. Bei einer natürlichen und entspannten Atmung im Ruhezustand ist die Ausatmung in der Regel etwas länger als die Einatmung, danach folgt eine kurze Pause. Für die normale Einatmung im Ruhezustand, also wenn wir uns körperlich nicht anstrengen, ist normalerweise allein das Zwerchfell als wichtigster Atemmuskel aktiv. Die natürliche Ausatmung im Ruhezustand geschieht dann durch die einfache Entspannung der Muskeln, die die Einatmung bewirkt haben – also ohne jede Anstrengung. Das Atmen ist also ein Anspannen und Loslassen des Zwerchfells.
Atemtypen: Brustatmung vs. Bauchatmung:
- Bei der Bauchatmung hebt und senkt sich das Zwerchfell, beim Einatmen wölbt sich die Bauchdecke nach außen und senkt sich beim Ausatmen wieder.
- Bei der Brustatmung wiederum heben und senken sich durch die Arbeit der Zwischenrippenmuskeln der Brustkorb und die Rippen.
Oft ergänzen sich beide Atemformen, in Ruhe dominiert aber die Bauchatmung, während in Stresssituationen oder bei Anstrengung wie z.B. bei sportlicher Aktivität die Brustatmung zunimmt.
Das Problem vieler Menschen ist, dass sich falsche Atemmuster eingeschlichen haben, die eine natürliche, entspannte Bauchatmung erschweren. Dann kann das Ausatmen nicht mehr richtig gelingen, weil sich eine Härte im Bauchraum bemerkbar macht. Oder die Atemzüge beim Einatmen sind gewohnheitsmäßig sehr tief, sodass das Gefühl entsteht, beim natürlichen, entspannten Atmen (wie oben beschrieben) nicht genug Luft zu bekommen.
Zur Orientierung: Ein Erwachsener benötigt im Ruhezustand etwa fünf Liter Luft pro Minute für einen guten Atemprozess. Dazu genügt es, acht- bis zwölfmal normal ein- und auszuatmen, wobei jeder Atemzug ungefähr einen halben Liter Luft ausmacht.
Wenn die Atmung anstrengend ist, setzt du womöglich mehr Kraft ein als nötig, engagierst also die Atemmuskeln stark und damit bleibt weniger Energie für anderes frei. Im Extremfall benötigen die Atemmuskeln bis zu 30 Prozent der Gesamtenergie. Atmest du dagegen ruhig und sanft, ist nur eine geringfügige Bewegung des Zwerchfells erforderlich, um die ganze Atemarbeit mit einem Minimalaufwand von Energie zu bewerkstelligen. Kurz: Richtig atmen heißt, mit optimalem Energieeinsatz zu atmen.
Falsche Atmung: Symptome
Falsche Atmung kann auf Dauer tatsächlich zu körperlichen Symptomen führen. Dazu gehören:
- Müdigkeit
- Konzentrationsschwäche
- Kopfschmerzen
- Verspannungen, vor allem im Nackenbereich
- Bauchschmerzen durch Überstrapazieren des Zwerchfells
- Schwindel
- Atemnot
Deswegen ist es wichtig, sich die eigene Atmung bewusst zu machen und zu beobachten, ob die oben genannten Symptome vielleicht auf falsche Atmung zurückzuführen sind, besonders, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg auftreten.
Mund oder Nase? Die richtige Atmung
Die Mundatmung sollte generell der Ausnahmefall bleiben, die Nasenatmung dagegen die Regel, am Tag und in der Nacht. Allerdings gewöhnen sich viele an, häufig durch den Mund zu atmen, womöglich auch, weil die Nase chronisch entzündet oder verengt ist.
Dabei erfüllt die Nase essenzielle Aufgaben im Atemprozess. Wenn es um die Gesundheit geht, gilt: Alle Atemübungen nutzen nichts, wenn die Nasenatmung nicht zur Gewohnheit wird.
Die Nase reinigt, erwärmt und befeuchtet die Atemluft. So können Atemwege und Lunge vor kalter, trockener und verschmutzter Luft geschützt werden. Das ist wichtig, da vor allem Schmutzpartikel tief in die Lunge eindringen können – und was in die feinen Lungenbläschen gelingt, kann dort nicht wieder heraus. Die Luft muss also vorbereitet werden, bevor sie in die tiefen Strukturen der Lunge einströmt. Diese kleine Umstellung von Mund- auf Nasenatmung kann schon zu Verbesserungen bei Asthma und Allergien helfen und sogar Symptome von chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung lindern. Auch hilft Nasenatmung, mehr innere Ruhe zu finden.
In den Nasennebenhöhlen wird außerdem Stickstoffmonoxid gebildet (chemisch NO). Diese Substanz sorgt dafür, dass eindringende Bakterien, Pilze und Viren neutralisiert werden. NO weitet außerdem die Blutgefäße, senkt den Blutdruck, verbessert die Durchblutung, stärkt das Nervensystem, sterilisiert Keime und bekämpft Entzündungen.
Die Atmung ist also ein systemisches Geschehen: Jede Zelle des Körpers ist davon unmittelbar abhängig und betroffen. Die Auswirkungen von Symptomen, wenn die Atmung dysfunktional ist, sind ebenso groß. Die richtige Atmung ist also eine Voraussetzung für die Gesundheit im ganzheitlichen Sinne.
Wie atme ich richtig?
Dr. Ralph Skuban definiert in seinem Buch »Richtig atmen« die »Big 5 der gesunden Atmung«.
Eine gesunde Atmung im Alltag:
- geht rund um die Uhr durch die Nase und nur im Ausnahmefall durch den Mund
- bewegt sich in die Tiefe, also nach unten, getragen vom Zwerchfell (die Brustatmung hilft nur als ein »Zusatzmotor«, wenn es richtig anstrengend wird)
- ist im Ruhezustand langsam (vielleicht acht, zehn oder zwölf Atemzüge in der Minute, keinesfalls aber 18, 20 oder mehr)
- ist unangestrengt (die Ausatmung ein entspanntes Loslassen, die Einatmung ein Zurückkommen, das man nur zulassen muss, nicht aber machen)
- sollte sich in den meisten Alltagssituationen leise vollziehen (im Idealfall hörst du noch nicht einmal dich selbst atmen)
Dysfunktional ist die Atmung wiederum, wenn:
- der Mund im Alltag häufig am Atmen beteiligt ist
- es schwerfällt, in die Ausatmung zu entspannen
- die Atembewegung auch im Ruhezustand viel im Brustraum stattfindet
- sie beschleunigt ist
- man im Ruhezustand Atemgeräusche hört
Solltest du diese Muster bei dir beobachten, kann dir eine einfache Übung dabei helfen, wieder zur richtigen Atmung zurückzufinden.
Richtig atmen lernen: eine einfache Übung
- Setz dich bequem mit aufrechtem, entspanntem Oberkörper hin. Lege eine Hand auf die Brust und die andere auf den Bauch, am besten etwas oberhalb des Bauchnabels. Dort kannst du das Auf und Ab des Zwerchfells gut spüren.
- Achte jetzt auf die Atmung im Brustraum: Nimm wahr, ob sich der Brustkorb beim Ein- und Ausatmen leicht hebt und senkt.
- Verlagere die Wahrnehmung jetzt zur unteren Hand und der Bewegung, die dein Atem im Bauchraum auslöst: Die Bauchdecke hebt sich beim Einatmen und senkt sich beim Ausatmen.
- Nimm jetzt beide Bereiche für ein paar Atemzüge gleichzeitig wahr.
- Bringe nun den oberen Atemraum zur Ruhe: Die Brust wird still und alle Atembewegung kommt nur noch aus dem unteren Atemraum, dem Bauch.
- Versuche, bewusst bei der Ausatmung zu entspannen. Lass dich sanft ins Ausatmen sinken. Versuche, die Einatmung von selbst kommen zu lassen, ohne, dass du aktiv etwas tust.
Falsche Atmung & Psyche
Unsere Atmung und unser Nervensystem sind eng miteinander verbunden. Das vegetative Nervensystem ist verantwortlich für Prozesse, die unbewusst ablaufen, also nicht von uns gesteuert werden können. Dazu gehören bspw.:
- Verdauung
- Stoffwechsel
- Herzschlag
- Sauerstoffaufnahme
Gesteuert wird das vegetative Nervensystem von Sympathikus und Parasympathikus.
Der Sympathikus erhöht bei Gefahr (in unserer modernen Gesellschaft vor allem Stress) Herzschlag und Atemfrequenz und verbessert die Durchblutung. So sind wir evolutionär gesehen bereit für Flucht oder Verteidigung. Gleichzeitig hemmt der Sympathikus Vorgänge wie Verdauung, da sie im Falle von Gefahr nicht hilfreich sind. Sind wir entspannt, verlangsamt der Parasympathikus den Herzschlag und unsere Atmung beruhigt sich. Unser Körper hat Zeit, unsere Organfunktionen in den Vordergrund zu stellen.
Umgekehrt kann die Atmung auch Sympathikus und Parasympathikus aktivieren. Falsche Atmung, z.B. zu flach und zu schnell, kann den Sympathikus aktivieren und so für körperlichen Stress sorgen. Das kann zu Unruhe, Angstgefühlen oder sogar Panikattacken führen. Genauso kann bewusste Atmung aber auch zu Entspannungszuständen führen.
Übungen zur Atementspannung
Es gibt verschiedene Atemübungen, die in akuten Situationen zu körperlicher und seelischer Entspannung beitragen können. Viele sind mittlerweile weit verbreitet, sei es im Rahmen von Meditation oder zu Beginn oder als Abschluss einer Sporteinheit, aber auch als erste Hilfe in stressigen Situationen oder bei Panikattacken.
Die Wim-Hof-Atmung
Die Wim-Hof-Atemtechnik gilt als eine Methode, um Wohlbefinden und Gesundheit zu steigern. Die Übung besteht aus drei oder vier Atem-Zyklen mit einer Gesamtdauer von etwa 20 Minute und hilft, die Biochemie im Körper von sauer auf basisch zu verändern – so kann der Körper von Stoffwechselschlacken gereinigt und somit die Hauptursachen für Entzündungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen gelindert werden.
Die 4-7-8-Atmung
Diese Atemtechnik versetzt den Körper in einen Entspannungszustand und hilft daher auch gut, um schneller einzuschlafen. Dabei wird zunächst alle Luft aus dem Körper durch den Mund ausgeatmet. Dann atmet man für vier Sekunden durch die Nase ein, hält die Luft dann sieben Sekunden an und atmet hörbar durch den Mund für acht Sekunden wieder aus.
Die Boxatmung
Die Boxatmung hilft, Stress zu verringern, das Nervensystem zu beruhigen und den Fokus zu verbessern. Dabei steht ein gleichmäßiger Rhythmus im Fokus: Vier Sekunden durch die Nase einatmen, vier Sekunden halten, vier Sekunden durch Nase oder Mund ausatmen, vier Sekunden halten. Wie eine Box mit vier gleich langen Seiten.
Die 4-6-Atmung
Die 4-6-Atmung hilft dir in akuten Stress- und Paniksituationen, schnell zur Ruhe zu kommen. Denn wenn du gestresst bist, ist deine Atmung meist sehr flach und schnell. Mit der 4-6-Atmung beruhigt sich dein Atem wieder. Wie der Name vermuten lässt, atmet man bei der Übung vier Sekunden lang ein und sechs Sekunden lang aus.
Fazit: Richtige Atmung ist wichtig für unsere Gesundheit
Wir atmen ganz von alleine – doch die richtige Atmung haben viele von uns verlernt. Für unsere Gesundheit ebenso wie für unser Wohlbefinden ist genau diese jedoch essenziell.
- Die richtige Atmung erfolgt durch die Nase. Mundatmung sollte die Ausnahme bleiben.
- Im entspannten Zustand findet die Atmung vor allem im Bauchraum statt. Die Brustatmung kommt bei größerer Anstrengung unterstützend dazu.
- Mit der richtigen Atmung können wir nicht nur alle unsere Zellen ausreichend mit Sauerstoff versorgen und Infektionen sowie anderen Krankheiten vorbeugen. Übungen wie die Boxatmung oder 4-7-8-Atmung können gezielt unser Nervensystem beruhigen, beim Einschlafen helfen oder unseren Fokus schärfen.
- Spezielle Atemübungen zur Entspannung sind zweitrangig, wenn die natürliche Atmung falsch ist. Deswegen ist es wichtig, auf die Grundlagen zu achten und die richtige Atmung (wieder) zu erlernen.