Selbsttest: Bin ich eher introvertiert oder extrovertiert?

Bedeutung von Introversion und Extraversion und Tipps

Definition: Introversion vs. Extraversion

Das Extraversion-Modell ist ein Kernkonzept in der Theorie der menschlichen Persönlichkeit. Die Begriffe Extraversion und Introversion wurden ursprünglich von dem Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung eingeführt. Extraversion und Introversion werden üblicherweise als ein Kontinuum betrachtet, sodass ein höherer Grad an einem Merkmal notwendigerweise einen niedrigeren Grad am anderen mit sich bringt.

Introvertiertheit und Extrovertiertheit sind laut Jung zwei Pole eines Persönlichkeitsspektrums, das die Energieausrichtung einer Person beschreibt. Während ein introvertierter Mensch Energie eher aus der eigenen inneren Welt und Einsamkeit oder kleinen Gruppen bevorzugt, zieht ein extrovertierter Mensch seine Kraft eher aus der äußeren Welt und fühlt sich in großen Gruppen, im Mittelpunkt oder gesellschaftlichen Interaktionen wohler.
 

Typische Charaktereigenschaften der beiden Persönlichkeitstypen

Introvertierten Persönlichkeitstypen werden häufig diese Kerneigenschaften zugeschrieben:

  • selbstreflektiert
  • einsamkeitsliebend
  • detailorientiert

Irrtümlicherweise wird Introvertiertheit oft mit Schüchternheit gleichgesetzt. Denn dabei handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Konzepte. Während Introversion ein grundlegendes Persönlichkeitsmerkmal darstellt, ist Schüchternheit eher eine soziale Hemmung, die häufig durch Erfahrungen gelernt wird. 

Somit kann man sagen, dass schüchterne Menschen manchmal Unbehagen oder sogar Angst in Interaktionen mit anderen empfinden. Es ist wahr, dass einige Introvertierte auch schüchtern sein können. Dennoch ist es ebenso möglich, dass Extrovertierte Schüchternheit in bestimmten Situationen ausprägen.

Extrovertierte Persönlichkeitstypen zeigen laut Definition folgende Merkmale:

  • gesellig
  • aktionsorientiert
  • energisch

Es gibt genauso häufige Missverständnisse über Extraversion: Manche Menschen glauben fälschlicherweise, dass extrovertierte Individuen oberflächlich sind, ständig glücklich und immer im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen wollen. In Wirklichkeit können Extrovertierte ebenso tiefgründig und kreativ sein wie Introvertierte, erleben Stimmungsschwankungen und persönliche Herausforderungen und nicht alle suchen die Aufmerksamkeit.

 

Ambiversion: Exploration des Mischtypen

Jung bietet noch eine andere Perspektive und stellt fest, dass jeder Mensch sowohl eine extravertierte als auch eine introvertierte Seite hat, wobei eine Seite meist dominanter ist als die andere. Nahezu alle umfassenden Modelle der Persönlichkeit beinhalten diese Konzepte in verschiedenen Formen. Eine Person kann also nicht zu 100 Prozent introvertiert oder extrovertiert sein, es existieren immer Elemente beider Ausprägungen in jeder Persönlichkeit

Ambivertierte Personen weisen eine Balance zwischen introvertierten und extrovertierten Eigenschaften auf. Ganz generell sind Persönlichkeitsmerkmale dynamisch und können sich im Laufe der Zeit und durch verschiedene Erfahrungen ändern.

Bin ich also introvertiert, weil ich die Gene meiner Eltern geerbt habe oder weil ich ihre Gewohnheiten übernommen habe, oder beides?
Susan Cain in »Still«

Wie manifestiert sich Intro- und Extrovertiertheit?

Es gibt diverse Forschungen, die zeigen, dass sowohl genetische Veranlagungen als auch erlernte Verhaltensweisen einen Einfluss auf die Ausprägung der Introvertiertheit oder Extrovertiertheit haben können. Umweltfaktoren könnten dabei Erfahrungen sein, die wir im Leben machen, aber auch Wertesysteme, die die Persönlichkeit prägen. Genetik und Umwelt beeinflussen sich jedoch auch wechselseitig. 

Wenn extrovertierte Eltern zum Beispiel eine Umgebung schaffen, die ebenfalls extrovertiertes Verhalten fördert, dann kann dies wiederum die Extraversion der Kinder fördern. Daher ergänzen sich die genetische Prädisposition und die Umwelt einer Person. 

Auch unser Wertesystem, das eher von dem »Ideal der Extraversion« geprägt ist, kann uns dazu bringen, dass wir uns eher extrovertiert verhalten, obwohl wir eigentlich introvertiert sind. So werden Menschen, die gesellig, risikofreudig, entscheidungsfreudig, selbstbewusst und laut sind, häufig positiver wahrgenommen, als introvertierte Individuen, was wiederum die extrovertierte Haltung fördert. Daher ist Extraversion das Produkt einer Mischung aus Genen, Umwelt und ihren Wechselwirkungen über die Zeit.

 

Test: Bin ich eher introvertiert oder extrovertiert?

Der nachfolgende Selbsttest gibt dir einen Einblick in deine Grundtendenzen, ob du eher introvertiert oder extrovertiert bist. Aber erinnere dich, dass Introvertiertheit oder Extrovertiertheit keine festen Labels sind, sondern dynamische und anpassungsfähige Merkmale. Deshalb kannst du den Test auch in regelmäßigen Abständen wiederholen und prüfen, wo du gerade stehst.

 

5 Tipps, um deine individuellen Stärken zu leben


Stärken und Schwächen von Introvertierten und Extrovertierten

Introvertiert oder extrovertiert zu sein, unterliegt keiner Bewertung, denn beide Persönlichkeitsausprägungen haben ihre Stärken und Schwächen. Während introvertierte Personen durch ihre Tendenz, analytisch zu denken, tiefgründig zu sein und sich besonders gut selbst zu reflektieren, auszeichnen, können extrovertierte Menschen meist stark kommunizieren, sind sehr gesellig und aktionsorientiert. 

Auf der anderen Seite können Individuen mit einer stark introvertierten Persönlichkeit Schwierigkeiten damit haben, in Großgruppen zu sein, und werden manchmal als distanziert wahrgenommen, während Personen mit einer stark extrovertierten Ausprägung überwältigend und unreflektiert wirken können.

Sich seines eigenen Persönlichkeitstypus bewusst sein, ist der erste Schritt in Richtung Balance, z.B. zwischen sozialer Interaktion und Alleinsein. Mit ein paar Übungen, kannst du sowohl als eher introvertierter Mensch, also auch als eher extrovertierter Mensch eine gute Balance finden, die in unterschiedlichsten Situationen förderlich ist.

5 Tipps für Introvertierte

Die bewusste Wahrnehmung und Akzeptanz der introvertierten Eigenschaften und das gezielte Handeln auf Basis dieser Erkenntnisse, kann introvertierten Personen helfen, sich in einer überwiegend extravertierten Welt besser zurechtzufinden.

  1. Äußere deine Gedanken und Bedürfnisse: Lerne, deinem Bauchgefühl zu vertrauen und deine Gedanken kraftvoll zu äußern. Du kannst deine Gedanken immer noch auf subtile Weise äußern, sei es durch Schrift oder interessante Präsentationen. Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass du extravertiert handelst.
     
  2. Erreiche Ziele mit Sanftmut: Nutze deine introvertierten Stärken, um dir Zeit für die Vorbereitung zu nehmen. Dies könnte bei Reden oder Vorlesungen besonders nützlich sein. Nutze die Macht der Sanftmut, um deine Ziele zu erreichen. Du musst nicht immer laut sein, um effektiv zu sein.
     
  3. Schaffe Verbundenheit: Wenn du Small Talk nicht magst, finde andere Wege, um dich zu vernetzen. Versuche tiefergehende Gespräche zu suchen und gemeinsame Interessen mit anderen zu finden. Lächle, wenn du einen Raum betrittst und wenn du anfängst zu sprechen, um dir selbst und deinem Publikum ein Gefühl der Entspanntheit und Verbundenheit zu geben.
     
  4. Schaffe dir Rückzugsräume: Achte darauf, dass deine Grenzen gewahrt werden, sowohl privat als auch im Berufsleben. Du könntest deine Umgebung an deinen introvertierten Stil anpassen. Beispielsweise könntest du Rückzugsräume oder Stille-Inseln suchen oder sogar deine Büroumgebung neu gestalten, um besser für dich zu funktionieren.
     
  5. Komme in den Flow: Als introvertierte Persönlichkeit geht es darum, deinen Flow zu finden, indem du deine Talente nutzt: die Ausdauer, komplexe Probleme zu lösen, und die Fähigkeit, Fallstricke zu vermeiden, in die andere stolpern könnten. Um bei introvertierten Kindern die Fähigkeiten und Neigungen zu fördern, wird die intensive Beschäftigung mit einem bestimmten Thema ebenfalls empfohlen.

 

5 Tipps für Extrovertierte
 

  1. Baue gute Beziehungen auf: Kommunikation ist eine deiner Stärken: Du hast eine unbeschwerte Art, dich auszudrücken, und lockst andere aus der Reserve. Dieses Talent kannst du nutzen, um Gemeinsamkeiten mit anderen zu finden. Nutze es, um Beziehungen aufzubauen und zu vertiefen. Auch wenn du gut reden kannst, übe dich im aktiven Zuhören.
     
  2. Nutze dein Auftreten für berufliche Chancen: Lass die Persönlichkeitskultur für dich arbeiten: In einer Gesellschaft, die oft extrovertiertes Verhalten belohnt, solltest du deine extrovertierte Persönlichkeit als deine Visitenkarte nutzen. Etabliere dich in deinen sozialen und beruflichen Netzwerken und nutze deine Fähigkeiten, um dich zu vernetzen und selbst zu vermarkten.
     
  3. Finde schnelle Entscheidungen: Als extrovertierte Person hast du die Tendenz, schnell Entscheidungen zu treffen und spontan zu handeln. Obwohl es wichtig ist, diese Impulse zu kontrollieren, kannst du diese Fähigkeit nutzen, um in dynamischen, unstrukturierten Umgebungen erfolgreich zu sein, voranzukommen und schneller Veränderungen umzusetzen.
     
  4. Unterstütze introvertierte Menschen: Als extrovertierte Person bist du in der Lage, introvertierte Menschen dabei zu unterstützen, sich zu öffnen und in einer oft lauten Welt zurechtzufinden. Du hast die Stärken und das Temperament, um introvertierte Kolleg:innen, Freund:innen oder Familienmitglieder zu unterstützen und zu vertreten. 

 

Fazit: Bist du eher introvertiert oder extrovertiert?

Durch unseren Selbsttest hast du nun eine Tendenz, welcher Pol aktuell bei dir stärker ausgeprägt ist: die Extraversion oder Introversion. Das Verständnis, ob du eher introvertiert oder extrovertiert bist, ist ein Schlüssel zur Selbsterkenntnis. Denn es kann dir helfen, zu verstehen, warum du dich in bestimmten Situationen so verhältst, wie du es tust, und wie du dein tägliches Leben optimal gestaltest.

Denke jedoch immer daran, dass Persönlichkeitsmerkmale wie introvertiert oder extrovertiert nicht starr sind und Veränderungen unterliegen können, die von äußeren Umwelteinflüssen und deinen Erfahrungen geprägt werden. Um das Beste für dich herauszuholen, ist es wichtig, dass du dich und deine Bedürfnisse kennenlernst und übst, wie du deine individuellen Stärken fördern kannst.

 

Quelle: Plomin, R. (2011). Commentary: Why are children in the same family so different? Non-shared environment three decades later. International Journal of Epidemiology, 40(3), 582–592. https://doi.org/10.1093/ije/dyq144

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