Mindful Business: Vier Ebenen von Gesprächsqualität

Ebenen des Zuhörens und der Kommunikation

Die „vier Ebenen des Zuhörens und der Kommunikation“, entwickelt von Prof. Otto Scharmer und weitergedacht vom Institut for Mindful Leadership Institute, zeigen dir, wie du Gespräche so führen kannst, dass miteinander zu reden ein äußerst spannender Prozess sein kann.

 

Ebene 1: Der Autopilot

Small Talk ist ein gutes Beispiel für diese Ebene, die wir gerne im Berufsleben bedienen. Ein tiefgehender, echter Austausch findet nicht statt. Das Gespräch bleibt unverbindlich und oberflächlich. Hier lautet die unausgesprochene Vereinbarung zwischen den Gesprächspartnern: „Ich trete dir nicht zu nahe, und du tust mir nicht weh!“ Anders ausgedrückt: Jeder bleibt in seiner Komfortzone. Etwas Neues und Kreatives entsteht hier nicht. Wenn es auf der ersten Ebene einmal still wird, ist das Schweigen peinlich, weil deutlich wird, wie wenig man sich zu sagen hat.

 

Ebene 2: Objektivierendes Zuhören

Auf dieser Ebene finden Business-Meetings statt, wenn es um rationale Argumente, um Zahlen, Daten und Fakten geht und darum, Stellung zu beziehen, den eigenen Standpunkt zu erläutern, Entscheidungen zu treffen, Lösungen zu finden, Konflikte zu klären und Verhandlungen zu führen. Sobald es unterschiedliche Standpunkte gibt, können solche Gespräche den Charakter eines Kreuzverhörs annehmen und dazu führen, dass man sein Handeln rechtfertigen muss.

Wenn der „Schuldige“ eine Verzögerung oder einen Fehler nicht sofort eingestehen will, folgen meist endlose Debatten, bei denen jeder recht haben möchte. Hier ist die verbale Komfortzone zu Ende, und jeder überlegt, wie er seinen Gesprächspartner mit Argumenten übertrumpfen kann oder zumindest Recht bekommt. Stille fühlt sich jetzt nicht mehr peinlich an, sondern eher angespannt.

Auf dieser Ebene brauchst du Vertrauen in die eigene Position und in die eigenen Argumente. Es gibt Menschen, die den steigenden Druck nicht aushalten, verbal dann gerne zurückrudern und wieder auf die erste Ebene wechseln möchten, weil sie es nicht gewohnt sind, für sich einzustehen. Dies geschieht nicht nur mit Ablenkung und Lachen, sondern auch dadurch, dass einer der Gesprächspartner klein beigibt, weil er der dem verbalen Schlagabtausch nicht mehr gewachsen ist.

In solchen Momenten werden gerne Lippenbekenntnisse abgelegt, nur um die Situation zu beschwichtigen. Zielführend ist eine solche Reaktion allerdings nicht. Menschen, die rhetorisch fit sind, machen hier jedoch die Erfahrung, dass ihre Mitarbeiter ihnen folgen, aber sich aus Angst vor Ablehnung oder Zurückweisung letztendlich doch wegducken, anstatt wie gefordert neue Ideen einzubringen oder wenigstens die Ideen der Führungskraft wirklich mitzutragen.

Ein Gespräch auf dieser Ebene kann aber auch spannend und konstruktiv sein. Wenn allerdings das Team hier nicht mehr weiterkommt, ist es sinnvoll, auf die nächste Ebene zu wechseln.

 

Durch das Innehalten und die bewusste Fokussierung aufs Fühlen kannst du das Gespräch in eine andere Richtung lenken.
Esther & Johannes Narbeshuber

Ebene 3: Empathischer Dialog

Es geht darum, sich zu öffnen anstatt zu konstatieren, wer denn nun recht hat, wer gescheitert ist oder wie etwas genau zu sein hat. Halte an diesem Punkte inne, um für dich selbst eine kleine Achtsamkeitsübung zu machen, um mit dir in Kontakt zu kommen und dich zu fragen: Wie geht es mir eigentlich jetzt gerade, als ganzer Mensch? Und wie geht es meinem Gegenüber? Wie fühlt sich die Situation für ihn an? Wie sieht seine Perspektive auf die Dinge aus? Welche Sorgen, Nöte, Hoffnungen nehme ich wahr? Und welche Körperwahrnehmungen tauchen dabei auf?

Danach wendest du dich achtsam an deine Gesprächspartner: „Ich weiß nicht, wie es euch gerade geht, aber ich merke, dass ich müde und gleichzeitig ziemlich ärgerlich bin.“ In einem nächsten Schritt könntest du deine Erwartungen transparent machen, etwa: „Ich hätte mir gewünscht, dass bei diesem Thema alle schnell begeistert dabei sind, und jetzt merke ich, dass es ganz unterschiedliche Perspektiven darauf gibt.“ Und dann gibst du einen sicheren Rahmen: „Das ist okay, und es ist wichtig, dass wir diese unterschiedlichen Perspektiven klären. Dazu nehmen wir uns auch die Zeit.“ Und dann folgt eine Einladung an die anderen, von ihren Gefühlen zu sprechen – aber ohne ihnen eine Interpretation unterzuschieben im Sinne von „Ich habe den Eindruck, dass dir, Lena, das Ganze auch ein großes Anliegen ist, und frage mich, wie es dir gerade geht?“

Durch das Innehalten und die bewusste Fokussierung aufs Fühlen kannst du das Gespräch in eine andere Richtung lenken. Ärger und Anspannung können sich wieder lösen. Nun rückt häufig der Kampf ums Rechthaben in den Hintergrund, und es ist nicht mehr zwingend notwendig, an bestimmten Ergebnissen festzuhalten. Im Idealfall entsteht Vertrauen in den gemeinsamen Prozess.

 

Verletzlichkeit ist eine Stärke

Viele Menschen befürchten, dass sie sich durch diese Offenheit angreifbarer machen, und scheuen diese Ebene. Sich auf dieses neue Terrain vorzuwagen, ist anfangs natürlich nicht einfach. Aber du wirst schnell spüren, dass in dieser Form der Kommunikation auch ein Schlüssel zu jener Authentizität und Souveränität liegt, der im üblichen Hickhack auf Ebene 2 oft verloren geht.

Besonders hilfreich ist diese Ebene mit Menschen, mit denen du ständig Schwierigkeiten hast. Es kann dir die Augen öffnen, dich einmal bewusst vor einem Gespräch empathisch in diesen Menschen hineinzuversetzen, sich für seine Perspektive zu öffnen. Wahrscheinlich wird es dich viel Überwindung kosten, auf diesen „Störenfried“ offen zuzugehen. Aber es lohnt sich! Bereits nach kurzer Zeit wird auch dein Gegenüber merken, dass du ihm nichts Böses willst, sondern an einem wahrhaftigen Austausch interessiert bist. Und im Idealfall wird er sich dann auch auf diese neue Form des Dialogs einlassen und sich ebenfalls öffnen.

 

Ebene 4: Co-kreativer Dialog – „Presencing“

Hier geht es darum, sich ganz auf den gegenwärtigen Moment einzulassen und sich ganz vorbehaltlos dem Prozess hinzugeben, der aus dieser Gegenwärtigkeit entsteht. Diese Ebene ist ein großes Geschenk für alle, die sich trauen, offen und absichtslos da zu sein, weil sie uns mit der unerschöpflichen Kreativität des gegenwärtigen Moments in Kontakt bringen. Wenn wir auf dieser Ebene kommunzieren, sind wir vollkommen offen für unser Gegenüber und für das, was im gegenwärtigen Moment entsteht. Dies gelingt aber nur, wenn wir nicht schon im Vorfeld wissen, wie das Gespräch verlaufen soll oder wenn wir Recht haben wollen.

Bestimmt kannst du beim „Üben“ dieser vier Ebenen merken, wie entspannend es ist, wenn du ein Gespräch achtsam und empathisch führen kannst. Natürlich dauert es, bis sich neue Gewohnheiten etabliert haben. Sei dir deshalb nicht böse, wenn du mal wieder in dein altes Fahrwasser kommst und auf eine gewohnte Weise argumentierst oder Small Talk führst, obwohl du lieber Stellung beziehen würdest. Freu dich darüber, dass du bemerkt hast, auf welcher Ebene du dich befindest, und übe im nächsten Gespräch gleich wieder, mehr bei dir zu sein. Gelegenheiten bieten sich ja mehr als genug.

Weitere Tipps, wie du in deinem Job fokussierter und zugleich entspannter sein kannst, erhältst du in dem Buch "Mindful Leader" von Esther und Johannes Narbeshuber.

 

©Andreas Hechenberger

 

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