Schwarz-Weiß-Denken: wie du rassistische Denkmuster erkennst

Das Problem gibt es schon lange, doch erst in den letzten Jahren wurde das Schlagwort zu einem gewaltigen: Rassismus. Ob ganz offen gelebt oder subtil und vielleicht gar nicht absichtlich: Es scheint so, als seien rassistische Denkweisen seit Beginn des ersten großen Flüchtlingsstroms 2015 in Deutschland sehr viel prominenter als zuvor. Was man früher vielleicht nur zu denken gewagt hätte, wird mittlerweile offen ausgesprochen, gerne unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. 

Doch man muss nicht gleich Rassist sein, um in ein Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen. Tatsächlich denken wir Menschen alle in Schubladen. Evolutionsbedingt hilft uns das, eine Welt voller Eindrücke schneller zu verarbeiten und Entscheidungen zu treffen. Wie man diese Schubladen wiederum befüllt, ist eine Frage des gesellschaftlichen Diskurses, besonders, wenn es um Herkunft und Vorurteile geht. Wann ist jemand wirklich deutsch? Und was zeichnet das Fremde aus? 

Jede:r von uns hat eine vorgefertigte Meinung davon – das ist erst einmal nicht schlimm, sondern liegt in der Natur des Menschen. Es gilt jedoch, unterbewusste Denkmuster aufzuzeigen und ehrlich zu reflektieren.

 

Rassismus: Woher kommt das Schwarz-Weiß-Denken? 

Bereits in den 1940er-Jahren führte der US-Psychologe Kenneth Clark gemeinsam mit seiner Frau Mamie Clark einen Test durch, ab welchem Alter Kinder einer gewissen Hautfarbe bestimmte Eigenschaften zuschreiben. Das Ergebnis: Bereits im Alter von drei Jahren ordneten die Kinder heller Haut positive Eigenschaften wie schön, klug und nett zu, während sie dunklerer Haut Eigenschaften wie hässlich, dumm und gemein zuordneten. 

Wie es dazu kam? Weniger durch die Erziehung ihrer Eltern, als durch ihre Umgebung. Die Kinder hatten lediglich gelernt, welche Zuschreibungen in ihrem Umfeld am häufigsten vorkamen und diese Denkweise automatisch verinnerlicht. 

Schwarz-Weiß-Denken, Rassismus oder auch Othering ist also immer Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskurses. Je häufiger gewisse Annahmen getroffen und durch Ereignisse belegt und die Medien verstärkt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese Annahmen pars pro toto für eine gewisse Menschengruppe gilt. 

Also etwa: Schwarze sind kriminell, nordafrikanische Männer neigen zu terroristischen Angriffen, Menschen türkischer Abstammung feiern kein Weihnachten. Dabei ist das natürlich genauso wenig allgemeingültig wie die Annahme, dass alle Deutschen immer pünktlich sind und keinen Humor haben, sondern eine sehr subjektive Wahrnehmung geprägt durch bestimmte Umstände, die wir erst einmal entlarven müssen.

 

Das haben Rassismus und Othering mit unserer Identität zu tun

Am deutlichsten tritt ein solches Schwarz-Weiß-Denken dort zum Vorschein, wo eine Identität unsicher ist. Das konnte Andreas Beelmann vom Kompetenzzentrum Rechtsextremismus an der Friedrich-Schiller-Universität Jena feststellen. Er beschäftigt sich damit, wie sich (rassistische) Vorurteile bei Kindern entwickeln und verändern. 

Dazu berücksichtigte er mit seinem Team 113 Studien weltweit. Folglich entstehen rassistische Vorurteile im Alter von etwa drei Jahren und erreichen zwischen fünf und sieben Jahren einen Höhepunkt. Diese Intensität nimmt bis zum Ende der Grundschulzeit ab, bis sie zu Beginn der Pubertät wieder erheblich steigt – sie ist also immer dann hoch, wenn die Kinder um ihre soziale Identität ringen und einen Platz in der Gesellschaft finden wollen. 

Auch bei uns als Erwachsenen funktionieren rassistische Denkmuster nach diesem Prinzip. Wenn wir selbst um unsere Identität fürchten, um unsere Daseinsberechtigung, gesellschaftliche Stellung, vielleicht sogar unseren Job oder unseren Glauben, fällt es leicht, sich durch das »Fremde« bedroht zu fühlen. Dann ist es ein allzu menschlicher Impuls, das Andere abzuwerten, um sich selbst und sein Tun zu rechtfertigen. 

Deutlich wird allein, dass Fremdheit weniger mit dem Menschen zu tun hat, der als fremd angesehen wird, als mit demjenigen, der sein Gegenüber als fremd ansieht.
Sara Maria Behbehani

Der Prozess, der andere zu anderen macht und von uns selbst abgrenzt, nennt sich Othering. Er ist die notwendige Bedingung für Rassismus. Othering vollzieht sich in drei Schritten:

  1. Unterschiede werden zu zentralen, alles erklärenden Unterschieden gemacht, z.B. die uns bekannten christlichen Werte vs. die vielleicht exotisch wirkenden, »extremen« Werte des Islams. 
     
  2. Es herrscht die Annahme, dass alle einer bestimmten Gruppe angehörigen Menschen gleich sind, also »alle Schwarzen sind Kriminelle«. 
     
  3. Durch Dichotomisierung werden diese Unterschiede zwischen der eigenen und der fremden Gruppe zu fundamentalen, die kaum zu überwinden sind. 

 

4 Tipps, um dysfunktionale Denkmuster abzulegen

Eines vorweg: Die wenigsten Menschen sind wirklich Rassisten mit böswilliger Absicht. Doch viele von uns haben womöglich eben doch eine gewisse Angst vor dem Fremden gelernt. Oder leben im Alltag mit einer unbewussten Ignoranz, die ein Schwarz-Weiß-Denken fördert. 

Das, was im gesellschaftlichen Diskurs als Annahme dominiert, wir vielleicht von klein auf überall hören und sehen – nämlich, dass bestimmte Menschen, Verhaltensweisen, Umgangsweisen fremd sind – fixiert unseren gesellschaftlichen Blick. Sei ehrlich zu dir selbst und reflektiere diese Assoziationen in einembewussten Prozess, um sie vielleicht irgendwann gänzlich ablegen zu können. 

  1. Erkenne, dass und warum es unsensibel ist, jemanden, der vielleicht eine etwas dunklere Hautfarbe hat, zu fragen, wo er herkommt – ihm oder ihr also von vornherein die Möglichkeit abzusprechen, deutsch zu sein. Oder jemanden dafür zu loben, wie gut er Deutsch spricht, nur weil sein oder ihr Nachname nicht Müller oder Meier ist. 
     
  2. Diese Dinge müssen nicht böse gemeint sein, vielleicht steckt auch echtes Interesse oder guter Willen hinter den Äußerungen. Verletzend können sie dennoch sein – und von Schubladendenken zeugen sie ebenfalls.
Gegen das Fremdsein an sich hilft nur radikale Normalität. Menschen jedweder Herkunft und Hautfarbe müssen dazugehören, ohne dass es nur im Geringsten verwundert.
Sara Maria Behbehani

3. Mache dir bewusst, , dass Dinge, die du selbst nicht als rassistisch ansiehst, von deinem Gegenüber dennoch so empfunden werden können. Wenn also vom »Mohrenkopf« oder »Zigeunerschnitzel« die Rede ist, muss dich das nicht betroffen machen. Aber du solltest Empathie zeigen und einsehen, dass nicht du es bist, um den oder die es geht.

4. Deswegen solltest du Mitgefühl zeigen und respektieren, was diejenigen darüber denken, die von diesen Worten be- und getroffen sind. Wenn sie es als rassistisch empfinden, dann haben wir dieses Gefühl anzuerkennen. Wenn du Zeuge von rassistischen Äußerungen in deinem Umfeld wirst, zeige dich aktiv solidarisch und lege altruistisches Verhalten an den Tag. 
 

So kannst du rassistische Denkweisen entlarven

Es geht darum, zu begreifen: Es geht bei Rassismus nicht um uns, sondern um diejenigen, die es betrifft. Nicht zuletzt deswegen stieß vor einiger Zeit eine TV-Diskussionsrunde über Rassismus und rassistische Ausdrücke, an der nur weiße Deutsche teilnahmen, auf so viel Unverständnis. Denn: Weiße Deutsche können sich zu diesem Thema keine Meinung leisten, denn es betrifft sie nicht.

Uns sollte immer bewusst sein, dass Menschen mit anderer Hautfarbe nicht unsere Realität leben – sondern anders behandelt werden und von vornherein schlechtere Chancen in Sachen Ausbildung, Job und Wohnungssuche haben können. Warum das unfair ist, müssen wir nicht groß erläutern. Wer Sorge vor dem Fremden hat, sollte erst recht in den Dialog treten. 

So kann man Fragen offen stellen und den Menschen kennenlernen, anstatt isoliert nebeneinander her zu leben, getrennt von Vorurteilen und (falschen) Annahmen. Dann zeigt sich schnell, dass du mit deinem  Gegenüber viele Gemeinsamkeiten teilst, vielleicht die gleichen Gedanken, Gefühle und Leidenschaften.

Die formale und oft realitätsferne Diskussion über Zugehörigkeit zieht eine Grenze zwischen Menschen, und es ist genau diese Grenze, die so viel Schaden anrichtet. Sie unterscheidet zwischen normal und anders, zwischen denen, die dazugehören und denen, die Fremde sind. Sie schließt gleichermaßen ein und aus. Diese Grenze maßt sich an zu urteilen, wer am Leben in Deutschland gleichberechtigt teilhaben darf und wer nicht. 

Mache dir immer bewussts: es gibt nicht das eine Andere. Wir sind uns alle irgendwie fremd, weil jede:r von uns einzigartig ist. Das macht unsere Gesellschaft, Bekanntschaften und Freundschaften so spannend und bereichernd. Versuche daher, wann immer geht, dein Herz zu öffnen und unvoreingenommen auf fremde Menschen, egal welcher Herkunft zuzugehen.

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