6 Tipps, um dich in der digitalen Welt gut abzugrenzen

Wir wollen online sein. Wir müssen online sein. Und dazwischen zieht es uns im Schnitt über 80 Mal „nur noch ganz kurz“ hinein ins magische digitale Paralleluniversum. Doch dort warten nicht nur Glanzmomente auf uns, sondern auch vieles, das uns verunsichert, stresst und Kraft raubt. Wie gehen wir damit um? Wie erkennen wir, wo wir Grenzen ziehen sollten – und wie gelingt eine gute digitale Balance? Wir sprechen darüber mit den Autorinnen Monika Schmiderer und Sylvia Harke.

 

Das digitale Paralleluniversum und unsere Gefühle

Social Media, WhatsApp, Youtube, Netflix & Co. haben einen fixen Platz in unserem Leben bekommen – aber was bekommen wir zurück? Oft schöne neue Impressionen, Kuss-Emojis von unserer besten Freundin und Statusupdates. Immer öfter jedoch auch das Gefühl, nicht mehr mithalten zu können, nicht gut, nicht erfolgreich, nicht schnell, nicht entspannt, nicht hübsch und nicht stylisch genug zu sein. Immer mehr Studien belegen, was wir oft beim Scrollen und Surfen spüren: Social Media schwächt unseren Selbstwert, schmälert unsere Lebenszufriedenheit und entfernt uns von uns selbst und unserer kreativen Kraft.

 

Wie sensibel bist du?

Nicht jeder ist sensibel genug, das auch sogleich zu bemerken. Für Millionen Menschen dreht sich die innere Glücksspirale im digitalen Dauervergleichen stumm nach unten. Andere nehmen die schwächenden Effekte von retuschierten Lebenswirklichkeiten und gefilterter Selbstdarstellung schneller und bewusst wahr. 

Besonders hochsensible Menschen, sogenannte HSP (Highly Sensitive Person) haben einen offenen Sinn dafür, wie groß die Herausforderung sein kann, sich im virtuellen Raum gut abzugrenzen und bei sich zu bleiben.

»Hochsensible Menschen sind wie Radarantennen«, sagt Sensitive Coach und Gründerin der HSP Academy Sylvia Harke im Gespräch mit Digital Detox-Expertin Monika Schmiderer. »Sie nehmen Stimmungen und Schwingungen besonders klar und aufmerksam wahr. Sensible Menschen bringen sehr viele großartige Talente und Vorzüge mit, ihre breite Wahrnehmung lässt sie die Eindrücke aus den Medien jedoch oft besonders stark reflektieren. Grenzen zu setzen und sich zu schützen ist daher besonders wichtig für sie.«

 

Wir unterschätzen den Effekt

Dass gesunde Abgrenzung gerade auch im digitalen Umfeld unverzichtbar ist, betont Monika Schmiderer: »Wir unterschätzen den Effekt, den Social Media und die Online-Wirklichkeit auf uns haben. Je mehr Zeit wir online verbringen, je mehr Menschen wir folgen, je mehr Informationen wir uns holen und je mehr Eindrücke auf uns einwirken, desto mehr Energie verlieren wir auch an diese Kanäle. Die entscheidende Frage dabei ist: Ist diese Energie dort gut und produktiv genutzt, oder versandet sie eher im hochauflösenden Treibsand?«

Das erkennen wir vor allem daran, wie viele Gedanken wir uns über das machen, was wir im Internet oder im Fernsehen gesehen oder gehört haben. »Beschäftigen wir uns zu viel mit diesen Inhalten und beginnen sie uns zu belasten, dann ist der Punkt da, an dem wir neue Grenzen setzen sollen«, erklärt die Digital Detox- und Digital Balance-Expertin Monika Schmiderer.

 

Welche Gefühle löst der Gedanke aus, einmal länger nicht erreichbar zu sein?
Redaktion

Wie steht es um deine digitale Balance?

Frage dich:

  • Ist das Smartphone der wichtigste Gegenstand im Alltag? Entsperrst du es gleich nach dem Aufwachen? Ist es überall dabei?
  • Reagierst du immer prompt auf Nachrichten? Wirst du nervös, wenn jemand länger nicht antwortet?
  • Kannst du in Wartesituationen auch noch aufs Handy verzichten? Kannst du Offline-Zeiten noch genießen? Oder ist da immer eine latente Angst, etwas zu verpassen?
  • Wie wichtig ist die dir Anerkennung in Sozialen Medien? Wie sehr trifft es dich, wenn du zu wenig Likes bekommst, jemand dir entfolgt oder du einen negativen Kommentar erntest?
  • Welche Gefühle löst der Gedanke aus, einmal länger nicht erreichbar zu sein?
  • Wie hoch ist deine Bildschirmzeit?

 

Wie hoch ist deine Bildschirmzeit?

»In meinen Seminaren und Vorträgen erstaunt es mich immer wieder, wie wenig Menschen ihre Bildschirmzeit kennen«, erzählt Monika Schmiderer. »Mit nur einem Blick auf die Funktion Bildschirmzeit am iPhone oder Digitales Wohlbefinden bei Android wird dann sekundenschnell klar, wie viel Lebenszeit der Medienkonsum bereits konsumiert. Dieses Wissen hilft sehr dabei, neue Grenzen zu ziehen und wieder mehr in sich selbst und seine eigene Lebensqualität zu investierten.« Daher rät Schmiderer diese Funktionen unbedingt zu nutzen.

 

Unser Zweitjob als Medienkonsument

»Hochrechnen lohnt sich immer: Wenn ich drei Stunden täglich am Smartphone verbringe, sind das 21 Stunden in der Woche, und das wäre ein Halbtagsjob. Rechne ich noch die Fernsehzeit hinzu, kommen wir im europäischen Durchschnitt auf 37 Stunden pro Woche. Das nenne ich unseren unbezahlten Zweitjob als Medienkonsument, den wir freiwillig und natürlich unbezahlt abrackern.«

Wie ein Abrackern fühlt sich das Online-Sein tatsächlich oft an: Wir kontrollieren unsere Arbeits-E-Mails noch vor dem Einschlafen. Wir bearbeiten unsere Urlaubsfotos für unseren Social-Feed. Wir beeilen uns, das beste Online-Schnäppchen zu bekommen. Gemeinsam schreiben wir weltweit 60 Milliarden WhatsApp-Nachrichten am Tag und sehen uns 1 Milliarde Stunden lang YouTube-Videos an. Das macht die Online-Giganten zu Weltmächte – und uns? Wir fühlen uns zunehmend gestresst, gehetzt, durcheinander, unkonzentriert, ungeduldig und oft verloren in der Informationsflut.

 

Um einen Ausgleich zur digitalen Welt zu finden, brauchen wir sichere Inseln
Redaktion

Hast du sichere Inseln in der Informationsflut?

Aus diesem nie abreißenden Strom auszusteigen und nicht auf die Klippen des Digitalen Burn-outs zuzusteuern, ist eine tägliche Herausforderung. Sensitive Coach und Dipl. Psychologin Sylvia Harke hat verschiedene Strategien entwickelt, sich sichere Inseln zu schaffen: »Um einen Ausgleich zu den Pflichten in der digitalen Welt zu finden, achte ich darauf:

  • bewusste Begegnungen mit der Natur zu haben. Ganz besonders energetisierend sind Wanderungen entlang von Wasserfällen, durch den Wald oder zu alten Bäumen in den Stadtparks.
  • In Tönen und im spontanen, intuitiven Singen finde ich zurück zu meiner Eigenschwingung.
  • Ich bin nicht permanent erreichbar. Besonders auch auf Reisen bleibt das Handy oft aus, aber die Mailbox an, um die Klienten und Freunde zurückrufen zu können. Sobald ich via Festnetz erreichbar bin, ist das Handy immer aus.«

 

Die Freiheit des Nicht-Erreichbar-Seins kann uns Angst machen

Der Gedanke daran, ein paar Tage offline zu sein und sich eine Digital Detox-Auszeit zu gönnen ist attraktiv, aber auch mit inneren und äußeren Widerständen verbunden. Denn wir müssen ja erreichbar sein: Für den Chef, für die Kollegen, für die besten Freunde, die eigene Mutter und natürlich die Kinder. 

»Angst hält uns in diesem Müssen gefangen: Die Angst die Kontrolle zu verlieren, unsere Pflicht nicht zu erfüllen, etwas zu verpassen, andere zu enttäuschen, alleine zu sein, nicht eingreifen zu können oder im Notfall nicht da zu sein«, weiß Monika Schmiderer.

Daher hat sie in ihrem Buch SWITCH OFF und hol Dir Dein Leben zurück nicht nur ein 14-Tage-Programm entwickelt, das wir in unserem ganz konkreten Lebensalltag sofort umsetzen können, sondern auch zahlreiche Tipps für die eigene, ganz persönliche digitale Balance für uns.
 

Starte ein kleines analoges Abenteuer
Redaktion

6 goldene Tipps für gute Grenzen in der digitalen Welt

1. Lieben statt Liken
Hol deine Beziehungen wieder ins reale Leben zurück. Am besten, indem du in jeder Kommunikation wieder mindestens einen Gang nach oben schaltest: Nicht mehr tippen, sondern wieder telefonieren. Nicht nur telefonieren, sondern wieder wirklich treffen, und nicht online liken, sondern von Herz zu Herz aussprechen, wie wichtig dir deine Lieben sind. Das verbindet uns.

2. Verwirklichen statt Vergleichen
Soziale Medien sind Vergleichsmaschinen. Beruflich wie privat setzt uns das, was andere präsentieren unter Druck. Entfolge allen, die dir das Gefühl geben, nicht gut genug zu sein, und konzentriere dich wieder auf deine eigenen Stärken, die du verwirklichen kannst.
Trick: Anstatt durch die sozialen Medien zu scrollen, blättere durch deine eigenen Fotos am Handy – und freue dich über die vielen persönlichen Glücksmomente!

3. Falsche virtuelle Verpflichtungen ablegen
Vor allem privat glauben wir, immer für alle erreichbar und unseren Freunden auch online ein guter Fan sein zu müssen. Befreie dich von diesen falschen Pflichten und sprich mit deinen Lieben über deine Entscheidung, online weniger verfügbar, dafür aber im realen Leben entspannter, offener und erlebnislustiger zu sein.

4. Notfalltelefon für Notfälle
Gibt es Widerstände gegen deine neuen Regeln, hol dir für den Notfall ein Tastentelefon, dessen Nummer nur deine Top-5-Kontakte bekommen. So bist du auch dann für Kinder oder Eltern erreichbar, wenn alle anderen im Off bleiben. Mein Mann hat vor 2 Monaten sogar komplett zurück zu einem klassischen Nokia-Telefon gewechselt und erledigt seither alle Aktivitäten in den sozialen Netzwerken, Online-Einkäufe und so weiter am PC.

5. Analoge Abenteuer statt Always-On
Notiere, ohne lange nachzudenken, 10 Dinge, die du unbedingt (wieder einmal) machen möchtest und die dir Freude bereiten. Immer wenn dich Langeweile im Netz gefangen hält, holst du diese Liste heraus – und startest ein kleines analoges Abenteuer.

6. Intuition statt Internet
Lass nicht zu, dass dein Medienkonsum dein Leben konsumiert und die virtuelle Scheinwelt dich verunsichert. Hör auf dein Bauchgefühl, anstatt auf die Stimmen aus dem Netz, und folge deinem inneren Pfad – nicht dem nächsten Link. Das gelingt am besten, wenn du dir jeden Tag bewusst eine kleine Offline-Zeit nimmst etwa bei einer Tasse Tee, um in dich hineinzuhorchen, deinen Tag und deine Erlebnisse zu reflektieren und deine Bedürfnisse wahrzunehmen. Diese Offline-Zeit ist kein Luxus, es ist dein Geburtsrecht. Denn wir sind weit mehr als müde Konsumenten und gestresste Follower. We are creators. Leben wir auch so.
 

 

Ein gelassenes Leben in einer gestressten Welt

Um noch leichter einen gelassenen Umgang mit den neuen Medien zu finden und die eigenen, sensitiven Seiten zu schätzen, geben die Autorinnen Monika Schmiderer und Sylvia Harke in ihrer gemeinsamen Podcastfolge von Rise #2 Hochsensibel und hochvernetzt weitere zahlreiche Tipps.

 

Die Expertinnen im Gespräch

Sylvia Harke
Die Diplom-Psychologin, Sensitive Coach und Autorin dreier Bücher zum Thema Hochsensibilität ist zugleich die Gründerin der hsp academy, der Akademie für Hochsensibilität, Selbstliebe und Herzöffnung. Bereits seit über 20 Jahren begleitet sie kreative, sensitive und empathische Menschen in ihrer Persönlichkeitsentfaltung und bietet in ihrem Blog und YouTube-Channel mit geführten Meditationen Inspiration zu den Themen Hochsensibilität, Spiritualität und Psychologie

Monika Schmiderer
Monika Schmiderer ist Autorin, Unternehmerin, Rednerin und Erfinderin des ersten Digital-Detox-Programms für mehr Kreativität und Lebensfreude, das sie in ihrem Buch »SWITCH OFF und hol Dir Dein Leben zurück« veröffentlicht hat. In ihrem Buch, in ihrem Podcast RISE, in Vorträgen und Seminaren gibt sie wirkungsvolle Tipps für einen guten Umgang mit den neuen Medien.

 

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