Die 8 Regeln des Nunchi
Nunchi – was nach einem koreanischen Nachtisch klingt, ist tatsächlich eine Lebensweisheit und -weise, die denen, die sie beherrschen, ein leichteres achtsames Miteinander beschert. Nunchi, das auch als sechster Sinn zu verstehen ist, lehrt uns, zwischen den Zeilen zu lesen, Feinheiten wie Stimmungen und Gefühle wahrzunehmen und daraus bestimmte Handlungen abzuleiten – um uns und anderen Anwesenden den Moment zu erleichtern.
Was in der koreanischen Tradition und Gesellschaft fest integriert ist, von klein auf gelehrt und bereits in Kinderbüchern thematisiert wird, lässt sich auch auf unsere westliche Gesellschaft übertragen.
Oftmals ist unser Bauchgefühl schon ein Anzeichen von Nunchi. Sei es, weil wir die Stimmungen anderer wahrnehmen (aufgebrachte Fahrgäste in der Bahn, die eine Durchsage gehört haben, die wir selbst verschlafen haben), die Körpersprache, wie Mimik und Gestik lesen (wir würden im Urlaub eher den offensichtlich Einheimischen nach dem Weg fragen als den Mit-Touristen, der verzweifelt den U-Bahn-Plan studiert) oder einfach beobachten – wie im Supermarkt, wenn wir die Kassenschlangen auf die potenziell kürzeste Wartezeit analysieren.
8 Regeln, um schnelles Nunchi zu erlernen
Mit den folgenden acht Regeln lässt sich aus dem europäischen, größtenteils angeborenen Bauchgefühl mit Sicherheit die Fähigkeit zu schnellem Nunchi erlernen, um in Zukunft potenzielle Fettnäpfchen zu umgehen und das Optimum aus Alltag, sozialem Miteinander und eigener Entwicklung herauszuholen.
1. Leere deinen Geist und befreie dich von vorgefassten Meinungen
Beim Nunchi geht es vorrangig darum, sich selbst zurückzunehmen und die Atmosphäre eines Raumes auf sich wirken zu lassen, um die sozialen Gefüge und die jeweilige Situation richtig lesen zu können.
Um diese Beobachtung aber korrekt durchzuführen, ist es nötig, sich unvoreingenommen auf den Raum einzulassen.
Keine Sorge, jeder von uns hat solche inneren Glaubenssätze und Denkmuster: Sie erleichtern uns allgemein das Manövrieren durch den Tag (ein schnelles Einsortieren ist für unser Gehirn notwendig und überlebenswichtig).
Umso mehr ist es nach Nunchi aber wichtig, dieses Vorurteil zu benennen, und sich davon zu verabschieden. Nur dann sind wir offen für die neue Situation, gemäß der Philosophie des Kampfkünstlers Bruce Lee: »Leere deinen Becher, damit er von Neuem gefüllt werden kann.«
Techniken wie Meditation können langfristig dabei helfen, den Geist zu leeren und den Gedankenstrom bewusst zu stoppen.
Wenn du tiefer in das Thema Meditation einsteigen willst, findest du hier passende Beiträge und Anregungen:
2. Der »Nunchi-Beobachtereffekt« und dein Einfluss auf eine Atmosphäre
Hand in Hand mit Regel Eins geht Nummer Zwei: Sei dir bewusst, dass du Einfluss auf die Atmosphäre im Raum hast. Wenn du zu einer Gruppe trittst, wirst du die Dynamik verändern – es benötigt gar keinen großen Auftritt deinerseits, die reine körperliche Anwesenheit reicht bereits.
Betrete den Raum also achtsam und sei dir deiner Anwesenheit (und deiner Gedanken) bewusst.
Versuche, dich von deiner Selbstwahrnehmung zu lösen und öffne Augen und Ohren zum Raum hin:
- Was siehst du?
- Was hörst du?
- Was fühlst du?
Stell den Raum ins Zentrum der Aufmerksamkeit, anstatt dich selbst. Denn dann wirst du – siehe Regel Drei – Dinge wahrnehmen, die andere dir an Wissen voraus haben.
3. Bedenke, dass andere sich schon länger im Raum befinden
Ohne Nunchi tendieren wir dazu, uns ins Zentrum unserer Gedankenwelt zu stellen. Das ist völlig normal und gesellschaftlich so gut wie vorprogrammiert, denn das westliche Denken wird bestimmt von Erfolg und Ego.
So kannst du unangenehme Situationen vermeiden, für dich und die anderen Anwesenden.
Es ist also wichtig, immer auf der Hut zu sein. Gesten und Mimiken zu lesen: Ist die Stimmung für eine Dinnerparty ein wenig zu gedrückt? Ist etwas anders als sonst?
Sei dir bewusst, dass die Atmosphäre im Raum sich so schnell drehen kann, wie der Wind.
Jetzt ergibt auch die Begriffspaarung »schnelles Nunchi« Sinn: Wer die hohe Kunst des Nunchi besitzt, wird sich schnell auf bestimmte Situationen einstellen können.
- Ist der Witz, der einem gerade eingefallen ist, noch angebracht?
- Oder ist die Stimmung nach der letzten Anekdote gekippt?
- Sollte man den einen Gast auf sein Fauxpas ansprechen?
- Oder darüber hinweggehen und ihm sogar gleichtun, um ihm Unannehmlichkeiten zu ersparen?
4. Schweige öfter
Kurz gesagt: Man lernt mehr durch Zuhören als durch Sprechen. Während wir beigebracht bekommen, Dinge zu hinterfragen, offen zu fragen, was unklar ist und Interesse am Gegenüber zu bekunden, ist es nach Empfinden des Nunchi selbstsüchtig (und in einer größeren Gruppe sogar ungerecht und unhöflich), zu fragen, anstatt einfach zuzuhören.
Die meisten Fragen, die sich einem stellen, klären sich laut Nunchi rein durchs geduldige Zuhören. Denn wer selbst schweigt, »zwingt« den anderen zum (Weiter-)Reden.
Das mag eine Herausforderung sein. Wer aber ständig redet, dem entgeht vieles. Nach Nunchi sind die Introvertierten die Sieger.
5. Manieren gibt es aus bestimmten Gründen
Eine weitere Zielführung des Nunchi ist es, dass sich alle Anwesenden eines Raumes wohlfühlen. Deswegen wirken auch Manieren oder Tischregeln womöglich eingestaubt und lästig, verleihen allen Anwesenden aber ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität.
Man weiß, wie man sich zu verhalten hat und wer seine Suppe leise löffelt, anstatt sie zu schlürfen, stürzt seinen Sitznachbarn nicht in Unbehagen. Stattdessen schaffen Manieren einen Nährboden für ein gesundes Miteinander im Raum.
6. Lies zwischen den Zeilen – Menschen sagen nicht immer, was sie denken
Kaum jemand meint genau das, was er sagt. Das zu erkennen, ist essentiell für Nunchi und führt zurück zu den vorherigen Regeln. Zwischen den Zeilen zu lesen und auch das Ungesagte zu hören, schafft einem nicht nur einen Wissensvorteil; es vermeidet unangenehme Situationen, für sich selbst und für die anderen Anwesenden.
Ein Beispiel: Du hast nach langer Zeit eine alte Freundin zu Besuch, die ein paar Tage bei dir übernachtet. Am zweiten Tag fragt sie, ob ihr jeden Abend Fleisch kocht. Du gibst eine eher vage Antwort und wunderst dich über die Frage.
Was du in der Frage noch hören könntest: Die Freundin, die du lange nicht gesehen hast, ist Vegetarierin, hat aus Höflichkeit gegenüber deiner Mühen aber die zwei Tage in Folge dein Fleischgericht gegessen.
Ein Zeichen von schnellem Nunchi wäre in dem Fall, wahrzunehmen, dass das nicht nur eine Interessenfrage ist, sondern dass dahinter womöglich Unbehagen stecken könnte.
7. Etwas unabsichtlich falsch machen ist manchmal schlimmer, als es mit Absicht zu tun
Der Schlüssel zu schnellem Nunchi ist in jedem Bereich das richtige Maß an Achtsamkeit. Wer die Lebensphilosophie richtig beherrscht, wird nicht mehr in Fettnäpfchen treten oder etwas falsch machen.
Denn selbst wenn es unbeabsichtigt war: Es ändert im Zweifel nichts daran, dass sich das Gegenüber verletzt fühlt. Durch Unachtsamkeit jemanden zu verletzen ist nach der koreanischen Philosophie sehr viel schlimmer, als es absichtlich (und somit bei vollem Bewusstsein) zu tun.
Reflektiere also kurz, wie das Gesagte beim anderen ankommen könnte, bevor du es aussprichst. Jemandem zu sagen, er habe aber abgenommen, kann ein Kompliment sein – oder eine schmerzliche Erinnerung an eine harte Zeit oder eine schwere Krankheit. Sage stattdessen lieber: »Du siehst toll aus«, das versteht sicherlich jeder als Kompliment. Dein Feingefühl ist gefragt.
8. Sei geschickt und schnell
Diese letzte Regel lässt alle anderen zusammenfließen – sie bildet das Endergebnis des schnellen Nunchi, das erstrebenswerte Ergebnis des sechsten Sinns.
Es ermöglicht dir, Ungesagtes zu hören, Stimmungen wahrzunehmen und Situationen daher so zu meistern, dass sich alle Anwesenden wohlfühlen und du selbst gestärkt und positiv aus der Gruppe herausgehst.
Wenn du mehr zum Thema Nunchi erfahren möchtest, schau dir einmal unseren Buchtipp an.