Trainiere dein Gehirn mit Neuroplastizitäts-Übungen

Was ist Neuroplastizität?

Fahrradfahren, Schreiben oder die neuesten Witze … als Kind hast du wahrscheinlich mit Leichtigkeit ständig Neues gelernt oder dir etwas merken können. Innerhalb der ersten drei Jahre wächst das Volumen des Gehirns enorm, da sich ständig neue Nervenzellen bilden und untereinander vernetzen. Deshalb wirkt der Kopf von kleinen Kindern oft auch überproportional groß im Vergleich zum Rest.

Bis in die Pubertät hinein bauen sich im Gehirn ständig neue Verbindungen auf. Das Gehirn lernt, sich in der Welt zurecht zu finden. Es speichert Fähigkeiten, motorische Abläufe, Erfahrungen und vieles mehr in Form von Zellen und Nervenbahnen. 

Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass das Gehirn irgendwann »fertig« sei – »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr«. Diese Sichtweise ist allerdings mittlerweile überholt, wir lernen ja auch als Erwachsene ständig Neues dazu.

Tatsächlich gehen Forschende davon aus, dass sich das Gehirn auch im Erwachsenenalter immer weiterentwickelt und dabei sogar umbaut und neu organisiert. Damit passt sich das Gehirn unser Leben lang ständig an neue Gegebenheiten an. Diese Fähigkeit des Gehirns, seine Struktur und Funktion als Reaktion auf geistige Erfahrungen zu verändern, heißt »Neuroplastizität«.

Kein Organ erbringt solche Spitzenleistungen wie dein Gehirn, auf das ein Viertel deines Gesamtenergieverbrauchs entfällt. Bis ins hohe Alter hinein werden ständig neue Nervenzellverbindungen hergestellt, Verknüpfungen gezogen und Informationen verarbeitet. Hier in der Schaltzentrale unseres Körpers herrscht rund um die Uhr Aktion. Allerdings gilt auch für unser Gehirn: Wenn wir es nicht ausreichend fordern, baut es nach und nach ab und verliert Teile seiner Fähigkeiten. 

Offenbar hat sich […] das menschliche Gehirn lange Zeit selbst unterschätzt.
Norman Doidge

Wofür brauchen wir neuronale Plastizität?

Der Begriff »Neuroplastizität« setzt sich zusammen aus »neuro«, das für die Nervenzellen, Gehirn und Nervensystem steht, sowie »Plastizität«, was so viel wie Veränderbarkeit, Formbarkeit bedeutet. Er beschreibt, dass Menschen nach einem Schlaganfall wieder vollständig genesen, Lernbehinderungen überwinden oder etwa Zwangsvorstellungen, Ängste und Traumata ablegen können – indem sich das Hirn neu strukturiert und neue Nervenzellen bildet.

Die Arbeit an der Neuroplastizität ist nicht nur bei schweren Erkrankungen, Depressionen oder Behinderungen relevant. Wir alle können von dieser Fähigkeit des Gehirns profitieren, neue Fähigkeiten erlernen oder unsere Verhaltensweisen ändern, ganz unabhängig von unserem Alter.

Wir können mithilfe von mentalem Training das Gehirn sogar trainieren – ähnlich wie wir unseren Körper beim Fitnesstraining im Studio stärken, können wir unser Gehirn mit Denksport fit halten und so sein volles Potential nutzen. 

Der Schlüssel dazu sind Neuroplastizitäts-Übungen. Damit kannst du dein Gehirn trainieren und stärken. Sie können dir bei Folgendem helfen:

  • deine Konzentration zu verbessern
  • deine Gedächtniskapazität zu erweitern
  • neue Informationen besser zu behalten
  • Stress und Angstzustände zu reduzieren
  • insgesamt dein Wohlbefinden zu steigern  
  • produktiver zu werden
Neuroplastizität ist die Veränderung des Gehirns infolge geistiger Aktivität.
Norman Doidge

Mit 5 Neuroplastizitäts-Übungen dein Gehirn trainieren

Die eine typische Neuroplastizitäts-Übung gibt es nicht, denn unter diesem Begriff wird eine Vielzahl von unterschiedlichen Trainings zusammengefasst. Je nachdem, wie dein Gehirn funktioniert, kannst du mit den verschiedenen Arten mehr oder weniger anfangen. Vielleicht gehört einiges auch schon zu deinem Alltag dazu und dir war bisher noch gar nicht bewusst, dass du damit dein Gehirn trainierst. 

1. Kognitives Training

Kognitives Training ist im Grunde alles, was deine grauen Zellen zum Rauchen bringt: mathematische Aufgaben etwa, das Erlernen einer neuen Sprache oder das Lösen von Kreuzworträtseln – Hauptsache du strengst deinen Kopf ein bisschen an. Damit stärkst du deine kognitiven Fähigkeiten und bereitest dein Gehirn auf neue Herausforderungen vor. 

2. Meditation 

Mithilfe von Meditation kannst du nicht nur deine Gedanken zur Ruhe bringen und Ängste und Verstimmungen loswerden, diese Methode hilft bei der Heilung von Schmerzen und lindert Stress. Du lernst, deine Gedanken kommen und gehen zu lassen, ohne sie festzuhalten oder gar zu bewerten. Das kann dir dabei helfen, konzentrierter und fokussierter bei einer Sache zu bleiben – du lässt dich nicht von Grübeleien ablenken und behältst den nötigen Abstand von dir nicht dienlichen Dingen.
 

3. Visuelle Aufgaben 

Das Lösen von Puzzles, das Erstellen von 3D-Modellen oder das Erlernen visueller Fertigkeiten können, z.B. durch das Abschätzen von Entfernungen, dabei helfen, deine Wahrnehmung und deine Vorstellungskraft zu verbessern. 

4. Body Scan 

Mithilfe dieser Technik kannst du deine Achtsamkeit auf deinen Körper lenken: Du wanderst mit deiner Aufmerksamkeit langsam und fokussiert einmal durch den gesamten Körper. Diese Übung kannst du auch mit Progressiver Muskelentspannung verbinden. 

5. Rätsel 

Mithilfe von Logik- oder Kreuzworträtseln kannst du dein Gehirn hinsichtlich ganz unterschiedlicher Aspekte schulen. Je nachdem in welchen Bereich das Rätsel angesiedelt ist, kannst du hier deine Sprach- oder Kombinationsfähigkeiten trainieren. Insgesamt helfen dir alle Rätsel dabei, deine Konzentrations- und Merkfähigkeit zu verbessern. Und auch Computerspiele sowie jedes Erlernen einer neuen Fähigkeit halten dein Gehirn flexibel.

Gehirn-Umprogrammieren geht nicht von heute auf morgen

Wie bei körperlichem Training ist es auch bei mentalem Training wichtig dranzubleiben. Nur durch regelmäßiges Training können die neuronalen Verbindungen im Gehirn optimiert werden. Dabei darfst du ruhig langsam starten – auch beim Üben für einen Marathon würdest du ja zunächst einmal mit kürzeren Laufstrecken starten und dich langsam steigern.

Wenn du regelmäßig übst, dann wirst du auch bald erste Lernerfolge feststellen können: Dein Gehirn merkt sich bestimmte Denkweisen und kommt mit der Zeit immer schneller zu Lösungen. 

  • Neuroplastizität-Übungen haben nicht nur Einfluss auf deine Denkfähigkeit. Sie können auch positiv auf deinen Umgang mit Emotionen, mit Stress oder negative Gedanken wirken.
     
  •  Indem du dein Gehirn immer wieder vor neue Herausforderungen stellst, steigerst du deine Stressresistenz und dein Selbstbewusstsein
     
  • Vor allem Meditation, Progressive Muskelentspannung und Yoga können dich dabei effektiv unterstützen. 

 

Neuroplastizität im Alltag: Mit 5 Übungen deinen Gehirnmuskel trainieren 


1. Dein Handy mit der anderen Hand bedienen

Normalerweise nimmst du dein Handy immer mit rechts auf? Dann versuch doch ganz bewusst, es auch mal mit links zu bedienen. Wenn du dein Handy normalerweise immer mit zwei Händen bedienst, dann versuche es nur mit einer – zuerst mit rechts, dann mit links. Anfangs wird das eine kleine motorische Herausforderung sein, aber lass dich von deinem Gehirn überraschen, wie schnell es sich an Neues gewöhnen kann. 

2. Rückwärts gehen

Laufen lernen wir schon im Kleinkindalter – die entsprechenden Verknüpfungen im Gehirn sind also in der Regel alt. Umso spannender ist es, wenn du eine andere Art des Laufens, wie das Rückwärtsgehen, ausprobierst. Wähle dazu eine sichere Umgebung, zum Beispiel deine Wohnung, und halte dich anfangs eventuell irgendwo fest. Du wirst sehen, diese neue Art der Bewegung ist anfangs ungewohnt, aber bringt Spaß und Abwechslung in den Alltag.
 

3. Einen anderen Weg zur Bushaltestelle nehmen

Gerade im Alltagstrott schalten wir oft auf Autopilot und gehen täglich dieselben Wege. Du kannst dein Gehirn hier aber auch etwas herausfordern: Such dir einen anderen Weg als den gewohnten, um ans Ziel zu kommen – und vermeide es, eine Navigationsapp zu befragen. Mit dieser Übung schulst du deinen Orientierungssinn und deine Vorstellungskraft – und nimmst deine Umgebung auf dem Weg vielleicht einmal wieder ganz neu und anders wahr. 

4. Einbeinstand

Normalerweise stehst du immer auf beiden Beinen, oder? Dann versuche doch mal, in der Supermarktschlange oder an der Bushaltestelle, nur auf einem Bein zu stehen  – zunächst auf dem rechten, dann auf dem linken. Du wirst merken, dass hier Gleichgewichtssinn gefordert ist und Muskelpartien aktiviert werden, die du sonst nicht so oft benötigst. Wenn du schon etwas Übung hast, kannst du den Einbeinstand auch in Bus, Zug oder U-Bahn praktizieren – allerdings nur dann, wenn eine Stange oder ein Geländer in Reichweite sind, damit du dich notfalls festhalten kannst. 

5. Ausreichend Schlaf

Wenn du deine Neuroplastizität verbessern möchtest, achte darauf, dass du ausreichend schläfst. Für eine optimale Leistungsfähigkeit deines Gehirns reichen sieben bis neun Stunden aus. Solltest du mal eine kürzere Nacht haben, eignet sich auch ein kurzer Mittagsschlaf von ca. 30 Minuten, um die Verbindung zwischen Neuronen im Gehirn zu steigern.

 

Bring deine grauen Zellen in Schwung

Dein Gehirn ist kein starres Organ, das immer auf dieselbe Art und Weise funktioniert. Vielmehr ist es formbar und reagiert auf jede Erfahrung. Es ist immer im Wandel und kann sich deshalb auch auf neue Gegebenheiten einstellen. Diese neuroplastische Fähigkeit deines Gehirns kannst du dir zunutze machen: Indem du dein Gehirn regelmäßig trainierst, bleibst du fit und aktiv im Kopf und kannst besser mit Stress oder negativen Gefühlen umgehen. Geeignete Neuroplastizitäts-Übungen sind etwa Meditation, Yoga, Kreuzworträtsel oder das Erlernen einer neuen Sprache. 

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