Was ist Spiritualität? Spirituelle Erfahrungen im Leben

Früher schien der Begriff Spiritualität untrennbar mit Christentum, Buddhismus oder Hinduismus verbunden. Damit in Zusammenhang gebracht wurden gerne Lichterfahrungen, Erleuchtungsmomente oder außergewöhnlichen Erlebnisse, die das ganze Sein verändert haben. Wie alles, so hat sich auch die Sicht auf die Spiritualität gewandelt. Heutzutage grenzen Menschen den Begriff gerne von Religiosität ab. Während Religiosität primär mit kirchlichen Institutionen, religiösen Riten und Glaubensinhalten gleichgesetzt wird, meint Spiritualität etwas Persönliches. Etwas, was du selbst vielleicht schon einmal erfahren hast: ein Gefühl tiefer Verbundenheit.  

So weit so gut, aber was genau ist Spiritualität?

 

Die Welt der Spiritualität

Kennst du das Gefühl, dass du an einem wunderschönen Urlaubstag an einem Strand stehst und dich wunschlos glücklich fühlst? Vielleicht war es ein Moment, in dem du in die untergehende Sonne angeschaut hast, und plötzlich, von einem Moment auf den anderen, haben sich alle Grenzen aufgelöst. Du hast dich eins gefühlt mit allem – mit der Natur und dem Leben. Oder du bist auf einem Berggipfel oder im Wald gestanden und wusstest: Alles ist gut, so wie es jetzt ist. Kennst du solche Augenblicke? 

Solche Erfahrungen werden als spirituelle Erfahrungen beschrieben. Sie können dir auch auf dem Meditationskissen, der Yogamatte oder während des Tai-Chi oder Qigong passieren, quasi jederzeit und überall. Sie können dir auch dann passieren, wenn du kein Yoga machst und keinen Bezug zur Meditation hast. Solltest du dich mit Begriffen wie »Spiritualität«  und »spirituellen Erfahrungen«  schwer tun, so bist du nicht allein. Für Skeptiker hat der Diplompsychologe Ulrich Ott ein Buch veröffentlicht, in dem er versucht den Begriff Spiritualität zu beschreiben. Darin untersucht er Erfahrungen, die Menschen während der Meditationspraxis machen, und beschreibt, wie man mehr Verbundenheit erfahren kann.  

Spirituelle Erfahrungen sind vergleichsweise selten, aber wenn sie auftreten, hinterlassen sie oft einen nachhaltigen Eindruck.
Ulrich Ott

Spiritualität Bedeutung: Horizontale und vertikale Verbundenheit

Das Erlebnis von Verbundenheit als Kernmerkmal von Spiritualität wurde von Ott genauer untersucht. »Horizontale« Verbundenheit bezieht sich auf die soziale Mitwelt, auf die Natur und den Kosmos. »Vertikale« Verbundenheit bezieht sich auf ein höheres Wesen, das häufig als »Gott« bezeichnet wird. Es kann sich aber auch auf das eigene Selbst beziehen. Spirituelle Erfahrungen können auch passieren, während wir Sex haben. Das macht die Liebe auch so liebenswert: Die Verschmelzung mit dem Menschen, dem wir unser Herz geschenkt haben. 

Du siehst, Spiritualität ist also viel menschlicher, als du bislang angenommen hast. Um mehr von diesen Erfahrungen zu erleben, empfiehlt es sich, eine Meditationspraxis anzufangen. Erfahrungen der Verbundenheit im Alltag sind eher Glückssache und vergleichbar mit einem 6er im Lotto. Wer eine regelmäßige Meditationspraxis ausübt, hat hingegen die Chance, Spiritualität im Alltag zu erleben. 

 

Die 5 Dimensionen spiritueller Erfahrungen

Welche Arten von spirituellen Erlebnissen gibt es und was bringt Spiritualität überhaupt? Spirituelle Erfahrungen können sich in ihrer Tiefe und Dauer unterscheiden. So kann ein Moment der innigen Einheit mit einem Menschen, den du liebst, ein wunderbarer Vorgeschmack von dem sein, was Menschen erfahren, die über einen langen Zeitraum meditieren. 

Der Psychotherapeut und Meditationsforscher Harald Piron hat in mehreren Studien untersucht, was Meditierende erleben. Er hat festgestellt, dass sich ihr Bewusstsein von Spiritualität in unterschiedlichen Dimensionen von Tiefe anordnen lässt. Je tiefer die Dimension, desto losgelöster ist das Gefühl von der Identifikation mit dem Ich und von Raum und Zeit. 

  • Hindernisse: innere Unruhe, Schläfrigkeit, Langeweile, Motivations- und Konzentrationsschwierigkeiten
     
  • Entspannung: Wohlbefinden, ruhige Atmung, wachsende Geduld und innere Ruhe
     
  • Konzentration: achtsames Beobachten innerer Vorgänge ohne Anhaften, Erfahrung einer inneren Mitte oder eines Energiefeldes, Einsichten und Erkenntnisse, Gleichmut und innerer Frieden
     
  • Essenzielle Qualitäten: Klarheit, Liebe, Hingabe, Verbundenheit, Demut, Gnade, Dankbarkeit und Freude
     
  • Nicht-Dualität: kognitive Aktivitäten kommen vollständig zur Ruhe, Leerheit und Grenzenlosigkeit, Einssein mit allem, Transzendenz von Subjekt und Objekt

    Diese fünf Dimensionen machen deutlich, dass es sich lohnt, eine spirituelle Praxis zu beginnen. Hast du die Hindernisse einmal überwunden, wird es so richtig schön und interessant. Leider gibt es einen Wermutstropfen. Der heißt: dranbleiben. Es braucht regelmäßige Praxis, bis sich die verschiedenen Dimensionen in der Tiefe erfahren lassen. Aber es lohnt sich. 

 

Spiritualität lernen: Verschiedene Meditationstechniken

Um diese verschiedenen Arten von Spiritualität zu erfahren, braucht es eine Praxis, die zu dir passt. Es verhält sich hier fast so wie mit dem Kauf eines Autos: Auto ist nicht gleich Auto. Und Meditation ist nicht gleich Meditation. Hier findest du verschiedene Techniken, die dir einen Eindruck vermitteln, wie unterschiedlich Meditation sein kann. 

  • Meditationen mit Bewegung: Yoga, meditative Bewegungssequenzen, Gehmeditation
     
  • Körperzentrierte Meditation: BodyScan, Konzentration auf Chakren
     
  • Achtsames Beobachten: Sitzen oder Liegen in Stille, Beobachten der Gefühle und Gedanken
     
  • Kontemplation: Beschäftigung mit einer existenziellen Frage wie: „Wer bin ich?“ oder einem Paradoxon wie: „Wie klingt das Klatschen einer Hand?“
     
  • Visuelle Konzentration: Konzentration auf ein äußeres Objekt, wie zum Beispiel die Flamme einer Kerze oder eine innere Visualisierung
     
  • Affektzentrierte Meditation: Kultivieren von Mitgefühl, liebender Güte und anderen positiven Qualitäten
     
  • Mantra-Meditation: Wiederholen von Mantras

Vielleicht hilft dir auch dieser Selbsttest: Welche Meditationsart passt zu mir?

 

Solltest du dich oft einsam oder unverstanden fühlen, lohnt es sich umso mehr, eine Meditationspraxis zu beginnen. Früher oder später wirst du ein Gefühl der Verbundenheit erfahren – ein Gefühl der Verbundenheit mit deinem eigenen Herzen. 

Spiritualität als Teil der menschlichen Erfahrung ist also nichts „esoterisches“. Solche Erfahrungen schenken dir ein tiefes Gefühl der Verbundenheit mit dir selbst und mit der Welt. Du kannst sie zufällig machen, oder dich bewusst ausrichten, um sie zu erfahren. Meditationen eignen sich hierzu besonders gut. Alles, was es dazu braucht ist, dass du regelmäßig praktizierst. Hast du einmal die anfänglichen Hindernisse wie Schläfrigkeit und Langeweile überwunden, wirst du beschenkt mit Gefühlen der inneren Ruhe und tiefen Zufriedenheit. 

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