Kochen mit den 6 Geschmacksrichtungen

Vier Geschmacksrichtungen fallen wahrscheinlich jedem und jeder auf Anhieb ein: Süß, sauer, salzig und bitter sind weit geläufig und leicht aus einer Mahlzeit heraus zu schmecken. Doch es gibt noch eine fünfte, nach Ayurveda sogar eine sechste Geschmacksrichtung. Diese beiden bringen nicht nur noch mehr Vielfalt auf den Teller, sondern können ihren Beitrag zu einer gesunden Ernährung und einem ausgeglichenen Körper leisten.

Evolutionär betrachtet ist ein gut entwickelter Geschmackssinn überlebenswichtig. Und auch heute sorgen die verschiedenen Geschmacksrichtungen dafür, dass unser Körper immer optimal mit allen Nährstoffen versorgt wird.

Das Problem: Durch stark verarbeitete Lebensmittel und einen Alltag, der zunehmend stressig ist und Multitasking fordert (Stichwort: Essen vorm Bildschirm), haben wir verlernt, alle Geschmacksrichtungen richtig wahrzunehmen. Dabei liegen auf unserer Zunge Hunderte von Geschmacksnerven, die uns eigentlich eine richtige Geschmacksexplosion mit jedem Essen versprechen sollten.

Wer jedoch viele Fertigprodukte konsumiert, die stark auf einzelne Geschmacksrichtungen einzahlen und unsere Geschmacksnerven langfristig überlasten, verliert schnell das Gefühl für die fünf (bzw. sechs) Geschmacksrichtungen.

 

Alle Geschmäcker auf dem Teller zu haben, ist gleichbedeutend mit Glück.
Volker Mehl

Wie viele Geschmacksrichtungen gibt es? 

Bezogen auf die Geschmacksrichtungen gibt es verschiedene Ansätze. Häufig genannt werden fünf Geschmacksrichtungen: 

  • süß
  • sauer
  • salzig
  • bitter
  • umami

Die ersten vier Geschmacksrichtungen dürften für viele selbsterklärend sein. Auf süße Lebensmittel reagieren wir von Geburt an, schließlich vermittelt ein süßer Geschmack das Signal: schnelle Energie durch hochkalorische Kohlenhydrate. Auch die salzige Geschmacksrichtung kennt jede:r. Evolutionär gibt salziger Geschmack einen Hinweis auf lebensnotwendige Mineralstoffe. 

Salz bzw. Natriumchlorid regelt den Wasserhaushalt, reguliert Verdauung und Nervenhaushalt und ist wichtig für den Knochenaufbau. Salzige Nahrungsmittel führen wir uns daher mindestens genauso gerne zu wie süße – etwas, das sich die Lebensmittelindustrie mit Schokolade, Chips, Wurst und Co. zu Nutze macht. Folglich konsumieren wir tendenziell zu viel Salz und Zucker und verlieren buchstäblich den (Geschmacks-)Sinn für natürliche Süße oder Salz. 

Schon ein Blick auf die Zutatenliste der einzelnen Lebensmittel lohnt sich für eine bewusstere Ernährung. Zucker-Ersatzstoffe wie z.B. der Süßstoff Aspartam können die Lust auf Süßes befriedigen und haben dabei weniger Kalorien als Haushaltszucker. Allerdings gehen die Meinungen darüber, wie gesund künstliche Süßstoffe sind, auseinander. Wenn du selbst kochst, kannst du zum Süßen Agavendicksaft oder Honig benutzen. 

Evolutionär angelegt sind auch die anderen Geschmacksrichtungen. Bitter und Sauer sollen jeweils vor giftigen bzw. verdorbenen Lebensmitteln warnen. Je bitterer ein Lebensmittel in der Natur, umso schädlicher kann es für den Menschen sein – gegen diese Geschmacksrichtung hegen wir also tendenziell eine Abneigung. 

Viele Gemüsesorten wie etwa Rucola, Chicoree und Co. werden daher mittlerweile mit weniger Bitterstoffen gezüchtet, obwohl diese durchaus wichtig für unseren Organismus sind. Viele Heilpflanzen wie Löwenzahn und Aloe vera sind ebenfalls von Natur aus bitter, in diesem Falle aber äußerst gesund.

Die Geschmacksrichtung Sauer soll auf unreife Lebensmittel oder Fermentiertes hinweisen. Doch auch hier gilt: Eine leicht säuerliche Note (etwa bei Beeren, Zitrusfrüchten oder Sauerkraut) kann durchaus auf gesundes Essen hinweisen. 

 

Bittere und saure Lebensmittel

Die fünfte Geschmacksrichtung Umami

Umami wurde schon 1908 von dem japanischen Forscher Kikunae Ikeda als Geschmacksrichtung definiert, wortwörtlich lässt sich diese fünfte Geschmacksrichtung mit fleischig, herzhaft und wohlschmeckend übersetzen. Ausgelöst wird diese Geschmacksrichtung durch proteinreiche Nahrung.

Die Geschmacksnerven der Zunge sollen auf die Aminosäuren Glutaminsäure und Asparaginsäure anspringen, die in erster Linie in eiweißreichen Lebensmitteln wie Fleisch, Käse und Pilzen, aber auch in Tomaten und Sellerie stecken. 

Die Geschmacksrichtung Umami soll also signalisieren, welche Lebensmittel besonders eiweißreich und damit ein wichtiger Energielieferant sind. Aber: Der Anteil an Glutaminsäure lässt sich auch durch künstliche Geschmacksverstärker wie Natriumglutamat verstärken. Gesünder und eiweißhaltiger werden die Speisen dadurch aber natürlich nicht. Und: Wer regelmäßig Fertigprodukte mit Glutamat verzehrt, kann tatsächlich den Geschmack an natürlichen Lebensmitteln verlieren. 

 

Die 6 Geschmacksrichtungen nach Ayurveda

Wer sich für intuitive Ernährung interessiert, wird womöglich schon einen Blick in die ayurvedische Küche geworfen haben. Bei dieser Lebenskunst geht es um bewusstes Essen, sowohl bezüglich der Nahrungsmittel als auch der Art, wie und wo gegessen wird. Nach Ayurveda werden sogar sechs Geschmacksrichtungen benannt: 

  • süß
  • sauer
  • salzig
  • bitter
  • scharf
  • herb

Dabei gilt es, in jeder Mahlzeit alle sechs Geschmacksrichtungen zu berücksichtigen. Nach Ayurveda schafft das Vorkommen aller Geschmacksrichtungen in einer Mahlzeit einen Ausgleich zwischen allen Elementen, die unseren Körper beeinflussen und bringt diesen so in Einklang. Gleichzeitig reduzierst du damit Heißhungerattacken oder die Lust auf Snacks zwischendurch. 

Die ayurvedische Ernährungsphilosophie berücksichtigt aber nicht nur die sechs Geschmacksrichtungen für die heilsamen Kräfte der Speisen, sondern auch die Art und Weise, wie du deine Mahlzeiten einnimmst. Statt unbewusst und nebenbei, sollen die Speisen achtsam und in einer angenehmen Atmosphäre eingenommen werden.

Nicht nur schont es die Verdauung, gründlich zu kauen, anstatt geistesabwesend zu schlingen – es schult auch unsere Geschmacksnerven und hilft, alle fünf bzw. sechs Geschmacksrichtungen wieder wahrzunehmen. Und wer möglichst bunt und geschmacklich vielfältig kocht, tut automatisch etwas für die Gesundheit.

 

Zitronen sauer Geschmacksrichtung

Kochen mit allen Geschmacksrichtungen

Je öfter du selbst kochst und die Zutaten sowie ihre Menge selbst kontrollieren kannst (besonders bezogen auf Zucker und Salz), umso schneller findest du zu sensiblen Geschmacksnerven zurück, die nicht durch Geschmacksverstärker blockiert werden. Dann wirst du auch wieder die leichte Süße der Kartoffel schmecken oder Gefallen am bitteren Geschmack eines Radieschens finden. 

Für den einfachen Einstieg in ein Gericht mit allen Geschmacksrichtungen möchten wir dir ein warmes Frühstücksrezept mit an die Hand geben. Bekanntlich macht der Morgen den Tag und das leichte, aber nahrhafte Frühstück spricht alle Geschmacksnerven an.

Dieses gesunde und nahrhafte Frühstück macht nicht nur glücklich, es legt auch eine gute Grundlage für den Tag und den Einstieg in eine bewusste Ernährung (ob du nun gleich nach der ayurvedischen Philosophie essen oder nach und nach den Fokus auf frisches Kochen mit alle Geschmacksrichtungen legen möchtest). 

Rezept für Hirse-Birnen-Aprikosen-Frühstück 

Zutaten (für 2 Personen):

  • 100 g Hirse
  • 1 Birne
  • 50 g getrocknete Aprikosen
  • 1/2 EL Ghee
  • 1 TL Zimt
  • 50 g gehackte Mandeln
  • 400 ml Wasser
  • Abrieb von einer unbehandelten Orange
  • 10 Minzblätter
  • 1 Prise Salz
  • 1 EL Honig

Zubereitung:

1. Die Hirse gut waschen und abtropfen lassen. Birne waschen, entkernen und in Würfel schneiden. Die Aprikosen in Streifen schneiden. 

2. Das Ghee in einem Topf erhitzen, dann Zimt, Mandeln und Hirse dazugeben und gut vermischen. Mit Wasser aufgießen und 10 Minuten kochen lassen, anschließend die Hitze reduzieren. Birnen, Aprikosen und Orangenabrieb untermischen und weitere 10 Minuten ziehen lassen. Die Minze fein hacken. 

3. Den Hirsebrei zum Schluss mit etwas Salz abschmecken, in Schüsseln verteilen und mit Honig und Minze dekorieren. 

4. Schließe die Augen und genieße das Frühstück mit allen Sinnen. Schmeckst du die einzelnen Geschmacksrichtungen heraus? Die Süße der Birne und Aprikosen, die feine Säure der Orange? Oder die dezente Schärfe von Zimt und die herbe Note der Mandeln? 

 

Fazit: Gesund kochen und essen mit allen Geschmacksrichtungen

Unsere Geschmacksnerven werden gerne unterschätzt. Dabei haben sie unseren Vorfahren nicht nur das Überleben gesichert, sondern sind auch für uns heute Wegweiser zu einer gesunden Ernährung. Wie wir unseren Körper optimal mit allem versorgen können, verlernen wir aber gerne – unter anderem, weil Fertiggerichte und Co. unsere Geschmacksnerven beanspruchen und den Sinn für alle natürlichen Geschmacksrichtungen schwächen. 

Mit Achtsamkeit und etwas Übung kannst du aber deine Geschmacksnerven wieder schulen und so alle fünf bzw. sechs Geschmacksrichtungen mit jedem Bissen wahrnehmen. So findest du langfristig zu einer intuitiven Ernährung und lernst, auf deinen Körper zu hören, um ihm das zu geben, was er gerade an Nährstoffen benötigt. 

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