Lebe ich intensiv genug?

Intensiver leben: Leidest du an Risikosehnsucht?

Bis vor einem Jahrzehnt waren Klettern, Tauchen und Bungee-Jumping unter den Sportarten noch als Extreme bekannt. Mittlerweile sind gesicherte Felswände, Sprünge am Seil und begleitete Tauchgänge nicht mehr risikoreich genug. Stattdessen schwimmen Extremsportler mit Haien, klettern ungesichert an Wasserfällen, springen beim Mountainflying von Bergen oder rutschen beim Canyoning wilde Schluchten hinab. Jedes Jahr entbrennen Medienhypes um neue Extremsportarten, die Sehnsüchte nach intensivem Leben befriedigen sollen. Wer intensiv leben will, braucht dazu allerdings mehr als die neueste Extremsportart.

 

Wieso dich Risikodruck nicht intensiv leben lässt

Vom Tigerstreicheln bis hin zum Krokodilkuss warnt die World Animal Protection seit Oktober 2017 vor wilden Tieren auf Selbstinszenierungs-Selfies, deren Verbreitung in den vergangenen drei Jahren um 292 Prozent zugenommen hat. Ebenso viele Warnhinweise gibt es für virale Schnapsschüsse am äußersten Rand von Klippen, die Experten an einen technikverschuldeten Verlust des Risikoempfindens glauben lassen. Sobald du soziale Netzwerke öffnest, wollen dich solche und ähnliche Selbstportraits von steigender Risikobereitschaft überzeugen, wodurch du dich hinsichtlich der eigenen Lebenserfüllung unter Risikodruck fühlst.

Vorsicht vor vorschnellen Schlüssen: Zwar halten rund neun Millionen Deutsche Risikobereitschaft für einen unverzichtbaren Lebensbestandteil, aber nicht zwingend geht es beim Risiko um Extreme und genauso wenig führen leichtfertig in Kauf genommene Gefahren zu intensivem Leben. Bei Intensität geht es anders als bei viralen Selbstinszenierungen um Bewusstsein. Grundsätzlich ergeben sich Risiken mit Intensitätspotenzial aus sämtlichen Veränderungen: von Umgebungsveränderungen beim Reisen bis hin zu Neuorientierungen im Beruf.

 

Deshalb beginnt Glück außerhalb deiner Komfortzone

Am wenigsten riskierst du in deiner Komfortzone, die dir mit Routinen Sicherheitsgefühle vermittelt. Deshalb lässt du lieber alles beim Alten, anstatt aus unglücklichen Beziehungen auszubrechen oder nach neuen Jobherausforderungen zu suchen. Sobald du dich aber wie ein Äffchen von Komfortroutine zu Komfortroutine hangelst, schaltet dein Gehirn auf Durchzug und lässt dich nicht bewusst leben. Obwohl der Urmensch dank Autopilot mit Wohlfühlroutinen überlebenswichtige Energien gespart hat, brauchst du den Energiesparmodus heute nicht mehr. Anstatt dich überleben zu lassen, gefährdet der Autopilot in einer gefahrreduzierten Gesellschaft erfüllte Lebensführung.

Wie alle anderen Lebewesen sind Menschen aus evolutionsbiologischer Sicht auf Risikoerleben ausgelegt, wie es in der westlichen Welt heutzutage fehlt. Wo Hungersnot, wilde Tiere und Klimabedingungen das Überleben nicht bedrohen, entwickeln Menschen laut der Maslowschen Bedürfnispyramide natürlicherweise die Sehnsucht nach neuen Herausforderungen, die als solche immer Risiken tragen.

Intensiv leben kann deshalb nur, wer aus dem Halbschlaf erwacht und außerhalb der eigenen Komfortzone Risiken eingeht. Je wacher du durch dein Leben gehst, desto intensiver erlebst du es sekündlich und desto mehr Möglichkeiten erkennst du.

 

Unterbewusstsein programmieren: So nimmst du intensiver wahr

Pro Sekunde umgeben dich etwa 40 Milliarden Bit an Umgebungsinformationen, von denen deine Sinnesorgane rund 20 Millionen aufnehmen. In Form von Lauten, Gerüchen und Bildern erreichen davon pro Sekunde nur 40 Bit dein Bewusstsein. Dein Unterbewusstsein filtert zum Schutz vor Überlastung Millionen an Sinneseindrücken aus, wodurch du jeden Moment weniger intensiv erlebst als eigentlich möglich.

Indem du dir die ständige Bewertung von Sinneseindrücken abgewöhnst und dich unvoreingenommen auf die Umgebungsreizvielfalt konzentrierst, erweiterst du deine Wahrnehmungsfähigkeit. Statt einfach nur zu funktionieren und geistesabwesend zu reagieren, gewöhnst du dir über Konzentrationsübungen schrittweise den Autopiloten ab. Regelmäßige Atemmeditation hilft dir, Bewusstsein und Unterbewusstsein einem Achtsamkeitszustand anzunähern.

Fortan konzentrierst du dich in jeder Sekunde wieder neu auf den gegenwärtigen Moment und lässt Stimmungen oder Gedanken an dir vorbeiziehen wie wechselhaftes Wetter. Auf diese Weise erlebst du dein Leben nicht nur intensiver, sondern erkennst Möglichkeiten, die sich deiner bisherigen Wahrnehmung entziehen. Riskiere mehr für die richtigen Dinge, indem du dich selbst besser kennenlernst und Momenten zugleich so offen gegenübertrittst wie ein Kind.

 

Mehr für dich