Autophagie: Jünger, vitaler, schlanker – Was bringt Fasten?
Zunächst sollten wir uns vor Augen halten, dass sich die Menschheit schon seit jeher reinigende Rituale angeeignet hat, die in der jeweiligen Vorstellung den Körper von Giften, Verdauungsresten oder Krankheiten befreien sollten – auch mental. Diese Rituale fanden mit Fortschritt der Wissenschaft immer mehr Abwandlungen und mögliche Erklärungen, auch daran hat sich heute nichts geändert.
Beruhigend kann festgestellt werden, dass weder die Menschen, die einem bestimmten Ritual gefolgt sind, noch die Menschen, die dies nicht taten, deswegen durchschnittlich früher von dieser Welt gehen mussten. Das lässt sich so einfach sagen, weil es wohl keinen Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte gab, zu dem jeder Mensch exakt den gleichen Fastenritualen gefolgt ist, waren sie nun religiös oder medizinisch begründet.
Die einzig wahre Methode zur Verjüngung gibt es nicht
Und dennoch ist die Lebenserwartung in den letzten Hundertjahren dramatisch angestiegen. Die eine und wahre Methode zur Verjüngung gibt es also nicht, hingegen gibt es allerdings viele Irrläufer. Das kalifornische Start-Up »Ambrosia« versucht, mit Bluttransfusionen junger Menschen den Alterungsprozess zahlungskräftiger älterer Menschen zu verlangsamen. Fasten leicht gemacht, wenn einfach das Blut ausgetauscht wird, könnte man sagen.
Schon in den 1880er-Jahren kam der Physiologe Charles Brown-Séquard im Alter von 72 Jahren auf die Idee, die Hoden von Haustieren zu pürieren und sich den Extrakt anschließend zu injizieren. Angeblich fühlte er sich danach wie ein Vierzigjähriger. Womöglich waren es die Hormone, die ihm einen frischen Antrieb vorgaukelten. Die Hormontherapie hat heute sicher einen Anwendungsnutzen, dennoch das Altern kann auch sie nicht aufhalten.
Vielleicht auch interessant für dich: Lies hier mehr über Hormone: Gesundheitsfördernd oder -schädlich? oder höre dir unseren Podcast #42: Dr. Franca Parianen über Hormone an.
Autophagie: körpereigene Reinigung
Fasten war hingegen schon in seinen frühen Tagen stärker von einer spirituellen Reinigungsabsicht gekennzeichnet als von der Hoffnung, den Körper zu verjüngen. Dazu kam es erst, als die moderne Forschung erkannte, dass eine kalorienarme Ernährung in Körperzellen einen Prozess in Gang setzt, der als Autophagie bezeichnet wird. Er steht für die Beseitigung kranker oder alter Zellen durch das eigene Immunsystem.
Auch wenn die Mechanismen bereits vorher bekannt waren, wurde die Aufmerksamkeit für die Verknüpfung des Fastens mit der Autophagie erst mit der Verleihung des Medizinnobelpreises 2016 populär. Seither liegt Fasten stark im Trend. Wir haben die Wahl zwischen Fasten über mehrere Stunden hinweg, tageweisem Fasten und mehrere Wochen dauerndem Fasten. Gerade die Konzepte, die einem Wochenprogramm folgen, sind bereits seit vielen Jahrzehnten erprobt, und sie existieren in sämtlichen Ausprägungen.
Fasten beeinflusst nicht die Lebenserwartung
Um jegliche Art von Fasten ist inzwischen bereits ein Sammelsurium an Mythen gewachsen. Niemand wird jedoch ein besserer Mensch durch Fasten, auch wenn man sich nach einer Fastenkur womöglich besser fühlt. Dieses Gefühl wird schlicht dadurch vermittelt, dass die starke Einschränkung der Energiezufuhr unsere Sinne in den »Habacht-Modus« versetzt. Ein biologischer Reflex, wenn eine Phase des Hungerns einsetzt und der Körper vor allem Nahrungsquellen sichten muss und ansonsten alles andere auf das Nötige beschränkt.
Dieses oft als »gesteigerte Vitalität« beschriebene Gefühl mag uns auch an eine Verjüngung denken lassen. Doch leider lässt sich selbst bei sehr großen muslimischen Populationen, die jedes Jahr religiös bedingt fasten, keine längere Lebenserwartung feststellen als in westlichen Industrienationen, wo das religiöse Fasten infolge der Beratungen und Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils seit 1966 nicht mehr vorgeschrieben wird.
Die Lebenserwartung liegt in Saudi-Arabien zum Beispiel bei 75 Jahren, in den Vereinigten Arabischen Emiraten bei 78 Jahren, im Iran bei 76 Jahren und in der Türkei bei 77 Jahren. Im bevölkerungsreichsten muslimischen Land Indonesien liegt die Lebenserwartung sogar nur bei 72 Jahren. In katholisch geprägten Ländern wie Polen sind es 78 Jahre, in Italien und Spanien 83 Jahre. Und auch in weitgehend vom religiösen Fasten freien Ländern wie China liegt die Lebenserwartung inzwischen bei 77 Jahren. Die vermeintliche
Verjüngungsformel durch Fasten gefunden zu haben, wie manch einer vorgibt, ist also bestenfalls eine schöne Geschichte.
Wo Fasten einen erwiesenen Nutzen hat
Therapeutisch gesehen kann Fasten jedoch tatsächlich einen erwiesenen Nutzen haben, wenn es vom behandelnden Arzt begleitend eingesetzt wird:
- bei Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen
- bei Diabetes mellitus Typ 2
- bei entzündlichen Erkrankungen
- bei neurologischen Erkrankungen
Meine Lösung: Mikrointervallfasten
Wer keine der oben genannten Erkrankungen diagnostiziert hat, muss sich auch keiner Fastenkur unterwerfen. In meinem Buch »Das Geheimnis des gesunden Alterns« schlage ich daher die im Alltag für gesunde Menschen völlig ausreichende Form des »Mikrointervallfastens« vor.
Kurz gesagt, achte ich dabei darauf, dass ich nach jeder Mahlzeit (nur eine Portion!) eine Essenspause von mindestens zwei Stunden einhalte, damit der Stoffwechsel zwischen den Mahlzeiten ausreichend Zeit hat, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Dies kann man auch als »Mahlzeitenfrequenzkontrolle« bezeichnen. Intervallfasten nach dem »16:8« oder »5:2« Prinzip ist für die meisten Menschen zwar auch leicht umsetzbar, aber eben nicht ein Leben lang.
Was du beim Fasten beachten solltest
Egal, für welche Methode du dich entscheidest, auf folgende Punkte solltest du achten, sobald du tageweise oder halbtags komplett auf feste Nahrung verzichten möchtest:
- Die tägliche Energieaufnahme sollte niemals unter 600 bis 700 Kalorien liegen. Alles, was dir darunter verkauft wird, solltest du schnell wieder vergessen. Bei längeren Fastenzeiten solltest du nicht unter 1000 Kalorien liegen.
- Täglich sollten mindestens 75 Gramm Kohlenhydrate, 50 Gramm vollwertiges Eiweiß, 15 Gramm Fett und mindestens 2,5 bis 3 Liter Flüssigkeit aufgenommen werden.
- Vitamin B1, Thiamin, gilt es gegebenenfalls durch Nahrungsergänzung zusätzlich einzunehmen, da die B1-Speicher nur zwei bis zehn Tage ausreichen und bei einem akuten Mangel die Herzfunktion insbesondere bei vorliegender Herzschwäche beeinflusst wird.
- Bevor du mit einer kohlenhydratreduzierten Kost oder mit einer Fastenmethode beginnst, solltest du deine Harnsäurewerte im Blut kennen. Lasse diese im Zweifel vorher bei einem Arzt messen, da bei ohnehin schon erhöhten Werten und gleichzeitiger Kohlenhydratknappheit zunächst die Menge der Harnsäure im Blut ansteigt. Der Grund ist, dass die bei Kohlenhydratmangel auftretende Ketose per se bereits zu einem Anstieg von Harnsäure im Blut führt, da die Ketonkörper mit der Harnsäure um die Ausscheidung über die Nieren konkurrieren. Somit steigt der Harnsäurepegel im Blut, und ein Gichtanfall wird wahrscheinlicher. Im Extremfall kann es zu Harnsäuresteinen in der Niere und zum akuten Nierenversagen kommen.
- Nicht nur wegen der geschilderten Gefahr eines Gichtanfalls und Nierenversagens, sondern auch wegen der Herzfunktion ist Trinken das A und O während kohlenhydratreduzierter Ernährungsphasen. Sinkt die Kohlenhydratzufuhr unter 50 Gramm pro Tag, was bei den ketogenen Diäten notwendig ist, so führt dies zu einer vermehrten Ausscheidung von Natrium und Wasser über die Nieren. Der Flüssigkeitsverlust führt zu einem niedrigeren Blutdruck, daher müssen ausreichend Flüssigkeit und Natrium zugeführt werden, um den Blutdruck und die Flüssigkeits- sowie Elektrolytbilanz im Gleichgewicht zu halten. Sonst drohen Komplikationen, die vom Kreislaufkollaps bis zum Schlaganfall und Herzinfarkt reichen können. Ein natriumreiches Mineralwasser ist also beim Fasten und bei kohlenhydratreduzierter Kost unbedingt zu empfehlen.
Weitere wertvolle Hinweise, wie aktives und genussvolles Altern gelingt, habe ich in meinem Buch zusammengefasst. Frei nach dem Motto »Altern beginnt ab der ersten Sekunde nach der Geburt« ist für jeden etwas dabei.
Lies hier, die 6 wichtigsten To Do's, um gesund älter zu werden.