Maßvoll essen lernen mit den 5 Betrachtungen

Achtsamkeit ist in aller Munde. Und das ist auch gut so. Je achtsamer du isst, desto mehr wirst du wertschätzen, genießen und lieben, was du zu dir nimmst. Um Achtsamkeit beim Essen zu entwickeln, bist du einfach mit all deinen Sinnen ganz bei dem, was du gerade riechst, schmeckst, kaust, schluckst und verdaust. Das geht ganz einfach. 

So geht’s: Du brauchst nur ein klein wenig Achtsamkeit, wenn du ein Stück Obst in den Mund steckst, um zu wissen: »Ich stecke ein Stück Apfel in den Mund.« Dein Geist sollte nicht woanders sein. Bist du beim Kauen mit deinen Gedanken zum Beispiel bei der Arbeit, bist du nicht achtsam. Achtsamkeit bedeutet, dem Apfel deine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn du wirklich Bissen für Bissen da bist – ihn riechst, schmeckst, erlebst –, wirst du nach kurzer Zeit den Samen des Apfels, den schönen Obstgarten, den Himmel, den Bauern und die Obstpflücker sehen. In diesem Apfel steckt eine Menge Arbeit.

 

Mit den fünf Betrachtungen essen

Vor dem Essen können wir die sogenannten „Fünf Betrachtungen“ sprechen, die der vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh kultiviert hat. Sie erinnern uns daran, ganz gegenwärtig zu sein für unser Essen und es bewusst und achtsam zu genießen. Du kannst sie laut vorlesen oder aus dem Gedächtnis sprechen. Dann werden sie wirklich zu einem Teil deiner Mahlzeit. Versuche, sie aber nicht nur einfach abzulesen, sondern probier aus, sie beim Essen zu leben. 

So lauten die fünf Betrachtungen: 

  1. Diese Nahrung ist ein Geschenk der Erde, des Himmels, zahlreicher Lebewesen und das Ergebnis von viel Liebe und Mühe.
     
  2. Mögen wir mit Achtsamkeit und Dankbarkeit essen, um uns dieses Geschenkes würdig zu erweisen.
     
  3. Mögen wir unheilsame Geistesgebilde erkennen und verwandeln, insbesondere unsere Gier, und lernen maßvoll zu essen.
     
  4. Mögen wir unser Mitgefühl aufrechterhalten, indem wir so essen, dass wir das Leiden der Lebewesen verringern, nicht mehr zum Klimawandel beitragen und unseren wertvollen Planeten heilen und bewahren.
     
  5. Wir nehmen dieses Essen an, um mit unseren Brüdern und Schwestern in Harmonie zu leben, unsere Gemeinschaft erblühen zu lassen, und um unser Ideal zu nähren, allen Lebewesen zu helfen.

Damit du nachvollziehen kannst, was genau gemeint ist mit diesen fünf Sätzen, erklären wir sie hier noch etwas genauer: 

 

Auch wenn du allein isst, bist du nicht allein.
Redaktion

Die 1. Betrachtung: Ein Geschenk der Erde 

Die erste Betrachtung möchte dir bewusst machen, dass unsere Nahrung direkt von der Erde und dem Himmel stammt. Sie ist ein Geschenk von Himmel und Erde und auch von den Menschen, die sie zubereitet haben. Viel liebevolle Arbeit fließt in die Vorbereitung einer Mahlzeit mit ein. 

Das Eine enthält alles. In einer Karotte kannst du unmittelbar die Erde, den Himmel und das ganze Universum sehen. Diese sind zusammengekommen, um diese wundervolle Karotte hervorzubringen. Viele Menschen haben durch ihre liebevolle Arbeit dazu beigetragen und viele Elemente haben zusammengewirkt, damit diese Karotte auf deinem Teller gelangen konnte. Mach dir bewusst, dass du mit dem ganzen Universum in Berührung bist, wenn du sie in den Mund steckst. Auch wenn du allein isst, bist du nicht allein. Ist das nicht wunderbar?

 

Die 2. Betrachtung: Dankbarkeit

Ist dir bewusst, wie viel Arbeit in den Anbau und die Zubereitung deiner Nahrung eingeflossen sind, nur damit du jetzt etwas zu essen hast und satt wirst? Es waren unzählige Menschen daran beteiligt. Ist dir auch bewusst, dass es gar nicht so selbstverständlich ist, dass du jeden Tag essen kannst, was du willst? All dies sind große Geschenke des Lebens an dich und lassen ein Gefühl der Dankbarkeit entstehen und das Essen schmeckt gleich noch einmal besser. Findest du nicht auch?

 

Die 3. Betrachtung: Maßvoll essen

Es ist sehr wichtig, nicht zu viel zu essen, weil du dir damit nichts Gutes tust. Wenn du langsam isst und sorgfältig kaust, wirst du viele Nährstoffe aufnehmen und gesund bleiben, weil du im rechten Moment erkennst, wann du satt bist. Wenn du achtsam, bewusst und regional isst, wirst du die Nahrungsmittel als Schätze der Erde betrachten und gleichzeitig ein tiefes Umweltbewusstsein entwickeln.

Der Buddha hat seine Mönche und Nonnen stets daran erinnert, maßvoll zu essen. Sich so zu ernähren führt zu einem leichten, gesunden Körper. Viele Krankheiten kommen durch den Mund zu uns. Wir sollten also dem, was wir zu uns nehmen, Aufmerksamkeit schenken und wissen, was wir essen und was wir nicht essen sollten. Schau auch du mit den Augen des Buddha auf das, was du isst. 

Mach dir immer wieder die Qualität deiner Nahrung bewusst. Wenn wir diese Betrachtung sprechen, entschließen wir uns, nur das zu essen, was für unseren Körper und unser Bewusstsein keine Giftstoffe enthält. Lebensmittel, die uns gesund erhalten und unser Mitgefühl nähren. Wenn du so isst, erhältst du das Mitgefühl in dir lebendig.

 

Die 4. Betrachtung: Essen, um das Leiden zu reduzieren

.Kennst du das auch, manchmal essen wir, selbst wenn wir gar nicht hungrig sind. Wir sind traurig, wütend oder frustriert und wollen diese Gefühle nicht wahrnehmen. Dieses Phänomen nennt sich emotionaler Hunger. Wir können aber auch auf eine Weise essen, die das Leid in uns nicht zudeckt, sondern uns hilft, es zu erkennen und zu verwandeln.

Die Erkenntnis, dass unsere Lieben denselben natürlichen Prozessen unterliegen, fördert Mitgefühl und Zusammengehörigkeit. Beim Essen können wir die Gemeinschaft und den Austausch während der Mahlzeiten schätzen und uns bewusst darüber sein, wie unser Essen mit anderen geteilt wird.

Vielleicht kannst du deinem Leid sogar zulächeln, denn es spielt eine wesentliche Rolle bei deiner Veränderung. Dir deines Leidens bewusst zu sein, hilft dir, das Leiden zu verstehen und die Energie des Mitgefühls zu erzeugen. Je achtsamer du bist und isst, desto weniger wirst du dich vor Leid und Schmerz fürchten. Versprochen! 

 

Die 5. Betrachtung: Allen Lebewesen helfen

Wir essen, um etwas zu verwirklichen. Unser Leben sollte einen Sinn haben, und dieser Sinn besteht darin, andere Menschen und Tiere darin zu unterstützen, weniger zu leiden und stattdessen glücklich zu sein. Tragen wir Mitgefühl im Herzen, können wir versuchen Leid zu mindern, beginnt unser Leben, an Sinn zu gewinnen. Das ist eine wichtige Quelle, die uns nährt und viel Freude bringt. Thich Nhat Hanh rät tierisches Leid zu verhindern, indem wir gänzlich auf pflanzenbasierte Kost umsteigen. Auch wenn ein Umstieg auf vegane Ernährung zunächst als schwierig empfunden wird, so ist sie ein wichtiger Teil, um verantwortungsvoll zu essen und bietet auch gesundheitliche Vorteile, wenn man sich ein wenig informiert.

Die Betrachtung, dass unsere Handlungen unser wahrer Besitz sind, erinnert uns daran, bewusst und verantwortungsbewusst zu essen. Wir können unsere Entscheidungen bei der Auswahl und Zubereitung von Lebensmitteln überdenken und uns darüber im Klaren sein, wie unsere Ernährung Einfluss auf uns selbst, andere Lebewesen und die Umwelt hat.

Wenn du fertig gegessen hast, dann lass dir noch ein paar Momente Zeit, dankbar für das zu sein, was du gerade gegessen hast und für all das, was zusammengekommen ist, um diesen Augenblick zu ermöglichen. Dazu gehören die Bauern, die die Ernte ermöglichen, aber auch die Tiere, die dir ihr Leben geschenkt haben.

Insgesamt bieten die Fünf Betrachtungen von Thich Nhat Hanh eine Möglichkeit, unsere Essgewohnheiten zu überdenken und mit mehr Achtsamkeit und Dankbarkeit an das Thema Ernährung heranzugehen. Achtsames Essen kann uns dabei unterstützen, eine tiefere Verbindung zu unserem Körper, zu anderen Menschen und zur Natur herzustellen.

 

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