Yoga als Kraftspender

Im Yoga die Macht der Frau stärken

Das dritte Chakra wird durch ein Dreieck mit der Spitze nach oben dargestellt. Im Yoga und im Tantra ist dies ein Symbol für Männlichkeit und wird vorrangig mit Aspekten von Tatkraft und Macht in Verbindung gebracht. Hier zeigt sich deutlich die Ambivalenz, mit der wir Frauen konfrontiert sind, wenn es um das Thema Kraft geht, da sie eher männliche Qualitäten hat: Sie (!) ist aktiv, gebündelt und zielorientiert. 

Die Geschichte zeigt jedoch leider, dass Frauen nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden, wenn sie diese Qualitäten ungefiltert einsetzen. In der Ausgabe Nr. 29 des Interview-Magazins Galore sagt Alice Schwarzer: „Bei Männern macht Macht sexy. Frauen nimmt man Macht übel.“

Ähnlich wie Schwarzer sieht das auch der argentinische Psychologe und Sozialwissenschaftler Tomas Chamorro-Premuzic, der seit Jahren zu den Themen Persönlichkeit und Führungskraftkompetenzen forscht und dabei auch den Unterschied zwischen Männern und Frauen im Blick hat, insbesondere in Bezug auf die Besetzung von Führungspositionen. Für ihn beruht der hohe Männeranteil auf den Führungsebenen möglicherweise auf der gesellschaftlichen Unfähigkeit, zwischen Selbstbewusstsein und Kompetenz zu unterscheiden. 

Da Männer tendenziell einen ausgeprägteren Hang zur Überheblichkeit haben und Frauen eher zur Vorsicht neigen, sieht die Verteilung auf den Chefetagen dementsprechend aus. Die Schriftstellerin Irmtraud Morgner sagte zu dem Thema, der schlimmste Fehler von Frauen sei ihr Mangel an Größenwahn. 

Mit Macht und Größenwahn werden zwei weitere Aspekte des dritten Chakras sichtbar, die im Verständnis des Yoga allerdings nicht erstrebenswert sind. Aber sollten wir Frauen aus Weisheit auf etwas verzichten aus Mangel an Gelegenheit, Selbstvertrauen oder fehlender gesellschaftlicher Anerkennung? Ist das dann nicht auch ein Weg der Vermeidung? Jede Bewegung in diese Richtung zu vermeiden, ist sicher auch kein Weg, um zu den positiven Früchten der Kraft, wie Durchsetzungsvermögen, Handlungsfähigkeit oder Tatendrang, zu gelangen. 

 

Wenn die Kraft verloren geht 

Auch für uns Frauen ist Kraft eine wichtige Ressource. Aber Ressourcen können auch knapp werden, wenn sie nicht richtig eingesetzt werden. So erging es mir: Es gab Zeiten in meinem Leben, da fühlte ich mich wie ein Sieb, in das ich Kraft hineinfülle, die dann an tausend Stellen einfach ungefiltert wieder herausfloss.

Ich empfand diesen Zustand als normal, weil ich in einen Rund-um-die-Uhr-Job als Kreativ-Direktorin mit viel Aufreibungspotenzial eingebunden war und versuchte, ihn „perfekt“ zu machen. Kein Wunder, dass ich zu dieser Zeit unglaublich erschöpft war. „Ruhe“ fand ich beim Seriengucken oder durch Schokolade. 

Ich merkte allerdings nicht, dass ich irgendwie „auslief“ und mein Kräftekostüm durchlöchert war wie ein Sieb. Damit sich diese inneren Krücken auch glaubhaft anfühlten, entwarf ich ein fantastisches Gegenprogramm:

Ich begann mit Yoga und Entspannungstechniken. Diese neue Disziplin nutzte ich allerdings zuerst einmal, um mich funktionsfähiger zu machen. Denn ausgeglichen und ruhig arbeitet es sich ja noch besser! 

Mein Ablenkungsprogramm war perfekt. Allerdings begann sich die Erschöpfung auch in andere Bereiche meines Lebens zu übertragen. Aber auf eine absurde Art half mir Yoga zunächst, noch ein wenig länger zu verschleiern, dass meine Kraft sich dem absoluten Ende näherte.

Der Versuch, die Kraft zu halten, misslang mir jedoch. Denn da, wo ein Sieb Löcher hat, kann nichts gehalten werden. Und je mehr ich Yoga übte, desto mehr wurde mir das auch klar. Das sind zum Glück die langfristigen Effekte von Yoga.

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Es kamen aber noch viel größere Aufgaben auf mich zu: Der Tod meines Mannes. Das Schicksal schlug zu und brachte mich plötzlich auf ganz andere Weise an die Grenzen meiner eigenen Kräfte. Und wenn du jetzt vielleicht denkst, dass dies doch viel schlimmer sei als ein aufreibender Job, kann ich aus meiner Erfahrung nur sagen, dass ich dank Yoga in den Zeiten der absoluten Erschöpfung, bedingt durch die Krankheit meines Mannes und die Sterbebegleitung, mit Baby im Bauch und einem kleinen Mädchen an der Hand, den Rückflusseffekt der Kraft erfuhr.

 

Yoga als Kraftquelle

Mit Hilfe von Yoga fühlte mich nicht mehr wie ein Sieb. Ich ging mit der Kraft anders um und habe ein anderes Verhältnis zu ihr aufgebaut. Ich habe eine Kraft erfahren, die nicht aktiv, gebündelt und zielorientiert war, sondern sich in mir verteilte. 

Die Urkraft des dritten Chakras kann sich tatsächlich durch Bauchübungen, wie zum Beispiel Navasana, der Bootshaltung, ausdrücken und tatsächlich ganz aktiv, gebündelt und zielorientiert wirken. Es gibt aber auch Drehungen, die das dritte Chakra durch eine Verteilung der Kraft beleben, wie etwa durch den liegenden Twist. Und in dieser schwierigen Lebensphase fühlte ich mich wie im liegenden Twist. Ich ließ die Kraft durch mich hindurchlaufen und dahin fließen, wo ich sie brauchte. Und dadurch passierte etwas sehr Erstaunliches: Die Kraft floss dann wieder zu mir zurück, wie ein riesengroßer Kreislauf, der sich hier aufbaute und vom Prinzip der Verteilung statt der Bündelung ausging. 

Da ich während dieser Zeit stillte, fand ich das Bild dazu sehr passend: Die Milch in der Brust, dieses Lebenselexier – und aufwändig in der Produktion –, wird verteilt, und zurück fließt das Bindungshormon Oxytocin, das die Mutter wieder auflädt. Kraft fließt, und das sogar in rauen Mengen, kommt aber transformiert wieder zurück. Multitasking war das einzige Überlebensprogramm, und ich habe durch Yoga gelernt, das Prinzip der Gleichzeitigkeit anzuwenden, ohne dabei meine Kraft vollkommen zu verlieren. Im Yoga lernen wir, Empfindungen und Beobachtungen gleichzeitig am Fuß und am Kopf wahrzunehmen, oder auf der linken und auf der rechten Seite, innen und außen, und das mit möglichst viel Gleichmut und wenig Kraftaufwand. 

Dieses wundervolle Prinzip, im Alltag und besonders in Stresssituationen angewandt, kann auch dir helfen, Unmögliches gangbar zu machen. Deshalb ist Yoga für mich ein einzigartiger Kraftspender.

 

Zahlreiche kraftspendende Übungen findest du in meinem Buch "Female Yoga".

 

© Jan Rickers

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