Samhain: Ahnen ehren mit Ahnenmeditation

Nass kleben die letzten Blätter an den schwarzen Ästen. Nebel zieht gespenstisch über die Felder und schafft eine zwielichtige Stimmung in der Dämmerung. Nun ist er da, der November, und mit ihm verändert sich schlagartig die Atmosphäre in der Natur.

 

Vergänglichkeit leben

Der November erinnert uns daran, dass der Kreislauf nun zu Ende geht, bevor er wieder von Neuem beginnt. Dieser beständige Prozess des Wandels, des Werdens und Vergehens ist völlig natürlich. Alles kommt und geht. Nichts bleibt. Alles wandelt sich. Aus dem, was war, entsteht etwas Neues. In der Natur geht nichts verloren, sie erneuert sich in einem ewigen Kreislauf.

Und manchmal, wenn wir am Ende unseres Weges stehen, kann es tröstlich sein, unser Einssein mit der Natur und mit diesem ewigen Kreislauf wirklich tief zu fühlen und zu sehen, alles war und ist gut, wie es ist. Dem Fallen der Blätter zuzuschauen oder dem winterlichen Zug der Kraniche und zu wissen, alles hat seine Zeit, kommt, bleibt eine Weile und vergeht schließlich.

 

Die Magie von Samhain

Der Totenmonat November fordert mit seinen Ahnen-Gedenktagen unsere bewusste Würdigung und unsere Auseinandersetzung mit der Endlichkeit. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November beginnt mit dem Toten- und Ahnenfest Samhain, das vielen heute besser als »Halloween« bekannt ist, eine besondere, magische Zeit, in der die Schleier zur Anderswelt sich lüften. 

Weil er uns die Endlichkeit des Lebens vor Augen hält, ist dieser Monat in unserem Entwicklungsprozess im Laufe des Jahres keine leichte, aber eine sehr wichtige Zeit. Erst wenn wir lernen, die Endlichkeit und den Tod zu würdigen, können wir auch das Leben voll schmecken. 

 

Alles kommt und geht. Nichts bleibt. Alles wandelt sich.
Maren Schneider

Unsere Vorfahren und alte naturverbundene Traditionen pflegten einen sehr lebendigen Umgang mit ihren Ahnen und dem Tod. Auch wir hatten früher einmal eine wesentlich unverkrampftere Einstellung dazu in unserer Gesellschaft. Doch seit immerwährende Jugend, Leistungsfähigkeit und Gesundheit hoch im Kurs stehen, betrachten wir die naturgegebene Endlichkeit eher als eine Form von Krankheit, die bekämpft oder ignoriert werden muss. 

Ich weiß nicht, wie du dich bisher mit diesen Themen auseinandergesetzt hast und wie du ihnen gegenüberstehst. In diesem Artikel möchte ich dir ein paar Anregungen geben, die Erlebnisse des Jahres zu verabschieden und die natürliche Endlichkeit sowie die Kraft deiner Ahnen in dein Leben zu integrieren.

 

Die Ahnen ehren – Segen und Verbindung spüren

Samhain ist ein altes keltisches Ahnen- und Totenfest und steht für den Beginn der dunkler werdenden Winterzeit. Laut der Überlieferung gilt diese Nacht als Tor zur Anderswelt und als keltisches Neujahr. Es schafft die Brücke zwischen den Lebenden und den Toten und macht die natürlichen Zyklen des Stirb und Werde der Natur sehr deutlich. Wir haben an diesen Tagen die Gelegenheit, uns ganz bewusst mit unseren Ahnen zu verbinden und um ihren Segen und ihre Unterstützung zu bitten.

Eine Verbindung zu deinen Ahnen kannst du beispielsweise herstellen, indem du auf einer Art Altar ein Bild von einem für dich wichtigen verstorbenen Menschen aufstellst. Das kann ein Verwandter sein, aber auch ein Mentor oder Lehrer, der oder die für dein Leben wichtig war. Schmücke diesen Platz mit Blumen und einer Kerze und vielleicht auch etwas Räucherwerk. Es erneuert unsere Verbindung, wenn wir morgens und abends diesen Platz besuchen, die Kerze entzünden und ein wenig Zwiesprache halten. Manchmal erhalten wir einen Rat oder liebevollen Zuspruch.

So hing lange Zeit ein Bild von meinem verstorbenen Lehrer gegenüber von meinem Leseplatz, und wann immer ich ihn ansah, schaute er mich auf eine besondere Weise an, mal gütig, mal verschmitzt, mal streng. Jeden Tag hatte er eine innere Botschaft für mich. In manchen Nächten träumte ich von ihm, und wir unterhielten uns. Er besuchte mich nur dann in den Nächten, wenn es gerade wirklich knifflig in meinem Leben war. Ich wusste das und schätze seinen Rat und seine Unterstützung sehr. Heute hängt dieses Bild in meinem Institut, und ich kann es von meinem Unterrichtsplatz aus sehen. Auch hier spüre ich seine Unterstützung, und das Foto schenkt mir Zuversicht und Kraft.

 

Weisheit und Lebenskraft der Ahnen

In der heutigen Zeit ist es nicht mehr gang und gäbe, dass wir ein gutes Verhältnis zu unserer Herkunftsfamilie pflegen. Gründe gibt es viele. Manchmal ist es gut und heilsam, den Kontakt ruhen zu lassen, doch es kann auch eine Zeit geben, in der sich dies verändern darf, sodass der Energiefluss wiederhergestellt werden kann und die losen Enden unserer Verbindungen wieder zusammengeführt und in Frieden heilen können. Auch wenn wir äußerlich eine Trennung vollzogen haben, wir sind mit allen Strängen unserer Herkunftsfamilie durch unsere DNA verbunden.

Jegliche Erfahrungen, das Gute und das Schlechte, Freude und Leid unserer Familie sind in uns wirksam. Wenn wir lernen, die familiären Themen zu erkennen und zu berücksichtigen, können wir in unserem gegenwärtigen Leben einen Umgang damit finden und transgenerationale Verletzungen heilen. Ich weiß, das ist nicht immer leicht. Aber es braucht auch nicht von heute auf morgen zu geschehen. Uns dem zuzuwenden und zu schauen, was in uns wirkt, ist ein Anfang.

 

Die Ahnenmeditation

Die folgende Meditation kann dir einen Weg bereiten, dich mit deiner Ahnenlinie wieder zu verbinden. Mach es dir dafür so gemütlich und behaglich wie möglich, damit du dich wohlig und geborgen fühlst. Achte darauf, dass dich in dieser Zeit niemand stört.

 

Angeleitete Ahnenmeditation von Maren Schneider

Komm in deiner bevorzugten Meditationshaltung zur Ruhe. Spüre, wie dein Atem ein- und ausfließt. Spüre deinen lebendigen Körper, so wie er jetzt gerade liegt oder sitzt, der von der Erde getragen und gehalten wird. 

Nun stell dir vor, du stehst in einem heiligen leuchtenden Kreis, der dir Schutz und Geborgenheit schenkt. Schau in die Vergangenheit, die Himmelsrichtung des Abends. Lass deine Eltern vor dir Gestalt annehmen. Schau, wie sie dich anblicken. Dahinter erscheinen deine Großeltern, dahinter deine Urgroßeltern und deren Eltern, deine Ururgroßeltern und so weiter. Vielleicht siehst du auch die Verzweigungen und Verbindungen zu anderen Sippen und Familien, ein Netzwerk – vielleicht klar bis zum Horizont aller Zeiten erkennbar oder nur schemenhaft, wie im Nebel, doch wissend, es ist da. 

Lass die Linie deiner Ahnen auf dich wirken und spüre in dich hinein, wie es sich anfühlt, mit ihnen verwandt und verbunden zu sein. Vielleicht kennst du von dem einen oder anderen spezielle Eigenschaften oder Besonderheiten. Vielleicht steht dir eine Person ganz besonders nahe, andere kennst du persönlich gar nicht. Das darf sein.

Mach dir bewusst, wie das Leben von ihnen immer weitergegeben wurde – bis zu dir. Sie haben geliebt, gelacht, gestritten, gearbeitet, ums Überleben gerungen und immer das Beste, was ihnen in dem Moment möglich war, zum Gelingen des Lebens beigetragen. Nimm das Wunder des Lebens und die Kraft und die Weisheit deiner Ahnen als ihr Geschenk an dich an. Doch all ihr Leiden, ihre eigenen Probleme und Unzulänglichkeiten sowie ihr Schicksal zu ihrer Zeit lass bei ihnen. 

Dreh dich nun so um, dass du in die Zukunft schaust, in die Himmelsrichtung des Morgens, und stell dir vor, wie deine Ahnen hinter dir stehen. Spüre, wie sie dich stärken. Fühle, wie die ganze Fülle der Lebens- und Überlebenskraft und Liebe durch alle Generationen bis zu dir fließt. Spüre, wie die Wellen der Lebensenergie in dich einströmen, nimm sie in dir auf, bis du vollständig genährt bist.

 

Dann bedanke dich mit einer wertschätzenden Verbeugung bei deinen Ahnen. Nun verabschiede dich und spüre dich wieder in deinem Kreis. Kehre bewusst in die Gegenwart zurück. Spüre deinen Atem, spüre deinen Körper und den Boden unter dir, recke dich und strecke dich und kehre bewusst zurück ins Hier und Jetzt.

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