EMDR-Methode: Übungen für die Traumatherapie

Was ist EMDR?

EMDR bedeutet Eye Movement Desensitization and Reprocessing (zu Deutsch: Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen) und kann dir nachweislich dabei helfen, traumatische Erlebnisse aufzulösen. Die Traumatherapie ist international anerkannt als eine der effektivsten Methoden, wenn es um die Behandlungen von Traumafolgestörungen geht. 

Ursprünglich wurde die psychotherapeutische Methode für die Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) entwickelt. Mittlerweile wird sie aber auch bei weiteren psychischen Erkrankungen wie Schmerz- oder Angststörungen angewandt. 

Insbesondere traumatisch bedingte Schmerzen stehen häufig in einem Kontext von Angsterfahrungen.
Tesarz / Seidler / Eich in »Schmerzen behandeln mit EMDR«

Die erlebte Situation wird von den Betroffenen immer wieder gedanklich durchgespielt und entsprechend durchlitten. Dadurch wird der normale Alltag für viele von ihnen zur Herausforderung. 

Es wird angenommen, dass das Gehirn das Erlebte nicht korrekt verarbeiten und speichern kann, was auch als »dysfunktional gespeicherte Erinnerung« bezeichnet wird. Mittels Fingerbewegung, denen die Augen folgen, wird bei der Traumatherapie EMDR das Gehirn angeregt, das Erlebte korrekt zu verarbeiten und somit das Trauma aufzulösen. 

 

Wie funktioniert die Behandlung mittels EMDR? 8 Phasen

Bei der EMDR-Methode geht es um horizontale und sakkadische, also schnelle und kurze Augenbewegungen, die eine entlastende Wirkung haben sollen. Der Patient oder die Patientin durchlebt während der Therapiesitzung mithilfe des Therapeuten oder der Therapeutin erneut die belastende Situation. 

Die Behandlung wird meist in acht Phasen eingeteilt. Laut den Autoren Jonas Tesarz, Günter H. Seidler und Wolfgang Eich in »Schmerzen behandeln mit EMDR« entsprechen die beiden ersten und letzten Schritte dem üblichen Therapie-Vorgehen. Die übrigen Elemente werden eher spezifisch angewandt: 

1. Diagnostik 

Damit die Therapie Erfolg bringt, ist eine gründliche Anamnese und Vorbereitung wichtig. Hier macht sich der oder die Therapeut:in ein Bild über das traumatische Ereignis sowie die Symptomatik des/der Betroffenen. Auch die psychische und physische Stabilität des Patienten oder der Patientin wird überprüft sowie im Anschluss ein individueller Behandlungsplan erstellt.

2. Stabilisierungsphase 

Zudem gibt es eine sogenannte »Stabilisierungsphase«, in welcher der oder die Patient:in durch Entspannungstechniken oder imaginative Verfahren, wie das Vorstellen eines Kraftortes, für die Therapie gestärkt wird. Auch Ressourcen wie die Lieblingsmusik, eine schöne Erinnerung, ein Foto mit den Liebsten oder Sport werden häufig zur Stabilisierung eingesetzt.
 

3. Bewertung

Fühlt sich der oder die Patient:in sicher, beginnt die Therapeutin bzw. der Therapeut gezielte Fragen zu stellen und die Erinnerung an das Trauma-Erlebnis schonend zu aktivieren. Auf einer Skala von eins bis zehn soll dann der aktuellee Belastungsgrad eingeschätzt werden. 

Auch zu dem Trauma einhergehende negative Glaubenssätze werden positiv umformuliert. Im Verlauf der Therapie sollen die positiven Glaubenssätze als »richtig« eingestuft und übernommen werden. 

4. Desensibilisierung und Durcharbeitung

Ist die Erinnerung an das traumatische Ereignis bildlich aktiviert, es wird körperlich empfunden (Druck auf der Brust, Bauchschmerzen, etc.) und die negativen Gedanken sind aktiv, folgt der/die Patient:in nun den Fingerbewegungen des Therapeuten bzw. der Therapeutin. Durch die schnellen Augenbewegungen soll die Informationsverarbeitung des Gehirns aktiviert werden. 

Zwischendurch wird sich immer wieder nach den Empfindungen des Patienten oder der Patientin erkundigt. Durch den Wechsel von Fingerbewegung und Empfindungen soll die empfundene Belastung verschwinden.

5. Verankerung

In der Verankerungsphase werden die positiven Glaubenssätze aus der 3. Phase wiederholt. Indem sich die Patientin bzw. der Patient darauf fokussiert, werden sie mittels Augenbewegung im Gehirn gefestigt.

6. Körpertest

Anschließend wird prüft, ob die Person die Therapiesitzung mit einem guten Körpergefühl beenden kann. Dafür überprüft der/die Patient:in, wo er oder sie im Körper noch negative Empfindungen verspürt, z. B. ein Stechen in den Armen, damit diese ebenfalls aufgelöst werden können.

7. Abschluss

Im Nachgang werden die Erfahrungen der Behandlung besprochen und ggf. Abschlussübungen wie Entspannungstechniken (Atemübungen, Muskelentspannungen, etc.) durchgeführt. Diese ermöglichen, dass Patient:innen mit einem positiven Gefühl aus der jeweiligen Therapiesitzung gehen können. Da die EMDR-Therapie sehr anstrengend für die Patient:innen sein kann, sollten sie nach der Sitzung die Möglichkeit bekommen, sich auszuruhen und zu entspannen.

Entspannungsverfahren können dem Patienten dabei helfen, seine Selbstkontrolle (über körperliche Zustände) zu schulen, und so negativen Gefühlen des Ausgeliefertseins entgegenwirken.
Tesarz / Seidler / Eich in »Schmerzen behandeln mit EMDR«

8. Nachbefragung

Bei der nächsten Therapiestunde wird erneut überprüft, ob die Situation weiterhin als belastend empfunden wird. Wenn ja, wird die EMDR-Übung auf das Ereignis wiederholt, bis das Trauma aufgelöst ist.

Da die Therapie-Sitzung bis zu 90 Minuten dauern kann, kann sie als sehr anstrengend empfunden werden. Im Nachgang fühlen sich die Patient:innen jedoch in der Regel befreiter. 

Wie viele Sitzungen notwendig sind, ist individuell und hängt davon ab, wie schnell das traumatische Erlebnis verarbeitet wird. Es können auch mehrere Traumata mittels EMDR gelöst werden, jedoch sollte die Bearbeitung der Themen nacheinander erfolgen.

 

EMDR Kritik: Hat die Methode Nachteile?

EMDR gilt als eine schonende und kurze Behandlung von Traumafolgestörungen. Der Nachteil der Therapie ist die erhöhte Belastung der Patient:innen, da unverarbeitete Erinnerungen, negative Emotionen sowie körperliche Empfindungen während der Behandlung auftreten können. Im Rahmen der Therapie lassen sich diese jedoch behandeln.
 

EMDR-Therapie selbst machen: Übungen für zu Hause

Du kannst die EMDR-Übungen für kleinere Themen, wie eine unangenehme Situation oder einen Streit, auch selbst machen und Übungen für zu Hause ausprobieren. Wichtig: Solltest du das Gefühl haben, dass du unter psychischen Erkrankungen wie einer schweren generalisierten Angststörung oder Depression leidest, empfehlen wir dir jedoch unbedingt die Therapie bei einem erfahrenen Therapeuten oder einer erfahrenen Therapeutin.

 

EMDR-Selbstanwendung: Anleitung 

Wenn du EMDR an dir selbst anwenden möchtest, gehe wie folgt vor:

  • Setze oder lege dich bequem hin und atme bewusst ein und aus. Denke an einen sicheren Ort, es ist egal, ob es diesen wirklich gibt. An diesen Ort kannst du dich gedanklich während der Therapie zurückziehen, wenn es zu viel wird. 
     
  • Nun suche dir Ressourcen, die dir Kraft geben: ein toller Song, ein leckeres Essen, ein lieber Mensch. Beginne die Übung erst, wenn du dich sicher fühlst.
     
  • Jetzt denke an dein Problem oder deine Angst. Erschaffe dir innerlich ein Bild von der Situation, die dir Angst macht oder dich traumatisiert hat. Wo genau fühlst du etwas in deinem Körper? Welchen Glaubenssatz hast du zu der Situation?
     
  • Bewerte die Stärke des Traumas auf einer Skala von eins bis zehn. 
     
  • Überlege dir nun für deinen negativen Glaubenssatz eine positive Formulierung: Statt »Ich habe Angst vor Hunden«, sage dir: »Hunde sind treue Begleiter.«
     
  • Hole dir jetzt noch einmal das traumatische Ereignis bildlich in deinen Kopf und beginne damit, zwei Finger in einem großen Radius vor deinen Augen für etwa 20- bis 30-mal horizontal hin und her zu bewegen. Wähle ein Tempo, das für dich angenehm ist. 
     
  • Frage dich danach, wie es dir jetzt geht, und bewerte deine Empfindung wieder auf einer Skala von eins bis zehn. 
     
  • Wiederhole die Übung so lange, bis du das Gefühl hast, dass sich deine Empfindungen zu der Situation verbessert haben, jedoch maximal 90 Minuten am Stück, wie es bei einer Sitzung üblich wäre. 

 

Fazit: EMDR hilft bei der Verarbeitung von Traumata

EMDR ist eine wirkungsvolle psychologische Methode, um belastende Traumata aufzulösen. Durch das gedankliche Hervorrufen der negativen Situation und das gleichzeitige Beobachten der Fingerbewegung, soll das Gehirn dazu angeleitet werden, das Erlebnis richtig zu verarbeiten.

Eine Selbsttherapie empfiehlt sich nur bei kleineren Ängsten und wenn keine psychische Erkrankung zugrunde liegt. Hast du größere Traumata oder Belastungen zu verarbeiten? Dann kann dich ein erfahrener Therapeut oder eine erfahrene Therapeutin bei der EMDR-Therapie sowie der Bewältigung unterstützen.

 

Quellen:
 

  • Valiente-Gómez A, Moreno-Alcázar A, Treen D, Cedrón C, Colom F, Pérez V, Amann BL. EMDR beyond PTSD: A Systematic Literature Review. Front Psychol. 2017 Sep 26;8:1668. doi: 10.3389/fpsyg.2017.01668. PMID: 29018388; PMCID: PMC5623122.
     
  • Dr. med. Michael Hase: EMDR-Therapie: Informationen & EMDR-Spezialisten. Deutscher Verlag für Gesundheitsinformation GmbH. 20.10.2022. URL: https://www.leading-medicine-guide.com/de/behandlung/emdr-therapie.

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