Innere Ruhe durch äußere Ordnung
Im Zen-Buddhismus sagt man, dass jeder, der zum Putzen und Aufräumen bereit ist, das Glück der Veränderung erfahren wird. Es lehrt uns, wie wir im Alltag in Körper und Geist Ordnung schaffen und dadurch unser Leben positiv beeinflussen. Aufräumen und Saubermachen sind dabei wesentliche Bestandteile, denn wer seine Umgebung ordnet, bringt auch Ordnung in sein Herz und damit in sein Leben.
Wir stellen dir hier ein paar grundlegende Gedanken und Vorgehensweisen der Zen-Mönche vor. Dabei geht es keineswegs um komplizierte Techniken oder Theorien. Es sind vielmehr einfache Tricks, die dir helfen, in der eigenen Wohnung Ordnung zu schaffen. Du musst nicht alle Vorschläge sofort in die Tat umsetzen. Tu nur das, was dir gerade möglich ist.
Schritt für Schritt
Nimm dir für den Anfang am besten nur eine Sache vor, aber bleib dabei. Wenn du das Aufräumen 100 Tage lang durchhältst, wird es dir zur Gewohnheit werden. Schon mit Kleinem lässt sich viel erreichen. Wenn du nur ein paar Dinge wegräumst, wirst du dich gleich besser fühlen. Allein eine Zeitschrift ins Bücherregal zu stellen kann bereits für Erleichterung sorgen. Koste dieses Wohlgefühl aus, denn das ist wichtig, um motiviert zu bleiben. Wenn du spürst, wie gut du dich nach dem Aufräumen fühlst, möchtest du diesen Zustand auch gerne beibehalten.
Bitte achte darauf, dich beim Aufräumen und Putzen nicht abzuhetzen. Zwinge dich auch nicht dazu. Vor allem mach dir keine Vorwürfe, wenn du es einmal nicht schaffst. Beginn mit etwas Einfachem. Heb beispielsweise die Dinge auf, die am Boden liegen, oder wisch den Tisch ab. Schon ein einziger Schritt vorwärts hat den nächsten Schritt zur Folge, der dich wieder ein bisschen weiterbringt, und irgendwann stellst du fest, dass dir das Aufräumen in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wenn du morgens nur fünf Minuten lang Ordnung schaffst, fühlt sich der Tag gleich schon viel besser an. Probier’s doch am besten gleich hier und heute aus.
Lass los, was nicht wichtig ist
Zen lehrt uns, dass wir mit Wenigem glücklich sein können, wahrscheinlich sogar glücklicher als mit großen Besitztümern. Es gibt japanische Mönche, die ihren ganzen Besitz in zwei Pappkisten unterbringen können. Dies soll nicht heißen, dass du jetzt alles abgeben sollst. Und es bedeutet nicht, dass wir nichts besitzen oder uns nichts mehr kaufen dürfen. Doch wir sollten darüber nachdenken, ob das, was wir haben oder kaufen möchten, wirklich erforderlich ist. Worin besteht wahrer Reichtum? Meines Erachtens gründet er auf dem täglichen Wohlbefinden, das dadurch entsteht, dass wir uns nur mit den Dingen umgeben, die wir tatsächlich benötigen und auch mögen. Wir sollten uns daher von allem trennen, was unnötig ist, und unsere Umgebung möglichst einfach halten.
Die Welt, in der wir leben, ist sehr bequem. Wir sind mit materiellem Reichtum gesegnet und von unzähligen Dingen umgeben. Aber sind wir auch innerlich reich? Vor 150 Jahren, im Übergang von der Edo- zur Meiji-Zeit, besaßen die Menschen in Japan weder Fernseher noch Computer oder Handys. Es gab auch keine Hochgeschwindigkeitszüge oder Flugzeuge. Wenn materieller Reichtum der Maßstab für Glück wäre, müssten wir im Vergleich zu den Menschen damals um vieles glücklicher sein. Aber wie sieht es in Wirklichkeit aus? Möglicherweise war das Leben früher erfüllter als heute, denn die Menschen standen in engem Kontakt mit der Natur; sie kannten die körperliche Freude, Felder zu bestellen und deren Früchte zu ernten. Oder sie widmeten sich voller Enthusiasmus dem Aufbau eines neuen Staates. Was aber können wir heute tun, um ein innerlich erfülltes Leben zu führen? Ein erfülltes Leben bedarf einer unendlichen Einfachheit, die wir dadurch finden, dass wir uns von allem Überflüssigen und Unnötigen lösen. Zen lehrt uns eine Methode, um zu dieser unendlichen Einfachheit zu gelangen.
Wenn wir uns konsequent all der unnötigen Dinge entledigen, die wir angesammelt haben, ohne uns dessen bewusst zu sein, erreichen wir den Zustand des mushin, in dem wir durch nichts abgelenkt werden und in dem unser Geist und unser Herz frei und offen sind. In diesem Moment leuchtet unser ursprüngliches Selbst, und unser Herz findet Zufriedenheit. Lass also los, was nicht mehr zu dir gehört. Wie wär’s, wenn du dich von den Sachen trennst, die du seit 3 Jahren nicht mehr verwendest?
Dein Zuhause ist ein heiliger Ort
Weißt du, warum man in japanischen Häusern im Eingang die Schuhe auszieht? Natürlich tun Japaner dies auch, um keinen Dreck und Staub ins Haus zu tragen, aber tatsächlich hat es noch eine tiefere Bedeutung. In alter Zeit wurde kutsu 靴, »Schuhe«, mit dem Zeichen沓 geschrieben, dessen zweite Lesung kegare, »Unreinheit«, bedeutet. Sich im Eingang die Schuhe auszuziehen hat also die zentrale Bedeutung, die Unreinheit von draußen nicht mit ins Haus zu tragen. »Ein Schritt nach draußen beschert einem sieben Feinde«, heißt es, und diese Redewendung zeigt, dass jeder Gang nach draußen mit Stress verbunden ist. Selbst wenn die Menschen ihre Einkäufe oder irgendeine Kleinigkeit erledigen, kommen sie mit unzähligen Menschen in Kontakt. Manchmal ärgern sie sich dabei oder fühlen sich unbehaglich. Auch in der Firma oder Schule kommt es vor, dass sie mit jemandem aneinandergeraten oder dass etwas nicht so läuft, wie sie es wollen. Zu Hause erholen sie sich von dem Stress und der Erschöpfung, es ist ein wichtiger Ort, an dem sie wieder zu sich selbst finden. Aber was, wenn dort alles in der Gegend herumfliegt? Sie haben am Eingang extra alles Unreine abgelegt, werden doch dann mit neuem Stress konfrontiert. Wenn du bereits an der Haustüre deine Schuhe ausziehst, tust du somit bereits symbolisch einen ersten Schritt in Richtung innere Ordnung. Wie wär’s, wenn du und alle, die deine Wohnung oder dein haus betreten, ab heute die Schuhe vor dem Eingang ausziehen?
Eine saubere Wohnung ist eine Selbstverständlichkeit
Im Zen-Buddhismus geht man davon aus, dass der Zustand der Wohnung den Zustand unseres Herzens widerspiegelt. Möchtest du dich dann nicht sofort ans Aufräumen machen? Menschen, in deren Wohnung Ordnung herrscht, haben auch in ihren Herzen klare Verhältnisse und werden seltener von unnützen Gedanken und Sorgen geplagt. Sie wissen, wo sich was befindet, und sind nicht ständig auf der Suche danach. Wenn wir hingegen in unserer Wohnung keinen Fuß vor den anderen setzen können, kommen wir nicht wirklich zur Ruhe. Denn dann müssen wir immer erst alles Mögliche wegräumen oder das, was wir brauchen, finden, bevor wir etwas machen können.
Betrachte deine Wohnung so, als würdest du jemand besuchen. Betrachte deine Wohnung so, als wäre sie der Spiegel deines Inneren. Was empfindest du, wenn du deinen Blick ganz unvoreingenommen durch deine Wohnung gleiten lassen?
Buddha Shakyamuni hat einmal gesagt: »Das Herz gerät leicht in Verwirrung. Darum müssen wir es richten.« Bei einer Wohnung ist es dasselbe. Wenn wir unsere Sachen liegen lassen, fliegen sie bald überall herum und werden staubig. Aber mach dir keine Sorgen, falls es in deiner Wohnung momentan drunter und drüber geht. Sobald du in einer aufgeräumten Wohnung lebst, merkst du, wie angenehm das ist. Du möchtest diesen Zustand bewahren, und so wird eine ordentliche Wohnung eines Tages auch selbstverständlich für dich sein.