Achtsamkeit im Alltag: 3 Übungen und Beispiele für ein achtsames Leben

Was Achtsamkeit ist und welche Achtsamkeitsübungen sich leicht umsetzen lassen

Stell dir vor, du stehst morgens im Bad und putzt dir deine Zähne. In Gedanken bist du bereits bei deinen nächsten Schritten, gehst vielleicht deine Tages-To-dos durch oder denkst über vergangene Ereignissen nach. Der ganze Vorgang dauert zwei bis drei Minuten – und in dieser ganzen Zeit hast du wahrscheinlich nicht ein einziges Mal wahrgenommen, was gerade, also im gegenwärtigen Moment, passiert. Nämlich, dass du dir die Zähne putzt. Du warst auf Autopilot und mit den tausend Gedanken beschäftigt, die in deinem Kopf herumgeschwirrt sind.

Keine Sorge, das geht den meisten Menschen so und ist auch völlig normal. Doch wenn du nicht nur beim Zähneputzen, sondern den ganzen Tag in diesem Modus bist, also in deinen Gedanken »gefangen« bleibst, ohne dir mal einen Moment der Ruhe zu gönnen, kann das zu Stress und Druck führen und sich langfristig auf deine körperliche und mentale Gesundheit auswirken. Genau hier schenkt dir die Praxis der Achtsamkeit die Möglichkeit, aus diesem Modus auszusteigen und wieder bei dir selbst anzukommen. 

Auf unser Beispiel angewendet bedeutet das: Wenn ich mir die Zähne putze, putze ich mir die Zähne. Du nimmst also wahr,

  • wie deine Hand sich bewegt,
  • wie die Bürste deine Zähne berührt,
  • wie die Zahnpasta schmeckt,
  • wie deine geputzten Zähne sich anfühlen,
  • wie deine Füße währenddessen fest auf dem Boden stehen
  • und wie die Temperatur in deinem Bad sich auf deiner Haut anfühlt.  

Das alles nimmst du wahr, ohne diese ganzen Vorgänge zu bewerten oder irgendwo einzuordnen. Du bist in vollem Bewusstsein darüber, was genau jetzt gerade geschieht – nicht mehr und nicht weniger.

 

Was ist Achtsamkeit? 

Achtsamkeit meint das bewusste Innehalten; dass du dich selbst wieder in die Realität holst und diese tatsächlich er-lebst. Du kommst wieder mit dir selbst in Kontakt und befreist dich aus deinem unaufhörlichen Gedankenkarussell. Dein ganzes System bekommt eine Pause.

Ursprünglich stammt das Konzept der Achtsamkeit aus dem Buddhismus. Für die Verbreitung der Methode im Westen war vor allem der New Yorker Molekularbiologe Jon-Kabat-Zinn verantwortlich. Der weltbekannte Meditationslehrer erfand die MBSR-Methode (Mindfulness-Based-Stress-Reduction), ein medizinisches Programm, bei dem man Schritt für Schritt lernt, Stress, Schmerzen und Beschwerden mit Hilfe von Achtsamkeit und Meditation abzubauen. Er zeigte, dass Achtsamkeit losgelöst von religiösen Kontexten eine effektive Methode ist, die in jeder Alltagssituation angewendet werden kann.

 

Die 7 Säulen der Achtsamkeit

Auch die »7 Säulen der Achtsamkeit« stammen von Jon Kabat-Zinn. Dabei handelt es sich um sieben Haltungen, die dich in deiner Praxis unterstützen sollen. Diese sind:

  1. Nicht-Urteilen: Das Betrachten deiner Gedanken und Gefühle ohne sie zu bewerten.
  2. Geduld: Geduldig mit dir selbst und deiner Umwelt sein. Es dauert, so lange es dauert.
  3. Anfängergeist: Betrachte die Dinge so, als würdest du sie zum ersten Mal betrachten.
  4. Vertrauen: Nimm deine innere Stimme wahr und vertraue auf sie.
  5. Nicht-Anhaften / Nicht-Erzwingen: Nimm den Druck aus dem, was du tust und halte nicht an Idealvorstellungen fest.
  6. Akzeptanz / Annehmen: Lerne, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind.
  7. Loslassen: Fixiere dich nicht und fahre dich dadurch fest, sondern mache dich frei von Anhaftungen. 
Man braucht weder Buddhist noch Yogi zu sein, um Achtsamkeit zu praktizieren.
Jon Kabat-Zinn in »Im Alltag Ruhe finden«
Sitzende Frau mit geschlossenen Augen

Die Vorteile: Was bringt Achtsamkeit im Alltag?

Bereits mit einfachen Übungen kannst du erste Achtsamkeitsimpulse in dein Leben einfließen lassen und vielleicht bemerkst du schon nach kurzer Zeit, dass sich deine Wahrnehmung verändert. Die Einstellung zu deinen eigenen Gedanken, Gefühlen, Sinneswahrnehmungen und Reaktionen wird durch dich aktiv verändert. Du lernst wieder intensiver, bewusster und länger zu spüren und wahrzunehmen, ohne zu bewerten. 

Weitere positive Effekte einer regelmäßigen Achtsamkeitspraxis sind zum Beispiel:

  • Förderung innerer Klarheit, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit
  • Wahrnehmen und Annehmen der Realität und dadurch weniger Grübeln und Overthinking  
  • Linderung von Stress, Angst und Depressionen
  • Erhöhte Akzeptanz negativer Emotionen wie Wut, Angst, Trauer
  • Verbesserte Wahrnehmung von positiven Gefühlen wie Freude, Liebe und Glück
  • Leichterer Umgang mit körperlichen und medizinischen Beschwerden 

Genau genommen kann sich eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis positiv auf dein ganzes Leben und dein Selbstbild auswirken.

Doch so einfach das Ganze an sich auch klingen mag, so schwierig kann es sein, Achtsamkeit auch tatsächlich umzusetzen und zu einem festen Bestandteil deines Alltags werden zu lassen. Aber das soll dich nicht entmutigen, denn das Schöne ist, dass du die positiven Effekte nicht nur langfristig, sondern auch sofort spüren kannst. Jeder achtsame Moment und jede Achtsamkeitsübung, und wenn sie nur ein paar Atemzüge andauert, lohnt sich also für dich.

Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Achtsamkeit, in jedem Augenblick präsent zu sein, ohne zu bewerten.
Jon Kabat-Zinn in »Gesund durch Meditation«

Beispiele für Achtsamkeit im Alltag

Achtsamkeit im Alltag bedeutet zum Beispiel, Geschehnisse, denen wir normalerweise keine Beachtung schenken (Zähneputzen, Treppenlaufen, Händewaschen, …), bewusst zu erleben. Außerdem können dir folgende Tipps helfen, achtsamer im Alltag zu sein:

  1. Nimm die Natur intensiv wahr und erlebe deinen Körper in ihr: Mach Spaziergänge oder geh Joggen oder übe eine Gehmeditation. Wie fühlt sich die Luft um dich herum an? Was riechst du? Was sendet dein Körper dir für Signale?
  2. Ob der erste Löffel Müsli am Tag, ein Apfel, ein Stück Schokolade oder eine ganze Mahlzeit: Übe dich darin, dein Essen mit allen Sinnen wahrzunehmen. Wie ist die Textur? Wie riecht es? Welche Farbe hat es? Wie schmeckt es? Konzentriere dich nacheinander auf die einzelnen Aspekte.
  3. Lass deinen Blick schweifen: Ob du in einem Auto, im Zug oder nur am Fenster sitzt – es gibt immer etwas bewusst wahrzunehmen. Wie sieht der Himmel gerade aus? Wie viele Grüntöne gibt es in der Umgebung? Gibt es wiederkehrende Formen (Kreise, Dreiecke, Vierecke) an Häusern, Bäumen, Straßen, die dir vorher noch nicht aufgefallen sind?
  4. Dein Atem kann jederzeit dein fester Anker sein, zu dem du immer wieder zurückkehren kannst. 

 

3 Achtsamkeitsübungen 

Die folgenden drei Achtsamkeitsübungen sind so ausgelegt, dass du sie jederzeit in deinen Alltag einbauen kannst.

 

1. Atembewusstsein 

Die Wahrnehmung deines Atems bringt dich sofort in den gegenwärtigen Moment, ohne dass du dafür viel Zeit brauchst oder irgendetwas an deiner momentanen Situation verändern musst. 

Und so geht’s:

  • Komme mit deiner Aufmerksamkeit zu deinem Atem.
  • Nimm dir bewusst vor, ihn nicht zu verändern, sondern nur wahrzunehmen, wie er sich gerade anfühlt. Wie schnell geht dein Atem? Wo kannst du deine Atmung am intensivsten spüren? Im Bauch? In der Nase? In der Brust?
  • Spüre, wie die Luft ein- und ausströmt.
  • Versuche, dich für ein paar Momente nur auf deinen Atem zu konzentrieren. Wann immer deine Gedanken abschweifen, führe sie sanft wieder zurück zu deinem Atem.

 

2. Dankbarkeitsminute

Bei dieser Praxis geht es darum, dir ganz bewusst eine Minute zu nehmen, in der du dich auf deine Umgebung konzentrierst und dich in Dankbarkeit übst. 

Und so geht’s:

  • Egal, wo du gerade bist, blicke dich um.
  • Was fällt dir als Erstes ins Auge? Es kann ein Gegenstand oder auch etwas aus der Natur sein – einfach etwas, das gerade deine Aufmerksamkeit erregt.
  • Schau dir das Objekt deiner Wahl genau an. Wie sieht es aus? Welche Gefühle steigen in dir auf, wenn du es betrachtest? Wie hilft es dir konkret in deinem Alltag? Hat es eine bestimmte Funktion? Bleibe bei deiner Betrachtung so objektiv wie möglich, z.B. die Lampe spendet Licht, mit dem Stift kann ich schreiben usw.
  • Bedanke dich innerlich bei diesem Objekt, dass es in deinem Leben ist.
  • Führe diese Übung für eine Minute aus. Du entscheidest, wie viele Gegenstände du in dieser Zeit bewusst wahrnehmen möchtest.

 

3. 5-4-3-2-1-Methode

Die 5-4-3-2-1-Methode ist eine wertvolle Hilfe, um dich in den Moment zu bringen. Auch in Situationen, die dich überfordern, kannst du das Eintauchen in deine Sinneswahrnehmungen anwenden. Du kannst die folgende Reihenfolge beliebig ändern. 

Und so geht’s:

  • Sehen: Blicke dich da um, wo du gerade bist, suche dir eine Farbe aus und benenne 5 Dinge dieser Farbe, die du in deiner Umgebung sehen kannst.
  • Hören: Lausche in deiner Umgebung auf 4 Geräusche und benenne diese.
  • Riechen: Schnuppere und schaue, ob du 3 Gerüche ausmachen kannst. Benenne diese.
  • Schmecken: Versuche, zu schmecken und 2 Geschmäcke auszumachen.
  • Fühlen: Spüre 1 Gegenstand, den du direkt berühren kannst. Wie fühlt sich dieser an? Benenne die Eigenschaften.
  • Spüre nach. Bist du im Hier und Jetzt angekommen?

 

Fazit: Wie Achtsamkeit im Alltag dir hilft 

Das Ziel der Achtsamkeit ist es, dich in den gegenwärtigen Moment zu bringen, ohne diesen zu bewerten. Wenn du beginnst, solche kleinen Momente der Bewusstheit in deinen Tag zu integrieren – sei es beim Zähneputzen oder beim Warten auf den Bus – holst du dein System aus dem Autopiloten. Du lernst, deine Gedanken und Gefühle wahrzunehmen, ohne dich von ihnen überwältigen zu lassen. Das Ergebnis ist nicht nur weniger Stress, sondern auch mehr Klarheit und eine tiefere Verbindung zu dir selbst und dem gegenwärtigen Moment.

Achtsamkeit und Meditation können dein Leben nachhaltig beeinflussen. Und das Beste: Du kannst genau jetzt damit anfangen, indem du deinen Atem wahrnimmst oder dein nächstes To-do ganz bewusst ausführst. 

 

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