Was ist Pilates und wie effektiv ist es?

Über die Prinzipien und Vorteile von Pilates und was der Unterschied zwischen Yoga und Pilates ist

Pilates – Training für die Körpermitte

Momentan ist Pilates überall. Es verspricht einen starken, beweglichen Körper, einen flachen Bauch und eine verbesserte Haltung. Aber was steckt wirklich dahinter? Zurück geht es auf Joseph H. Pilates, der im frühen 20. Jahrhundert ein ganzheitliches Bewegungskonzept entwickelte, das Körper und Geist miteinander verbindet. Er beschäftigte sich mit Yoga, studierte Tierbewegungen und entwickelte aus seinen Beobachtungen genau jene Lehre, die heute Pilates heißt. Sein ursprüngliches Ziel war die Rehabilitation von Kranken und Verletzten in den Lazaretten des Ersten Weltkriegs, später wurde seine Methode vom Ballett beeinflusst und für Profitänzer:innen weiterentwickelt.

Pilates glaubte fest daran, dass wir alle wesentlich glücklicher sind, wenn wir uns bewegen und unseren Körper kräftigen.
Tracy Ward in »Pilates – Die Anatomie verstehen«

»Alle Kraft kommt aus der Körpermitte.« Das war einer von Pilates' zentralen Leitsätzen. Anfangs entwickelte er 34 Übungen, die alle eine Mischung aus Yoga, Ballett und klassischen Turnübungen waren. Diese Übungen werden immer langsam, konzentriert und bewusst ausgeführt. Zentrum des Ganzen ist das Powerhouse, also die Körpermitte.

Im Zentrum eines jeden Trainings stehen sechs Prinzipien: 

  • Zentrierung (Powerhouse): Kraftzentrum ist immer die tiefliegende Rumpfmuskulatur rund um Bauch, Rücken und Beckenboden. Das Powerhouse wird bei jeder Pilates-Übung bewusst aktiviert.
     
  • Kontrolle: Alle Übungen werden achtsam und präzise ausgeführt. Qualität geht hier vor Quantität. 
     
  • Atmung: Bewusstes Atmen unterstützt die Bewegung. Meist wird in der Vorbereitungsphase ein- und in der Anspannung ausgeatmet. 
     
  • Präzision: Jede Bewegung innerhalb einer Übung wird ganz bewusst wahrgenommen. 
     
  • Konzentration: Die Bewegung bekommt die volle Aufmerksamkeit – kein Multitasking, kein Gedankenkarussell
     
  • Bewegungsfluss: Die Übungen sollen fließend und geschmeidig ausgeführt werden. Auch die Übergänge sind Teil der Übungen.

Welche Pilates-Variante passt zu dir?

Der klassische Pilates-Stil folgt den Originalübungen von Joseph Pilates, meist in einer festen Reihenfolge. Er ist ideal für alle, die es gerne klar und methodisch mögen und sich Schritt für Schritt verbessern möchten. 

Seit seinen Anfängen hat sich Pilates aber stetig weiterentwickelt: Mittlerweile gibt es über 500 Pilatesübungen, die im Rahmen modernerer Pilatesformen praktiziert werden. Diese Pilatesform ist oft kreativer, dynamischer und offen für neue Impulse – etwa aus der Faszienforschung, der Physiotherapie oder dem funktionellen Training. Hier werden Übungen variiert, angepasst und mit kleinen Hilfsmitteln ergänzt. So bleibt das Training abwechslungsreich und lässt sich auf individuelle Bedürfnisse abstimmen.

 

Was ist Reformer Pilates? 

Wer Pilates kennt, denkt oft zuerst an die Matte. Und ja, du kannst Pilates ganz pur auf der Matte ausführen, nur mit deinem eigenen Körpergewicht als Werkzeug. Darüber hinaus gibt es zahlreiche kleine Hilfsmittel, die Abwechslung und gezielte Reize bieten, etwa: 

  • Softball
  • Widerstandsband
  • Pilates-Ring
  • Faszienrolle

Schon Joseph Pilates entwickelte außerdem spezielle Geräte, die ein besonders präzises und individuelles Training ermöglichen. Sie sind eine spannende Erweiterung für alle, die tiefer einsteigen wollen oder Abwechslung suchen: 

  • Reformer: Eine Konstruktion aus Federn, Seilzügen und einer beweglichen Plattform. Du kannst gezielt gegen Widerstand trainieren und so deine Beweglichkeit verbessern.
     
  • Cadillac (oder Trapeztisch): Ein vielseitiges Gerät mit Federn, Stangen und Schlaufen. Du arbeitest besonders gelenkschonend – ideal für Reha, Dehnung und gezielte Körperkontrolle.
     
  • Chair: Ein kompaktes Trainingsgerät mit Federwiderstand und Trittfläche. Du kräftigst Beine, Core und Arme im Sitzen, Stehen oder in Balancepositionen.
     
  • Barrel: Eine halbrunde, gepolsterte Form für Dehnung und Aufrichtung. Du unterstützt Rückbeugen, öffnest die Brust und mobilisierst deine Wirbelsäule

 

Was bringt Pilates? Vorteile und Wirkung

Ziel von Pilates ist ein gleichmäßiger Muskelaufbau, besonders im Bereich rund um Bauch, Rücken und Beckenboden – eben dem Powerhouse. Es geht nie darum, einzelne Muskeln isoliert zu stärken oder möglichst schnell zu schwitzen. Stattdessen trainierst du deinen Körper ganzheitlich und bewusst

Wie oft du Pilates machen solltest, hängt ein bisschen von deinem Ziel, deinem Alltag und deinem Trainingslevel ab. Insgesamt ist für den Anfang 2–3 Mal pro Woche ideal. Schon 20–30 Minuten pro Einheit, etwa als Morgenroutine, können sehr effektiv sein, wenn du sauber und konzentriert trainierst. Regelmäßiges, bewusstes Üben bringt langfristig mehr als ständiges Powern. 

Besonders beliebt ist Pilates bei Frauen ab 40, wenn langsam die Wechseljahre anstehen. Aber eigentlich ist Pilates ein Sport für alle – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Fitnesslevel. Ursprünglich wurde Pilates sogar für Männer entwickelt als Reha- und Stabilisierungstraining für verletzte Soldaten und später auch für Tänzerinnen und Tänzer. Heute profitieren alle davon, die ihren Körper gezielt stärken und gleichzeitig achtsamer mit sich umgehen möchten: Denn Pilates 

  • stärkt gezielt die Tiefenmuskulatur,
     
  • verbessert Haltung und Körperwahrnehmung,
     
  • kann bei Rückenschmerzen und Verspannungen helfen,
     
  • fördert Beweglichkeit und Gleichgewicht,
     
  • schont die Gelenke,
     
  • lässt dich bewusster atmen und entspannen,
     
  • schult Achtsamkeit und Konzentration.

 

Darüber hinaus kann Pilates auch ganz gezielt bei gesundheitlichen Beschwerden helfen, etwa bei Arthrose, Hypermobilität, Osteoporose oder Skoliose.

 

Pilates vs. Yoga

Katze-Kuh, Brücke, Plank – auf den ersten Blick ähneln sich Pilates und Yoga sehr, und tatsächlich war Yoga eine wichtige Inspirationsquelle für die Entstehung von Pilates. Beim genaueren Hinsehen verfolgen sie jedoch unterschiedliche Ziele

  • Yoga hat seine Wurzeln in der indischen Philosophie und integriert neben körperlichen Übungen (Asanas) auch Atemtechniken, Meditation und spirituelle Praxis. Der Fokus liegt hier auf der Verbindung von Körper und Geist.
     
  • Pilates dagegen ist funktioneller ausgerichtet: Der Fokus liegt auf der Fitness und einem gezielten Muskelaufbau ohne Achtsamkeitstechniken.
Pilates lehrt die Bewegung von der Körpermitte aus und fördert so kräftige, schlanke Muskeln.
Tracy Ward in »Pilates – Die Anatomie verstehen«

Kurz gesagt verbindet Yoga Bewegung mit innerer Ruhe, Achtsamkeit und Dehnung. Pilates ist eher funktionell, körperbetont und ideal zur Stärkung von Rumpf und Haltung. Ist dein Ziel Abnahme oder Muskelaufbau, dann könnte Pilates besser zu dir passen. Insgesamt sind beide Praxisarten aber kein Widerspruch, sondern können sich sogar wunderbar ergänzen.

 

Pilates-Grundübungen für den Einstieg

Du möchtest Pilates einmal versuchen? Diese beiden Übungen kannst du zuhause auf deiner Matte ausprobieren: Sie sind einfach, aber effektiv und geben dir einen guten Eindruck, wie Pilates funktioniert. Wichtig ist, dass du die Übungen langsam und kontrolliert ausführst und die Angaben zum Atemrhythmus beachtest:

 

Hundert (The Hundred)

Illustration der Pilates-Übung „The Hundred" , inklusive einer vereinfachten Variante mit angewinkelten Beinen.

Diese Übung ist ein Klassiker für die Aktivierung des Powerhouses und der Atmung:

  • Ausgangsposition: Rückenlage, beide Beine im 90°-Winkel in der Höhe, die Arme liegen neben dem Körper.
     
  • Hebe Kopf und Schultern leicht an, strecke deine Arme nach vorne und pumpe sie in schnellen, kraftvollen Bewegungen auf und ab.
     
  • Atmung: Atme über 5 Pumps ein, dann über 5 Pumps aus. Insgesamt 10 Atemzyklen, also 100 Pumps. 
     

Tipp: Wenn dir das Ganze noch etwas zu anstrengend ist, lass die Beine aufgestellt oder nur leicht angehoben.

 

Single Leg Stretch

Anatomische Darstellung der Pilates-Übung „Single Leg Stretch“

Diese Übung ist perfekt, um die tiefen Bauchmuskeln zu stärken und gleichzeitig deine Koordination zu schulen: 

  • Ausgangsposition: Rückenlage, beide Beine im 90°-Winkel in der Höhe.
     
  • Greife mit beiden Händen das rechte Knie, strecke das linke Bein lang aus. Nun wechsle dynamisch: Zieh das linke Bein an, strecke das rechte aus. Achte darauf, den unteren Rücken auf der Matte zu halten.
     
  • Atmung: Einatmen – Beinwechsel – Ausatmen – Beinwechsel.

 

Fazit: Pilates ist mehr als ein Fitnesstrend

Egal ob auf der Matte oder am Gerät, klassisch oder modern: Pilates ist ein Training, das auf Kontrolle, Atmung, Zentrierung, Präzision, Konzentration und fließende Bewegungen setzt. Im Mittelpunkt steht dabei nicht deine Leistung, sondern dein Körperbewusstsein. Regelmäßiges Pilatestraining stärkt vor allem die tiefliegende Rumpfmuskulatur, verbessert Haltung und Koordination und kann dir dabei helfen, Alltagsbeschwerden wie Rückenschmerzen vorzubeugen.